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KBV fordert höhere Vergütung für Hausbesuche

Wie sieht es mit der Neubewertung der Hausbesuche aus?

Dr. Stephan Hofmeister, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV:
„Wir hatten dieses Jahr im Bewertungsausschuss ein Erlebnis der dritten Art, muss man fast sagen. Wir sind seit zwei Jahren daran, mit dem GKV-Spitzenverband die schlecht bewerteten Hausbesuche neu zu diskutieren. Und jetzt wurde uns erneut gesagt, dass es zu den Hausbesuchen eigentlich keinen Aufwertungsbedarf gibt aus Sicht des GKV-SV. Und dass die Zahlen über die Anzahl der Hausbesuche auch unklar wären, weil nicht klar ist, was wird denn in Selektivverträgen gemacht. Das sind Argumente, die wir vor zwei Jahren schon gehört haben und zu denen es bereits Untersuchungen gegeben hat durch das InBA, durch die dann festgestellt wurden, dass die HZV-Zahlen, die Selektivvertragzahlen nicht vorliegen und die auch nicht vorgelegt werden wollen seitens der Krankenkassen. Genau dieser Vorwurf wird jetzt erneut gemacht. Und das ist schon hanebüchen, dass wir da abgespeist werden. Der GKV-Spitzenverband sieht erstens gar keinen wirklichen Bedarf, da was zu tun. Und falls er einen solchen Bedarf sehe, sieht er keine Rechtsgrundlage, irgendetwas an der Ziffer aufzuwerten, sodass als einzige Lösung aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes bleibt, aus anderen Leistungen Geld herauszunehmen und in die Hausbesuchsleistung zu transferieren. Nun ist uns aber keine Leistung bekannt, die so überbewertet ist, dass man dafür wirklich Geld herausnehmen kann, um die Hausbesuche besser zu vergüten. Und die Vergütung von 23 Euro für einen Hausbesuch ist nach wie vor unzumutbar niedrig und ein absolut defizitäres Geschäft für den Arzt.“

Wie bewerten Sie dies auch vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie?

„Das ist ein absoluter Affront. In der Coronakrise hat die Vertragsärzteschaft sechs von sieben Patienten behandelt, hat sie identifiziert, hat Abstriche gemacht, hat sich gekümmert, hat unter anderem maßgeblich mit dazu beigetragen und die Hausärzte an vorderster Front in besonderer Weise, dass die Corona-Situation in Deutschland sehr anders abgelaufen ist, was schwere und tödliche Verlaufsfälle angeht als in anderen europäischen Ländern. Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht und wirklich eine Zumutung, dass hier nicht in einen konstruktiven Dialog eingetreten wird und diese massiv unterbewertete Ziffer so aufgewertet wird, dass die Besuche stattfinden können, ohne dass eine Praxis dadurch defizitär wird.“

Welche Bedeutung hat der Hausbesuch?

„Hier kommt eigentlich der wichtigste Punkt: Wir gehen gar nicht davon aus, dass das mehr Hausbesuche werden, sondern wir wollen nur dafür sorgen, dass die notwendigen ärztlichen Hausbesuche. Das ist zu separieren von NäPas und VERAHs, deren Hausbesuche werden auch bezahlt. Die sind wichtig und gut. Aber darüber hinaus gibt es Notwendigkeit für ärztliche Hausbesuche. Die müssen für den Arzt so sein, dass dieses Verlassen der Praxis sich für den Arzt überhaupt rechnet und dass er die Praxis auch verlassen kann und den Umsatzausfall, den er in der Praxis in der Zeit hat, wenigstens aufgefangen wird durch die Hausbesuchsziffer. Und diese notwendigen ärztlichen Hausbesuche sinken, die Zahl sinkt. Das gilt nicht nur für Hausärzte, sondern auch für Fachärzte, Neurologen, HNO-Ärzte, Psychiater, die wir insbesondere in der Heimversorgung dringend brauchen. Es ist höchste Zeit, dass hier angemessen bezahlt wird. Vergleichen Sie die 23 Euro mal mit irgendeinem anderen Gewerk, Handwerker oder wer auch immer, der zu Ihnen nach Hause kommt. Sie werden sehen, dass ist so weit vom Markt entfernt, das ist wirklich hanebüchen.“

Werden die Hausbesuche nun Teil der regulären Honorarverhandlungen?

„Nein, das werden Sie auf keinen Fall. Die jährliche Honorarverhandlung hat eine gesetzliche Grundlage. Da geht es um Dinge wie Morbiditätsveränderung, um demographische Veränderungen. Es geht um den Orientierungswert, dem mathematische Grundlagen zugrunde liegen. Und damit wollen wir das auf keinen Fall vermischen. Die Hausbesuche sind drastisch unterbezahlt. Das muss korrigiert werden. Das muss anders bewertet werden, und das ist ein eigener Faktor, und der muss separat verhandelt werden.“

Die Kassen haben bereits mit Blick auf die Honorarverhandlungen auf die Kosten durch das Coronavirus verwiesen…

„Das eine kann mit dem anderen nichts zu tun haben. Es ist ja auch nicht so, dass in Zeiten prall gefüllter Kassen wir plötzlich ganz viel Honorar bekommen. Es geht nicht nach Kassenlage, sondern es geht nach Sachegründen, und hier haben wir einen Sachgrund: Der Hausbesuch ist deutlich zu schlecht bewertet. In jedem objektiven Vergleich. Das muss geändert werden, und das kann jetzt nicht mit der Corona-Kassenlage gegengerechnet werden. Zumal aus ambulanter Sicht gilt, dass im vertragsärztlichen System durch den Schutzschirm eher damit zu rechnen ist, dass die Kassen erheblich weniger Ausgaben haben im vertragsärztlichen Bereich, dass auch die Medikamentenausgaben, die Heilmittelausgaben gesunken sind, insbesondere auch die Laborausgaben durch die geringeren Patientenzahlen zurückgegangen sind. Das heißt, im Bereich der ambulanten Versorgung werden die Krankenkassen sogar vermutlich in dem Coronajahr besser dastehen als in anderen Jahren, also an uns zu sparen, an dem Teil des Systems, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass diese erste Coronapandemie-Welle relativ glimpflich abgelaufen ist für Deutschland, ist absolut falsch und durch nichts zu akzeptieren.“

Rechnen Sie dennoch mit besonders harten Verhandlungen in diesem Jahr?

„Davon gehen wir aus. Das Argument der leeren Taschen wird natürlich tapfer vorgetragen werden, wenngleich die Kassen aus Steuermitteln fast acht Milliarden Euro bekommen und im ambulanten Bereich durch die Coronakrise wahrscheinlich zu weniger Ausgaben, zu Minderausgaben kommt, weil weniger Patienten da waren, weil der Schutzschirm in Anführungsstrichen nur 90 Prozent abbildet, weil die daran hängenden Laborleistungen, Heilmittel, Medikamente alle zurückgegangen sind, sodass wir sogar davon ausgehen, dass im ambulanten Setting zumindest die Krankenkassen weniger Geld ausgegeben haben. Hier gilt also: Die Taschen werden zugenäht. Die alte Blockadehaltung wird wieder eingenommen, während während Corona, als das Wasser noch Oberkante Unterlippe stand, gut mit den Kassen zu verhandeln war, wir schnelle Lösungen gefunden haben, ist jetzt wieder alte Welt. Die Kassen sind in ihre Schützengräben zurück, es gibt kein Geld mehr für die Ärzte, und die Ärzte sind wieder die Melkkühe für die gesetzliche Krankenversicherung.“

Welche Erwartungen richten Sie somit an die gesetzlichen Krankenkassen?

„Wir erwarten ganz eindeutig eine offene und faire Diskussion über die Frage der Honorierung der Hausbesuche und dafür auch die Bereitstellung von Mitteln. Über die Höhe wird zu diskutieren und zu streiten sein, aber wenigstens in diesen Dialog einmal einzutreten und selbstverständlich kann das nicht ohne zusätzliches Geld gehen. Mit den vorhandenen Mitteln in der mengenbegrenzten Gesamtvergütung ist das nicht zu machen.“

Ärztliche Hausbesuche erfüllen eine wichtige Aufgabe in der Versorgung, werden aber nur unzureichend vergütet. Deshalb fordert die KBV seit Jahren eine Aufwertung. Und stößt damit bei den Krankenkassen auf großen Widerwillen. Welche Gründe die Kassen dabei anführen und wie die KBV dies - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Leistungen der ambulanten Versorung in der Coronakrise - bewertet, erklärt Dr. Stephan Hofmeiser, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.