Worum ging es beim Bürokratieindex in diesem Jahr?
Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des Vorstands der KBV:
"In diesem Jahr ging es speziell um eine Frage, und zwar Auswirkungen der Digitalisierung in die Praxis. Wir haben das nicht allgemein gemacht, sondern haben genau gefragt zu dem, zu der Anwendung, die auch in den Praxen am weitesten ausgerollt. Es ist die elektronische Arbeitsunfähigkeit. Da haben wir in diesem Jahr spezifisch nachgefragt, Wie ist der Aufwand, wie können Sie das in der Praxis umsetzen?"
Zu welchem Ergebnis kam die Untersuchung?
"Der Bürokratieindex dieses Jahr hat gezeigt, dass die Belastung der Praxen durch das Ausstellen der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung deutlich gestiegen ist. Im Durchschnitt 50 Sekunden mehr Zeit als die Ausstellung der Papier-Arbeitsunfähigkeit. Und das ist ein unzumutbarer Aufwand für die Praxen. Wir fordern daher, dass das schnellstmöglich zurückgeführt wird, mindestens auf den Aufwand mit Papier, am besten noch weniger."
Woran liegt es, dass die eAU mehr Zeit braucht?
"Es hat sich herausgestellt, dass der große Engpass-Faktor, der Faktor, der das Verfahren zum Stocken bringt, ist der Signaturprozess. Es ist ja so, dass ein elektronisches Rezept, aber auch die elektronische AU, signiert werden muss, das heißt mit der elektronischen Unterschrift versehen. Dazu braucht der Arzt eine Signierkarte, das ist der elektronische Heilberufeausweis. Der wird in das Gerät gesteckt, und dann wird während des Signaturprozesses ein Abgleich der Daten vorgenommen zwischen der Arztpraxis und einem Rechner im Netz. Und dabei wird ein Token ausgetauscht, um sicherzustellen, dass es wirklich ein berechtigter Arzt, eine berechtigte Praxis ist. Und dieser Prozess, der dauert teilweise sehr lange."
Gibt es weitere Probleme?
"Das zweite Problemfeld sind Fehlermeldungen, Fehlermeldungen, die erst nach dem Ausstellen und Versenden der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Kassenserver passieren. Und das passiert eben meistens, nachdem der Patient weg ist, nach 30, 60, 120 Minuten. Und dann ist natürlich das Problem sehr groß. Der Patient ist weg, er braucht aber die eAU. Was bleibt der Praxis über in den meisten Fällen? Das Ersatzverfahren. Es bedeutet wie bisher, es wird von Hand, also mit dem Drucker wird ein Papierformular ausgedruckt. Die Praxis muss es dann nehmen, eintüten, in einen Umschlag mit Briefmarke versehen und dann an die Krankenkasse schicken. Ein schlechtes Verfahren, das zeitlich, was auch den Praxisablauf natürlich komplett durcheinanderbringt und wo der Patient auch unter der falschen Voraussetzung rausgeht, das wäre schon alles elektronisch passiert. Gott sei Dank ist das nur in sehr wenigen Fällen so. Etwa 1 Prozent, sagt die Gematik. Aber auch 1 Prozent ist viel zu viel. Bei rund 90 Millionen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung pro Jahr wären das auch etwa 900.000 Fälle. Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl senken wird. Aber ich erwarte, dass das schnell geht. Die Praxen müssen nicht unnötig mit diesem Verfahren belastet werden."
Wird an der Fehlerbehebung gearbeitet?
"Ja, es wird natürlich jetzt dran gearbeitet von PVS-Systemen, von der gematik, da sind ja viele beteiligt daran, ist ja ein technisch komplexes Verfahren. Aber unsere Kritik daran ist, das hätte man besser vorher machen sollen, ausreichend testen und nicht erst praktisch in der Arztpraxis dann die Fehler auftauchen lassen und dann bereinigen."
Was fordern Sie als KBV?
"Im Prinzip ist es ganz einfach: Vorher rechtzeitig überlegen, was man macht, austesten und die Betroffenen, das betrifft die Krankenkassen, betrifft die Arztpraxis in jedem Fall ganz essenziell, aber auch die Versicherten, Patienten mit einbeziehen, rechtzeitig austesten, das ist in dem Fall nicht gemacht worden. Es läuft trotzdem relativ gut. 80 Prozent setzen das ein, aber ein Aufwand von 1,25 Millionen zusätzlichen Bürokratie-, Arbeitsstunden, Belastung für die Praxen, das ist unzumutbar. Und das ist bei rund 90 Millionen Bürokratiestunden, die wir vor zwei Jahren hatten, ist 1,25 Millionen zusätzlich auch nicht zu vernachlässigen. Und wir dürfen nicht vergessen: Wir erwarten ja von der Digitalisierung eine Verbesserung und auch eine Beschleunigung der Prozesse. Und insofern fordern wir ausreichend vorher testen. Und ich hoffe, dass diese Beispiele aus der eAU zeigen, dass wir im Rahmen des eRezeptes, was noch mal viel mehr in den Praxen bewirkt. Also viel mehr Formulare müssen da ausgestellt werden, dass das dazu führt, dass wir ausreichend testen und das zeigt zurzeit die Erfahrung in beiden Test-KVen, dass in der Tat das notwendig ist. Und ich kann nur davor warnen, das Verfahren vorher umzusetzen, bevor ausreichend getestet ist. Und das hat unser BIX-Messung jetzt gezeigt. Die Praxen sind unzufrieden mit dem zusätzlichen Aufwand, nicht mit dem elektronischen Verfahren an sich, aber mit dem zusätzlichen Aufwand, also praktisch mit der Umsetzung der Digitalisierung, nicht der Digitalisierung selbst. Das ist mir wichtig, deutlich zu machen. Das haben die Ergebnisse auch gezeigt. Viele Praxen sagen prima, wenn es funktioniert, bin ich damit einverstanden. Aber es muss funktionieren. Eigentlich eine triviale Forderung."