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Stand 16.05.2019

Reden

Statement Dr. Stephan Hofmeister beim Zi-Forum zur strukturierten medizinischen Ersteinschätzung mit SMED

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

rund zwei Jahre ist es her, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen in einem Eckpunktepapier die Weiterentwicklung der ambulanten Akutversorgung angemahnt und die hierfür notwendigen Schritte skizziert hat. Damit haben wir einen Stein ins Rollen gebracht. Wie sich damals schnell herausstellte, barg das Thema einigen Sprengstoff und entwickelte sich zu einem Disput zwischen Niedergelassenen und Klinikvertretern, der letztendlich jedoch sehr fruchtbar war. In der Analyse waren sich im Prinzip alle einig – nämlich, dass zu viele Patienten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser sitzen, die medizinisch gesehen dort nicht hingehören. Heute sind wir als KV-System so weit, dass wir verkünden können: Wir haben nicht nur Ideen, wie man etwas machen müsste. Sondern wir haben konkrete Maßnahmen und Instrumente, um die Versorgung im Akutfall zielgerichtet und passgenau sicherzustellen.

Eines dieser Instrumente ist SmED, eine Software zur „strukturierten medizinischen Ersteinschätzung in Deutschland“, die wir Ihnen heute vorstellen. Sie basiert auf einem in der Schweiz bereits erprobten Verfahren, das für die Anwendung in Deutschland adaptiert wurde. SmED wird in dem vom Innovationsfonds geförderten Projekt DEMAND getestet und evaluiert, an dem auch mehrere Kassenärztliche Vereinigungen beteiligt sind. Schon ab diesem Sommer werden wir SmED für ein bundesweit einheitliches Ersteinschätzungsverfahren für die Bereitschaftsdienstnummer 116117 verwenden. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz sieht vor, die Nummer bis zum 1. Januar 2020 zu einer bundesweiten Serviceplattform zur Arztsuche, Terminvermittlung und Hilfe im Akutfall auszubauen. Künftig wird es möglich sein, bereits am Telefon eine strukturierte medizinische Ersteinschätzung vorzunehmen und danach zu entscheiden, welche Art von Hilfe der Anrufende benötigt. Die Bandbreite kann von einer rein telefonischen Beratung, über die Vermittlung in eine Arztpraxis bis hin zur Verbindung zum Notruf 112 reichen. Dazwischen liegen die Ebenen Bereitschaftspraxis, Hausbesuch, Portalpraxis und Klinikambulanz. Später könnte das System durch eine Telekonsultation, gegebenenfalls per Videoschaltung, ergänzt werden.

Um eine mögliche Sorge gleich zu zerstreuen: Niemand muss befürchten, dass ein hierfür nicht ausgebildeter Callcenter-Mitarbeiter medizinische Entscheidungen trifft. Das Personal hinter der 116117 wird speziell trainiert und qualifiziert, die entsprechenden Schulungen laufen bereits. Und, das ist ganz wichtig: Ärzte sind und bleiben immer im Hintergrund! Die Software soll diese nicht ersetzen, sondern helfen, die ärztlichen Ressourcen für diejenigen Patienten vorzuhalten, die ihrer wirklich bedürfen.

Deshalb fällt es mir auch leicht, die von einigen Notfallmedizinern geäußerte Kritik, SmED sei für ihre Fälle nicht geeignet, zu entkräften beziehungsweise richtigzustellen. SmED ist nicht für den Einsatz bei klinischen Notfällen gedacht. An einem Unfallort oder wenn jemand bereits mit Blaulicht in den Schockraum einer Klinik gebracht wird, wird sich dort niemand erst mal an den Computer setzen und durch einen Fragebogen klicken. Unser Verfahren dient dazu, Menschen, die sich selbst als akut behandlungsbedürftig einschätzen und aus eigener Kraft vorstellen – ohne dass eine erkennbar lebensbedrohliche Situation vorliegt – ambulant weiter zu versorgen, sofern dies erforderlich und geboten ist. Sollte sich im Lauf der Ersteinschätzung herausstellen, dass der Patient dringend stationäre Hilfe benötigt, ermöglicht die Software, diese Fälle schnell zu erkennen und direkt an den Rettungsdienst 112 zu übergeben. Wir sprechen hier also von verschiedenen Patientengruppen. Unser System ist keine Konkurrenz, es ist eine Ergänzung, die bislang gefehlt hat, weil es für den ambulanten Bereich ein solches einheitliches Ersteinschätzungsverfahren schlichtweg nicht gab. Zusammengefasst: Niemand fällt durchs Raster, wer Hilfe braucht, erhält sie, und zwar zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Um nicht mehr, aber auch um nicht weniger geht es.

SmED ist, wie schon gesagt, eine Software für den professionellen Einsatz. Sie könnte in Zukunft – mit einigen Anpassungen, an denen bereits gearbeitet wird – auch an den gemeinsamen Tresen von Portalpraxen und Krankenhaus-Notfallambulanzen eingesetzt werden, die der Sachverständigenrat für Gesundheit empfiehlt.

Doch dabei wollen wir es nicht belassen. Schon in naher Zukunft wollen wir die Anwendung als App, beispielsweise für Smartphones, allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Damit kann dann auch der Patient selbst im Bedarfsfall besser einschätzen, ob er beispielsweise am Wochenende den Bereitschaftsdienst konsultiert, in eine Portalpraxis geht oder ob es reicht, am nächsten Tag einen Termin bei einem niedergelassenen Arzt zu vereinbaren.

Die Nutzer werden mithilfe der App angeleitet, aber auch mehr in die Verantwortung genommen. Wir wollen die Menschen dazu befähigen, eine Entscheidung zu treffen, die auf Fakten beruht und nicht auf einem bloßen Bauchgefühl oder aus einer reinen Anspruchshaltung heraus. Wir als KBV meinen, dass es höchste Zeit ist, die Versicherten hier stärker einzubinden. Eine Rund-um-die-Uhr-Express-Versorgung auf Wunsch, an jedem Ort und unabhängig von echter Dringlichkeit, ist nicht das, wofür unser Gesundheitssystem ausgerichtet ist – übrigens kein Gesundheitssystem der Welt. Angesichts von Fachkräftemangel und zurückgehenden ärztlichen Arbeitskapazitäten – Stichwort Arztzeit – ist es nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar dringend notwendig, mit den vorhandenen Ressourcen behutsam umzugehen. Und das heißt eben: Ein Schnupfen gehört nicht in die Notaufnahme und eine Magenverstimmung nicht in den Rettungswagen. Das wird das System selbst mit viel mehr Geld nicht leisten können.

Damit wir auch in Zukunft noch die Versorgung bewältigen können, verwenden wir SmED. Egal ob ein Patient die 116117 anruft, auf die gleichnamige Website geht oder die App nutzt, immer wird zunächst das strukturierte Ersteinschätzungsverfahren durchgeführt. Wie es danach weitergeht, entscheidet sich je nach Bedarf und den regionalen Gegebenheiten. Aber der Zugang zu diesem Vermittlungsservice, der erfolgt künftig einheitlich – über SmED.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.