Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV im Interview
Worum wird es bei der Vertreterversammlung gehen?
Neben einigen Dingen, die einfach formal an der Reihe sind, haben wir natürlich ein wichtiges Thema, das ist das Thema Steuerung, was uns ja seit längerer Zeit schon umtreibt und was jetzt durch die Abfassung des Koalitionsvertrags nochmal besondere Aktualität bekommen hat. Hier haben wir ein Konzept erarbeitet, wie wir uns inhaltlich sinnvolle Steuerung im Kollektivvertrag vorstellen und wie man das auch in Deckung mit dem Wunsch nach einer primärärztlichen Steuerung bringen kann, glaube ich, zeigt unser Konzept dann ganz gut auf. Denn es ist ja durchaus sinnvoll, dass chronisch kranke Patienten über primärärztliche Praxen gesteuert werden. Das werden der größte Teil von denen auch bisher schon. Da müssen wir schauen, wie man da auch honorartechnisch entsprechende Abbildungen treffen kann. Aber wir wissen natürlich, dass es eine gewisse Gruppe von Menschen gibt, die nicht unbedingt gesteuert werden möchte oder nicht gesteuert werden muss. Und für die muss man alternative Zugangswege finden, die trotzdem in irgendeiner Form eine Orientierung im Gesundheitswesen bieten.
Ist das ein Angebot an die Politik?
Wir haben uns den Kollektivvertrag natürlich genau angeschaut, sehen da gute Ansätze und wollen hier klar dokumentieren, wir stehen bereit. 73 Millionen Patienten sind im Kollektivvertrag, werden da tagtäglich von über 180.000 Ärztinnen und Ärzten und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten behandelt. Und das ist natürlich ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Und wir glauben, dass wir Politik hier gute und sinnvolle Vorschläge machen können.
Wie wird sich die Rolle der 116117 dann ändern?
Die 116117 ist erstmals im Koalitionsvertrag erwähnt. Das zeigt schon ihre Bedeutung. Sie ist natürlich vordringlich erstmal für die Akut- und Notfallversorgung entwickelt worden. Da muss sie auch weiterentwickelt werden. Auch hierfür gibt es ein konkretes Angebot zur Steuerung im Akut- und Notfall, damit Patienten zu Praxisöffnungszeiten nicht ohne medizinischen Grund Notaufnahmen aufsuchen. Dafür ist eine Skalierung der 116117 erforderlich. Hier haben wir auch Hinweise, dass Politik das durchaus erkennt und auch hier Finanzierungen vorsieht. Denn das wird erforderlich sein. Bisher wird die 116117 ja von den Vertragsärztinnen und -ärzten finanziert. Und das Weiteren ist natürlich dieses Instrument auch in der normalen Versorgung durchaus ein mögliches Steuerungsinstrument. Beispielsweise wenn es um das Thema der für uns ja schwer nachvollziehbaren Termingarantie gehen soll. Eine Termingarantie kann ja nur dann überhaupt eingehalten werden wenn es eine klare medizinische Indikation und eine daraus abgeleitete medizinische Dringlichkeit gibt. Und dann wird man über die 116117 auch Termine zur Verfügung stellen können. Logischerweise dann nicht beim Wunscharzt.
Der Deutsche Ärztetag beschäftigt sich mit dem Thema KI…
Jeder hat im Moment das Thema KI. Wir sind in der KBV auch mit dem Thema schon länger befasst. Das wird man sehen. Die KI bietet Chancen, hat natürlich auch Risiken. Wir werden insgesamt in der EU ja eine gewisse Regulation erleben. Das wird auch richtig und sinnvoll sein. Wir glauben schon, dass KI an der einen oder anderen Stelle helfen kann. Wir sind fest davon überzeugt, dass es aber ärztliche und psychotherapeutische Kompetenz nicht ersetzen kann. Insofern wird es ein weiteres Instrument sein, mit dem man dann schauen muss, wie man vernünftig damit arbeiten kann, auch im Sinne der Patienten.