Corona-Lage: Wie kommen wir gut durch den Winter? Voraussetzungen und Maßnahmen
Kommen wir gut durch den Winter?
Dr. Andreas Gassen, Vorstandvorsitzender der KBV
„Im Grundsatz kommen wir gut durch den Winter, wenn wir uns an die Dinge erinnern, die wir im letzten Winter falsch gemacht haben. Das war zum Teil der unzureichende Schutz der Alten- und Pflegeheime. Da sind wir jetzt deutlich besser aufgestellt. Wir wissen mehr über das Virus und wir haben einen Impfstoff, der uns an der Stelle helfen kann.“
Was muss, mit Blick auf den Winter, besonders beachtet werden?
Prof. Dr. Martin Scherer, Präsident der DEGAM
„Es ist ganz entscheidend, dass wir die Fehler der Vergangenheit nicht noch mal wiederholen, das heißt die Alten und Pflegeheime deutlich besser schützen. Das bedeutet natürlich, dass die Bewohner und die Pflegekräfte geimpft sind, aber es bedeutet auch, dass wir das Instrumentarium des Infektionsschutzes, das wir auch letztes Jahr schon hatten und nicht gut genutzt haben, insgesamt in Deutschland, dass das auch weiterhin Gültigkeit hat, das heißt Schutz der Älteren, Schutz der Alten- und Pflegeheime, Einträge verhindern in die Alten- und Pflegeheime, die Bewohner, die Pflegekräfte impfen und regelmäßige Pooltestungen in den Alten- und Pflegeheimen machen. Das ist aus meiner, aus unserer Sicht aktuell prioritär.“
Hält die Impfung was sie versprochen hat?
Dr. Andreas Gassen, Vorstandvorsitzender der KBV
„Die Impfungen halten im Grundsatz das, was sie versprochen haben. Wir sind ja eigentlich fast erstaunt, wie gut die Impfung wirkt. Das wären ja Impf-Erfolge, die wir uns bei anderen Impfungen wie Influenza wünschen würden, dass wir diese hohe Wirksamkeit haben. Aber die hohe Wirksamkeit ist eben keine 100 Prozent Wirksamkeit. Deshalb sind Impf-Durchbrüche erwartbar gewesen. Deshalb ist auch nicht der vollständige Schutz zu erreichen und deshalb gibt es auch keine sterile Immunität. Aber all das sind Dinge, die wir wussten und wir wissen auch damit umzugehen. Letztlich ist es so: Die Impfung ist und bleibt ein Individualschutz. Man kann nicht darauf bauen, dass ein Zwei-Drittel-Impfanteil der Bevölkerung die Impfunwilligen schützt. Hier muss jeder selbst sehen, dass er sich schützt, sei es mit der Impfung oder wenn er oder sie diese Impfung aus welchen Gründen auch immer ablehnt. Dann ist tatsächlich Individualschutz mit Masken tragen, Abstand halten, Kontaktbeschränkung zielführend.“
Was ist aus Sicht der STIKO jetzt notwendig?
Prof. Dr. Thomas Mertens, Vorsitzender der STIKO
„Zum einen ist es wirklich wichtig, dass die Menschen, die ein höheres Risiko haben, nach einer erneuten Infektion, auch wenn sie schon grundimmunisiert worden sind zu erkranken, dass die ihren Booster erhalten. Und das sind eben nach der Empfehlung der STIKO ja diese über 70-Jährigen, das ist zunächst die Gruppe, die geimpft werden sollte. Dann ist es natürlich wichtig, das Pflegepersonal, das in Einrichtungen tätig ist, wo viele vulnerable Menschen versorgt werden, dass die geimpft werden. Es ist aber natürlich und ganz besonders wichtig, dass man die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen versucht, noch besser zu erreichen. In dieser Gruppe ist ja, wie Sie wissen, die Impfquote mit etwas über 70 Prozent noch zu gering und sollte auf jeden Fall höher sein. Und da ist natürlich das Problem, wie überzeuge ich diese Menschen. Und ja, ich glaube, man muss immer versuchen, wieder Informationen und gute Informationen zu geben. Und das versuchen wir auch. Aber alle wird man nie überzeugen können. Aber vielleicht den einen oder anderen.“
Sind die Praxen gut vorbereitet?
Dr. Stephan Hofmeister, Stellv. Vorsitzender der KBV
„Grundsätzlich sind die Praxen sowohl bereit als auch in der Lage, die Booster-Impfungen und auch die Impfungen derjenigen, die noch nicht geimpft sind, vorzunehmen. Die Zahlen im Sommer haben das gezeigt. Was aber erforderlich ist, ist natürlich ein Abbau der Bürokratie, eine Verbesserung der Bedingungen in den Praxen. Dazu gehört zum Beispiel wieder die einwöchige Bestell-Frist. Es gehört mit Sicherheit auch eine bessere Anerkennung der Vergütung dazu und eine Entbürokratisierung bei der Dokumentation und der Impf-Aufklärung. Dann wäre es für die Praxen noch sehr viel einfacher, die Impfungen auch wirklich zu leisten.
Für das Frühjahr kommt dann vielleicht eine neue Impfstoff-Applikation, die es etwas einfacher macht, die Dosen zu applizieren. Das wäre auch eine wertvolle Hilfe. In diese Richtung ist Erleichterung möglich und ohne großen Aufwand leistbar.“
Wie kommt die Booster-Impfung schnell zu den Patienten?
Dr. Stephan Hofmeister, Stellv. Vorsitzender der KBV
„Da wir hier über eine klare Gruppe, erkennbare und identifizierbare Gruppe sprechen, ist das einfachste ein Einladungssystem, wie wir es auch schon früher vorgeschlagen haben. Das könnte über die Krankenkassen oder Behörden erfolgen. Zurzeit rufen die Praxen die Leute an, bestellen die wieder ein, wenn sie ihnen bekannt sind. Das ist a) nur eine limitierte Anzahl von Betroffenen und b) ein ungeheurer Aufwand für die Praxen, für den die im Winter-Quartal eigentlich überhaupt keine Zeit haben.“
Was wünschen Sie sich für die Praxen?
Prof. Dr. Martin Scherer, Präsident der DEGAM
„Um es auf den Punkt zu bringen, dass man die Praxen ihre Arbeit machen lässt, dass man eine gewisse Ruhe im System hat, dass nicht zu viel in die Versorgung eingegriffen wird von außen, das nicht zu sehr die wissenschaftlichen Empfehlungen in Zweifel gezogen werden, Unsicherheiten verursacht werden bei den Patientinnen und Patienten und dass man da ein gewisses koordiniertes Vorgehen hat, dass, bevor die Politik vielleicht voran prescht, dann auch mit den Betroffenen einmal gesprochen wird. Das heißt mit der Ärzteschaft, dass man da auch ein koordiniertes Vorgehen hat. Denn eins haben wir gelernt in dieser Pandemie: Die Kommunikation ist das A und O. Und je größer das Durcheinander da ist, desto größer ist auch das Durcheinander in der Versorgung. Und da geht es nicht um Befindlichkeiten, sondern es geht um Effizienz in der Versorgung und am Ende des Tages eben, dass jeder versorgt wird, der auch versorgt werden muss und möchte.“
Mit den tieferen Temperaturen steigen die Inzidenzen und die Zahl der Impfdurchbrüche. Vor allem vulnerable Gruppen sollen deshalb schnell einen Booster erhalten. Aber auch die noch gänzlich Ungeimpften sollten nicht aus dem Blick geraten. Vertreter der STIKO und der niedergelassenen Ärzte erklären, wie die Praxen diese weitere Belastung meistern können und was sonst zur Vorbereitung auf den Winter notwendig ist.
Im Interview:
Prof. Dr. Thomas Mertens, Vorsitzender der STIKO
Prof. Dr. Martin Scherer, Präsident der DEGAM
Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV
Dr. Stephan Hofmeister, Stellv. Vorsitzender der KBV