Das spricht doch für die Idee, Krankenhäuser, die aus sich heraus nicht mehr tragfähig sind, zurückzubauen und im Gegenzug Zentren zu schaffen, in denen Kräfte aus dem Klinik- und dem ambulanten Bereich gemeinsam Versorgung anbieten. Ist das ein Konzept, dem Sie etwas abgewinnen können?
Ich bin ein Anhänger des Konzepts, das der Sachverständigenrat im Jahr 2014 formuliert hat. Er spricht da von regionalen oder lokalen Gesundheitszentren, die sektorübergreifend tätig sind und die in die Richtung gehen, die Sie ansprechen. Dort können beide Partner – im Zweifelsfall sind es auch noch mehr als nur die niedergelassenen Ärzte und das Krankenhaus – zusammenkommen und an einem bestimmten Ort gemeinsam Leistungen anbieten. Das sind interessante Lösungen.
Aber so etwas wird nicht gelingen, indem wir von Berlin aus sagen, jetzt legen wir mal die Landkarte auf den Tisch und identifizieren die Standorte, wo das so sein soll. Die Akteure vor Ort müssen diese Möglichkeiten für sich erkennen. Zum Teil müssen wir die Rahmenbedingungen auch noch ein Stück weit verändern, damit das funktioniert.
Können Sie ein Beispiel geben?
Denken Sie an die kleineren Krankenhausstandorte mit überschaubaren Fallzahlen, die sich heutzutage voll umfänglich aus der Summe der DRGs finanzieren sollen. Vorhaltekosten für die Infrastruktur werden nicht gesondert finanziert. Wenn die Finanzierung gesichert wäre, dann kann ich mir gut vorstellen, dass diese Infrastruktur auch sektorübergreifend genutzt wird.
Das können dann niedergelassene selbstständige oder auch angestellte Ärzte sein, die in einem Medizinischen Versorgungszentrum – was im Übrigen nicht dem Krankenhaus gehören muss, da sind alle Lösungen vor Ort denkbar – zusammenarbeiten und Geräte etc., die ja sehr teuer sind, gemeinsam nutzen.
Es gibt Herausforderungen, mit denen beide Sektoren zu kämpfen haben. Sie haben das Stichwort Personal schon genannt, dazu gehört auch der medizinische Nachwuchs …
Es wäre gut, mehr jungen Menschen, die den Arztberuf ergreifen wollen, das Medizinstudium zu ermöglichen. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir darüber hinaus die Gesundheitsfachberufe stärker in den Blick nehmen müssen. Diese Berufe bringen Potenziale mit, die durch die Ausbildung und später auch Akademisierung Möglichkeiten der Patientenversorgung eröffnen, die wir in Deutschland bisher so nicht angehen.
Ich weiß, dass das gerade für die Ärzte kein ganz einfaches Thema ist. Aber wenn Sie sich international umschauen, dann ist es sehr üblich, dass Pflegekräfte mit besonderen Qualifikationen oder auch andere Gesundheitsfachberufe zum Teil eigenverantwortlich mehr Aufgaben übernehmen als es bei uns bislang der Fall ist. Ich glaube, da sollte man ein Stück weit offener werden.
Es gibt die Meinung, in Deutschland gebe es zu viele Kliniken. Was sagen Sie dazu?
Diese Stimmen gibt es. Genauso gut kann man aber auch sagen: Wir haben eine traditionell gewachsene Versorgungsstruktur in Deutschland, die sich an der Gesamtversorgungssituation orientiert. Wenn es darum geht, was eine ideale Versorgungslandschaft ist, dann darf man nicht nur auf die Kliniken schauen. Vielmehr muss man die gesamte Struktur im Blick haben und etwa folgende Fragen stellen: Ist die Verteilung zwischen ambulant und stationär angemessen? Gibt es genügend ambulante Anbieter, die in der Lage wären, Patienten zu übernehmen, wenn die Klinikstruktur so nicht vorhanden ist?
Am Ende ist es eine politische Entscheidung, wie flächendeckend die Krankenhausversorgung sein soll. Dafür ist meiner Ansicht nach nicht die Selbstverwaltung zuständig. Da sehe ich die Politik in der Verantwortung. Wir sind natürlich gerne bereit und auch interessiert, einen Beitrag zu leisten. Aber der Klassiker am Grünen Tisch, „wir schauen mal nach Dänemark“ oder „wir öffnen eine Internetseite, klicken ein paar Krankenhäuser weg, und gucken, was passiert“, das ist meines Erachtens keine Lösung, mit der die Bevölkerung einverstanden wäre. Die wohnortnahe Gesundheitsversorgung, ob ambulant oder stationär, ist ein wesentliches Merkmal der Attraktivität von Regionen.
Sie haben das Verhältnis zwischen Politik und Selbstverwaltung in jüngerer Zeit mit dem Begriff „Misstrauenskultur“ in Verbindung gebracht. Was meinen Sie damit?
Wir haben in der zurückliegenden Legislaturperiode erlebt, dass der Gesetzgeber den Krankenhäusern sehr weitreichende Vorgaben gemacht hat. Das ging bis hin zu der Frage, wie das Personal einzusetzen sei. Da wird sehr viel in die originäre Verantwortung der Krankenhausleitungen hineinregiert. Ich glaube, es wäre gut, mehr Vertrauen in die Institutionen und die verantwortlichen Personen zu setzen.
Wir sind selbst daran interessiert, gute Patientenversorgung zu betreiben und gute Arbeitgeber zu sein. Deshalb braucht es diese detaillierten Vorgaben nicht. Wir haben eine dramatische Überregulierung – übrigens nicht nur im Krankenhausbereich. Diese Überregulierung ist am Ende Ausdruck von Misstrauen. Man möchte Kontrolle ausüben, Kontrolle braucht Dokumentation. Diese Kontrollaufgabe wird dann weitergegeben, an die Krankenkassen, an den Medizinischen Dienst. Das hat sich in einer Art und Weise entwickelt, die bei uns unglaublich viele Ressourcen bindet.