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Stand 19.07.2017

Richtig kooperieren

Ärztliche Fortbildung und Sponsoring

Interview mit Karsten Scholz, Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen, über gesponserte Fortbildungsangebote, die Frage der versteckten Gegenleistung und warum Transparenz so wichtig ist

Es gibt zahlreiche Fortbildungsangebote für Ärzte: Woran erkennen sie auf den ersten Blick eine gesponserte Fortbildung?

Es sollte ein Blick in den zugesandten Flyer oder die Ankündigung im Internet genügen. Die (Muster-)Berufsordnung bestimmt, dass das Sponsoring, dessen Bedingungen und Umfang bei der Ankündigung und Durchführung der Veranstaltung offen zu legen sind.

Entsprechend verpflichtet zum Beispiel der FSA-Kodex* forschende Pharmaunternehmen, die externe Fortbildungsveranstaltungen finanziell unterstützen, darauf hinzuwirken, dass die Unterstützung bereits bei der Ankündigung der Veranstaltung vom Veranstalter offen gelegt wird.

Allerdings: Manchmal werden Sponsoren erst später geworben. Daher lohnt ein zweiter Blick ins Internet.

Was genau ist das Heikle daran, wenn ein Arzt an einer gesponserten Fortbildung teilnimmt?

Gesponserte Veranstaltungen sind günstiger als andere Fortbildungen oder die Teilnahme ist sogar kostenlos.

Heikel und sogar strafrechtlich relevant kann es insbesondere dann werden, wenn dem Arzt die verbleibende Tagungsgebühr, Hotel- und Anreisekosten erstattet werden, ohne dass dafür eine Gegenleistung wie etwa ein Vortrag oder die Moderation einer Sektion erkennbar ist.

Dann stellt sich die Frage, ob es nicht stattdessen eine versteckte Gegenleistung gibt – etwa die unausgesprochene Zusage an die sympathische Pharmavertreterin, die von ihr beworbenen Produkte häufiger zu verordnen. Das wäre dann die von den Juristen sogenannte Unrechtsvereinbarung.

Krankenkassen können gerade bei teuren Originalpräparaten auf die Idee kommen, sich Vielverordner in den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen genauer anzusehen. Äußert sich dann etwa ein ehemaliger Außendienstmitarbeiter, kann es schnell zu einem Strafverfahren und leider auch zu Praxisdurchsuchungen kommen.

Selbst wenn das Verfahren später, gegebenenfalls auch gegen eine Geldbuße, eingestellt wird, ist ein bleibender Schaden eingetreten. Übrigens: Auch über Betriebsprüfungen sind schon zahlreiche Korruptionsverfahren angestoßen worden.

″Ein wichtiges Mittel gegen Korruption ist Transparenz″ Karsten Scholz

Sollten Ärzte gesponserte Fortbildungen per se vermeiden?

So weit würde ich nicht gehen, zumal nur für so solche Veranstaltungen Fortbildungspunkte vergeben werden, die – so formuliert es der Gesetzgeber – frei von wirtschaftlichen Interessen sind. Aber natürlich ist besondere Obacht geboten, ob es wirklich neutrale Informationen gibt und Interessenkonflikte offen gelegt werden. Es wäre nicht in Ordnung, wenn der Referent die entsprechende Vortragsfolie nur für Sekundenbruchteile zeigt.

Ein wichtiges Mittel gegen Korruption ist Transparenz. Ich persönlich kann Ärzten daher nur empfehlen, sich an der Transparenzinitiative der Freiwilligen Selbstkontrolle* zu beteiligen und das Einverständnis zur Veröffentlichung der Zuwendungen für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu geben.

Was sollten Ärzte bedenken, wenn sie an mehrtägigen Fortbildungen teilnehmen, die geeignet sind, auch das Wochenende vor Ort zu verbringen oder die ganze Familie mitzunehmen?

Früher war es durchaus üblich, dass die Firmen auch die Kosten für Begleitpersonen und das sogenannte Damenprogramm übernahmen. Das belegt der bereits erwähnte FSA-Kodex*. Er stellt heute ausdrücklich klar, dass sich die Einladung oder die Übernahme von Kosten bei internen und externen Fortbildungsveranstaltungen nicht auf Begleitpersonen erstrecken darf. Und dies gilt auch für Bewirtungen.

Wenn die Zusatzkosten selbst getragen werden und keine Abwicklung über das Kongressbüro erfolgt, ergeben sich keine zusätzlichen Risiken. Niemand wird aber Verständnis dafür haben, wenn ein Arzt zweimal oder noch häufiger an derselben Veranstaltung an jeweils anderen Orten teilnimmt. Das spricht dann eindeutig dafür, dass die Reise eher der Freizeitgestaltung dient.

Blick ins Ausland: Was sollten Ärzte bei Fortbildungen beachten, die beispielsweise im Nachbarland Dänemark oder Österreich stattfinden?

Innerhalb der Europäischen Union müssen Fortbildungen schon im Interesse der Dienstleistungsfreiheit gegenseitig anerkannt werden. Die Fortbildungsordnungen der Landesärztekammern sehen deshalb vor, dass im Ausland absolvierte Fortbildungsmaßnahmen für das Fortbildungszertifikat anrechnungsfähig sind, soweit sie den in Deutschland gestellten Anforderungen im Grundsatz entsprechen.

Wir haben kürzlich allerdings einer Hausärztin von der Teilnahme an einem Masterclass-Meeting in Madrid abgeraten. Sie sollte dort für drei Tage hin fliegen, um sich zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern fortzubilden.

Wir haben uns gefragt, ob man das nicht auch vor Ort lernen kann. Solche Umstände sprechen aus Sicht eines Staatsanwalts für eine Unrechtsvereinbarung mit der Ärztin. Hinzu kamen einige merkwürdige Vertragsklauseln. Ärzte sollten daher das Angebot ihrer Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen nutzen und solche Vereinbarungen dort zur Prüfung vorlegen.

Was sollten Vertragsärzte speziell bei Online-Fortbildungen beachten?

Gerade für Ärzte in dünn besiedelten Regionen ist das eine sinnvolle Alternative, auch wenn das kollegiale Gespräch am Veranstaltungsort wegfällt. Online-Fortbildungen werden ebenfalls von den Ärztekammern anerkannt; dazu gibt es besondere Qualitätskriterien.

Dabei wird auch darauf geachtet, dass die Fortbildungseinheit werbefrei ist. Die Anerkennung würde daher versagt werden, wenn unaufgefordert Online-Werbung aufploppt und man durch Anklicken an einem Gewinnspiel teilnehmen kann.

* FSA-Kodex und Transparenzinitiative

* FSA-Kodex und Transparenzinitiative

Zahlreiche Pharmaunternehmen haben sich der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) angeschlossen und zu mehreren Kodizes verpflichtet. Hierzu gehört der FSA-Kodex für Fachkreise, der zum Wohle des Patienten die ethisch einwandfreie Zusammenarbeit mit Ärzten regelt. Ein weiterer ist der FSA-Transparenzkodex. Hier verpflichten sich die Firmen zur Transparenz bei der Zusammenarbeit etwa mit Ärzten.

2016 wurde eine Transparenzinitiative gestartet: Der FSA legte den Gesamtumfang aller Leistungen seiner Mitglieder an Ärzte offen. Jedes Mitgliedsunternehmen hat zudem seine individuellen Leistungen im Internet veröffentlicht. Zahlreiche Ärzte haben sich freiwillig mit einer namentlichen Nennung in den Datenbanken der Unternehmen einverstanden erklärt.
Mehr dazu unter: www.pharma-transparenz.de