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PraxisNachrichten: Hinterher ist man immer schlauer

Gassen fordert neue Vergütungssystematik - Warnung vor Chaos bei COVID-19-Impfungen ab Januar

02.12.2022 - Eine Anpassung der ärztlichen Vergütungssystematik hat KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen auf der heutigen Vertreterversammlung in Berlin angemahnt. Gleichzeitig kündigte er an, gegen die Festsetzung des Orientierungswertes für 2023 zu klagen. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses war gegen die Stimmen der KBV gefasst worden.

„Die alljährlichen sogenannten Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sind zu einer Art Scheinritual verkommen, das für uns als unmittelbar Beteiligte schwer erträglich und Außenstehenden überhaupt nicht mehr vermittelbar ist“, kritisierte Gassen. Schon das Wort „Honorarverhandlungen“ sei irreführend und sollte dringend ersetzt werden, denn es gehe mitnichten um ärztliche Honorare, sondern um eine Anpassung der Finanzierung von Leistungen, also maximal um Finanzierungsverhandlungen.

„Wir brauchen eine neue, flexiblere Systematik, die es uns ermöglicht, einen Werterhalt der Arbeit in den Praxen sicherzustellen, etwa im Falle einer Inflation oder sonstiger aktueller Kostenentwicklungen. Und dies nicht mit einem zeitlichen Versatz von einem Jahr oder mehr“, forderte der KBV-Chef. Die SGB-V-Regelung sei eine reine Schönwetterregelung und erkennbar aus der Zeit gefallen. Hier müsse eine andere Systematik her.

Klage gegen Festsetzung des Orientierungswertes

„Das werden wir mit Nachdruck einfordern. Aus diesem Grund werden wir auch Klage gegen die Festsetzung des Orientierungswertes für 2023 einlegen.“ Die Steigerung des Orientierungswertes in Höhe von zwei Prozent war in den diesjährigen Verhandlungen gegen die Stimmen der Ärzteschaft entschieden worden, der GKV-Spitzenverband hatte zunächst sogar eine Nullrunde gefordert.

Hofmeister warnt vor Chaos bei COVID-19-Schutzimpfungen

Vor einem Chaos bei einer Überführung der COVID-19-Schutzimpfungen in die Regelversorgung bereits zum 1. Januar 2023 hat Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, die Politik gewarnt.

„Wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, mitten in der Hochphase für Atemwegserkrankungen das mittlerweile einigermaßen funktionierende Verfahren ändern zu wollen, ist mir schleierhaft“, kritisierte Hofmeister. „Die COVID-19-Schutzimpfung in die Regelversorgung zu überführen ist von der Sache her richtig, kann aber nicht in einer Hauruck-Aktion umgesetzt werden!“ Aus KBV-Sicht bedürfe es zunächst einmal einer Anpassung der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, denn die beziehe sich bislang nur auf die Sondersituation der Pandemie.

Auch sonst seien viele Rahmenbedingungen noch nicht geklärt. „Angefangen bei den Lieferwegen bis hin zu der Notwendigkeit, dass Praxen aufgrund der geringen Nachfrage endlich Einzeldosen erhalten müssen, um den Verfall einer Unmenge von Impfstoff zu vermeiden und um die Ärztinnen und Ärzte vor Regressen zu schützen, wenn sie keine Abnehmer für die Impfungen finden.“ All das sei nicht ohne entsprechenden zeitlichen Vorlauf zu regeln, ansonsten ende das Ganze im Chaos. „Bis hin zu der Konsequenz, dass ab Januar gar keine Corona-Schutzimpfungen mehr erfolgen könnten, was ein völliges Unding wäre“, betonte Hofmeister.

Die am Donnerstag im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gegen die Stimmen der KBV getroffene Entscheidung, die COVID-Impfung „prophylaktisch“ in eine Schutzimpfungsrichtlinie zu überführen, löse das Problem eben nicht, erklärte der KBV-Vize. „Sollte die aktuelle Corona-Impfverordnung nicht verlängert werden, gibt es kein realistisches Szenario, wie auf Basis einer Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA getroffener regionaler Impfvereinbarungen zum 1. Januar 2023 die Impfungen fortgesetzt werden könnten.“

Praxen haben bewiesen: Sie sind das Vertrauen wert

Das allgemein fehlende Vertrauen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft in die aktuelle Gesundheitspolitik begründete Hofmeister mit deren mangelnder Verlässlichkeit. „Dass die Leistungen der Praxen – insbesondere nach der Erfahrung von Corona! – nicht nur nicht gesehen, sondern ihre Arbeit mittlerweile sogar aktiv behindert und erschwert wird, lässt eigentlich keinen anderen Schluss mehr zu, als Absicht zu unterstellen“, kritisierte er und monierte, dass die Ärzteschaft unter Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht in Reformvorhaben eingebunden werde. Wenn die Praxen in den zurückliegenden Jahren aber eines bewiesen hätten, dann, dass sie das Vertrauen, das die Menschen hierzulande in sie setzten, auch wert seien.

Kriedel: Geringe Fortschritte in der TI liegen nicht an Praxen

Eine ernüchternde Bilanz hinsichtlich der kaum vorhandenen Fortschritte der Telematikinfrastruktur (TI) hat Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel am Ende der Legislaturperiode gezogen. „An den Praxen liegt das nicht“, betonte er.

„Wir können zwar in Superlativen von der TI und allem, was daran hängt, sprechen – aber größtenteils in negativen“, resümierte Kriedel. Neben der elektronischen Patientenakte (ePA) in ihrer jetzigen Form seien ebenfalls der elektronische Medikationsplan, der Notfalldatensatz und das eRezept ein Flop. Genauso wie das „Konnektoren-Debakel“. Hinzu käme die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), die in den Praxen einen jährlichen Mehraufwand von 1,25 Millionen Stunden verursachte.

Alles andere als reibungslos laufe die sichere Kommunikation der Praxen mit den Krankenkassen. „Die Kassen weigern sich, eNachrichten, also sichere E-Mails via KIM-Dienst, von Praxen anzunehmen. Das kann doch nicht sein“, sagte Kriedel.

Entscheidende Fragen bei Opt-Out-ePA ungeklärt

Zu den Plänen der Bundesregierung für eine Opt-Out-ePA stellen sich laut Kriedel viele Fragen: „Welche Teile der Praxisakten sollen in die ePA? Auch Gesprächsprotokolle von psychotherapeutischen Sitzungen? In welchen Abstufungen sollen die Versicherten noch Einfluss auf ihre ePA nehmen können? Wie wird sichergestellt, dass eine Filterfunktion zuverlässig alles anzeigt, was für den jeweils akuten Fall medizinisch relevant ist? Wer erhält welche Zugriffsrechte?“ All das sei noch unbeantwortet.  

Auch Gassen äußerte sich besorgt. „Ärzte und Psychotherapeuten sollen dann verpflichtet sein, jede existierende ePA auch mit Daten zu füllen“, sagte der KBV-Chef und fügte hinzu: „Und wenn der Patient oder die Patientin nicht explizit widerspricht, können diese Daten auch für Forschungs- und weitere Zwecke genutzt werden.“ Spätestens im europäischen Kontext seien vertrauliche Patientendaten nur noch „einen Schritt von Handelsware“ entfernt.

„Ich bin der letzte, der den Nutzen wissenschaftlicher Forschung und damit Datenauswertung in Frage stellt“, betonte Gassen. Doch darüber müsse man zumindest reden und „unbequeme Fragen stellen dürfen“.

Die kompletten Reden der drei Vorstände der KBV finden Sie hier.

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