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Stand 23.08.2018

Politik

„Das ist eine mission impossible“ - Interview mit dem Vorstand der KBV zum TSVG

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz bringt (möglicherweise) mehr Geld, aber nicht für die Versorgung wirklich kranker Menschen. Stattdessen ebnet es den Weg in eine „Wünsch-dir-was-Versorgung“ für alle. Dies ist einer der Kritikpunkte, den der KBV-Vorstand im Interview mit „Klartext“, dem gesundheitspolitischen Magazin der KBV, äußert.

Im Folgenden dokumentieren wir einen Ausschnitt, das vollständige Interview erscheint Mitte September im neuen „Klartext“.

Herr Dr. Gassen, Herr Dr. Hofmeister, Herr Dr. Kriedel, der Entwurf zum neuen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) liegt nun vor. Wie ist die Stimmung im KV-System?

Gassen: Ambivalent, würde ich sagen. Wir sehen durchaus die eine oder andere sinnvolle Änderung. Wir sehen aber auch ein Gesetz, das in die Selbstverwaltung und sogar in die individuelle Arztpraxis hinein reguliert. Genau das tun die Terminservicestellen, die offene Sprechstunde und die 25-Stunden-Regelung zu den Sprechzeiten. Das löst bei den Kollegen an der Basis große Irritation und auch Verärgerung aus. Auf der anderen Seite, und das ist das Positive, erkennt Herr Spahn an, dass Mehrleistung vergütet werden muss. Ob diese Vergütung tatsächlich kommt, das wird der Lackmustest für das Gesetz werden.

Sie hatten im Vorfeld der Gesetzgebung die generelle Entbudgetierung ärztlicher Grundleistungen gefordert und dies mit rund einer halbe Milliarde Euro beziffert. Dieselbe Summe stellt Minister Spahn jetzt für bestimmte Mehrleistungen in Aussicht. Ein faires Angebot?

Gassen: Es ist zumindest ein Angebot. Aus unserer Sicht wäre die Entdeckelung der Grundleistungen der einfachere und effektivere Weg gewesen. Es wäre außerdem ein Signal der Wertschätzung gegenüber der Ärzteschaft, ohne dass es teurer geworden wäre. Jetzt wird es viel schwerer – für uns, aber auch für die Politik – Überzeugungsarbeit zu leisten, und es wird für die KVen schwerer, das auch umzusetzen.

Hofmeister: Das Problem bei diesem Gesetz ist, dass die wirklich Kranken „hinten runterfallen“. Deren Finanzierung bleibt gedeckelt und budgetiert. Wenn das Gesetz umgesetzt wird, dann bringt es vielleicht das Geld, aber es schafft absehbar ein neues Versorgungsproblem. Und schlimmstenfalls bringt es das Geld auch nicht, weil die Ärzte gar nicht so viel mehr leisten können und/oder weil die Summe durch Bereinigung und andere Mechanismen am Ende unterlaufen wird. Hinzu kommt ein riesiger bürokratischer Aufwand, um das Ganze zu überwachen und zu kontrollieren.

Kriedel: Ich bin enttäuscht von dem, was in dem Gesetzentwurf steht verglichen mit den Ankündigungen. Ich hätte mir deutlicher den Einstieg in den Ausstieg aus der Budgetierung gewünscht. Das wäre ein Zeichen für die Zukunft gewesen. Wir wissen, dass wir in den nächsten Jahren Probleme haben werden, Ärzte zu finden, die sich niederlassen wollen. Man hätte mit dem Geld mehr erreichen können, auch in der Wirkung auf die nachfolgende Ärztegeneration. Da ist eine Chance verschenkt worden.

Mehr Termine, kürzere Wartezeiten, mehr Personal, schnellere Digitalisierung – all das verspricht der Minister den Wählern in kurzer Zeit. Das sind hehre Ziele, aber stimmen auch die Voraussetzungen?

Gassen: Die Wunschliste ist schon sehr lang. Ohne entsprechendes Honorar wird gar nichts davon erfüllt werden können. Die Forderung in der Größenordnung von 500 bis 600 Millionen Euro steht im Raum. Selbst mit diesen Mitteln wird es nicht einfach, die Dinge umzusetzen. Ohne diese Mittel wird es unmöglich.

Hofmeister: Wenn wir davon ausgehen, dass wir eigentlich dazu da sind, die wirklich Kranken und Leidtragenden zu behandeln, dann bräuchte es andere Maßnahmen. Zum Beispiel eine Möglichkeit der Steuerung der Inanspruchnahme, bei der der Patient mit Verantwortung übernimmt, indem er sich etwa für einen bestimmten Versicherungstarif entscheidet. Das wäre der einzige Weg, um mit den knapper werdenden Ressourcen eine weiterhin hohe Versorgungsstruktur für Kranke zu erhalten. Mit dem Gesetz machen wir eine Wünsch-dir-was-Versorgung für alle. Die wird an ein Ende kommen. Sowohl was die menschlichen Kapazitäten angeht als auch was das Geld betrifft.

Kriedel: Noch ein Punkt: Viele der Regelungen sollen zum 1. April nächsten Jahres umgesetzt werden. Das wird technisch nicht möglich sein, weil zum Beispiel die Praxisverwaltungssysteme geändert werden müssen. Und, so paradox es klingt: Je mehr Details Sie vorgeben, desto mehr Fragen werfen Sie auf. Deshalb der dringende Wunsch an den Gesetzgeber, die Detailtiefe zu reduzieren, oder, wenn er das nicht will, zumindest uns die Möglichkeit zu geben im Rahmen der Selbstverwaltung, die nötigen nachfolgenden Regelungen zu schaffen.

Der Gesetzgeber setzt ja nicht nur enge Fristen, sondern droht parallel mit Ersatzvornahmen und Sanktionen …

Hofmeister: Da kann man nur sagen: viel Spaß. Langsam wird es Zeit, daran zu erinnern, dass Ärzte die Menschen versorgen und nicht Politiker. Das muss man mal einflechten, weil uns die Jugend wegläuft. Die Studenten, mit denen wir auf dem Ärztetag gesprochen haben, haben uns freundlich ins Gesicht gelacht beim Thema Landarztquote. Das verkennt die Politik dramatisch.

Das vollständige Interview erscheint Mitte September im neuen „Klartext“.