Logo-KBV

KBV Hauptnavigationen:

Sie befinden sich:

 

Videos

Vorrübergehend mehr Geld für Behandlung von Atemwegsinfekten bei Kindern

Für Atemwegsinfekte bei Kindern sollen Ärztinnen und Ärzte mehr Geld erhalten. Worum geht es genau?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV:
„Wir haben versucht, den doch erheblichen Andrang bei den Kolleginnen und Kollegen von Kindern mit Atemwegserkrankungen insofern Rechnung zu tragen, als wir hier mit den Kassen einen Zuschlag vereinbaren konnten, der rückwirkend ab dem 1.10. für zwei Quartale gilt und rund 7,5 € ausmacht. Dieser Zuschlag wird fällig, wenn Kinder bis zum zwölften Lebensjahr wegen Atemwegserkrankungen behandelt werden und ist durch die Kolleginnen und Kollegen der Gebiete Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin, Allgemeinmedizin, Pädaudiologie und Pneumologie abrechenbar. Das ist eine Kurzfristmaßnahme, die natürlich nicht ausreichend ist, um perspektivisch Vergütungsunwuchten zu beseitigen. Hier bauen wir darauf, dass der Minister ja zugesagt hat, zunächst die Kinder- und Jugendärzte komplett extrabudgetär zu vergüten, also ohne Deckelung. Und das ist eine Maßnahme, die wir natürlich für alle anderen Fachgruppen auch anmahnen, weil nur so das erhebliche Leistungsspektrum, was von den ambulanten Kolleginnen und Kollegen erbracht werden, auch adäquat vergütet werden kann. Und insofern ist das ein lange überfälliger Schritt und auch die Extrabudgetär-Stellung der kinderärztlichen Leistungen kann hier nur der Anfang sein.“

Wie sehen die Pläne für eine Entbudgetierung bei Kinder- und Jugendärzten aus?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV:
„Also, wir haben da noch keine Gesetzesvorlagen. Es wird ja letztlich ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden müssen, wenn man das so kurzfristig will, weil wir ja wissen, dass die Krankenkassen sich mit Extrabudgetärstellung von Leistungen sehr schwer tun, auch wenn das aus meiner Sicht das einzig Tragfähige für die Zukunft ist. Das wird man in den einzelnen Leistungsbereichen noch mit anderen Maßnahmen garnieren müssen. Sicherlich wird man im hausärztlichen Bereich dann auch am EBM noch Änderungen vornehmen müssen, damit das Ganze auch wirklich funktioniert. Aber die Vergütung aller erbrachten Leistungen ist eine Forderung, die wir seit vielen, vielen Jahren vorbringen. Und es ist natürlich schön, wenn es jetzt bei den Kinder- und Jugendärzten beginnt, um sich dann fortzusetzen.“

Woher kommt das Geld für die Zuschläge?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV:
„Das Geld für die Zuschläge haben wir tatsächlich mit den Krankenkassen vereinbart. Wir gehen davon aus, dass das Honorarvolumen einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag ausmacht. Und das ist natürlich regional sehr unterschiedlich, weil ja die Quotierungen auch regional sehr unterschiedlich sind, insofern auch die Extrabudgetärstellung von Kinder- und Jugendärzten oder aller Kolleginnen und Kollegen ist so pauschal nicht zu beantworten und wird auch unterschiedliche Auswirkungen je nach Region haben, weil ja auch die Quotierungen unterschiedlich hoch sind.“

Sind Sie mit dieser Einigung zufrieden?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV:
„Das ist allen klar, dass das, ich sage mal, eine Notoperation war, um eben diesem hohen Andrang Rechnung zu tragen. Ich bin im Prinzip froh, dass wir es in der gemeinsamen Selbstverwaltung hinbekommen haben. Das ist ja nun kein Selbstläufer. Hier haben sich die Kassen halt auch bewegt. Das war notwendig. Das sehe ich mal als positives Signal. Aber das kann genau wie beim ambulanten Operieren nur ein erster Schritt sein. Wir müssen jetzt hier mutig voranschreiten und ich glaube, die Krankenkassen begreifen langsam, welch hoher Wert die ambulante Versorgung ist und dass es sie auch zu stabilisieren gilt, da man ja sieht, dass die Krankenhäuser in weiten Bereichen doch mit der Versorgung überlastet sind.“

Wo sehen Sie das Grundproblem bei der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV:
„Ich sage mal, der Sündenfall begann in Lahnstein, wo man die Budgets eingeführt hat. Und im Grundsatz geben wir seit rund 30 Jahren einen Dauerrabatt auf alle ärztlichen Leistungen. Das ist sicherlich einzigartig, das gibt es in keiner anderen Branche. Und das ist auch nicht mehr tragfähig, weil wir natürlich nicht nur damit eine kontinuierliche Unterfinanzierung haben, sondern wir haben ja gerade in den letzten Jahren, speziell im letzten Jahr, durch den Krieg in der Ukraine erlebt, was plötzliche Inflationstreiber anstellen. Man hat versucht, alle Branchen zu stützen, einer der wichtigsten, nämlich der ambulanten Versorgung, also der medizinischen Versorgung für den Großteil unserer Bevölkerung, denn wir wissen ja, der weit überwiegende Teil der medizinischen Versorgung findet ambulant in den Praxen statt, den hat man ein bisschen außen vor gelassen. Und ich glaube, die Erkenntnis setzt sich jetzt so langsam durch, dass das ein Spiel mit dem Feuer ist. Da werden es auch nicht irgendwelche Gesundheitskioske richten. Wenn die haus- und fachärztliche Versorgung in den Praxen wegbricht, dann bricht die Versorgung für 83 Millionen Menschen weg.“

Wie kann das Problem gelöst werden?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV:
„Also, zum einen, glaube ich, ist die Entbudgetierung der Leistungen ein dringend notwendiger und lange überfälliger Schritt. Der wird sicherlich auch eine gewisse Ruhe ins System bringen. Allerdings kann es dabei nicht bleiben. Wir müssen insgesamt das Gesundheitssystem stabilisieren. Wir müssen sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle Reformen anstoßen. Die Krankenhausreform ist seit Jahren, fast Jahrzehnten verzögert worden und selbst aus dem Krankenhaus höre ich wiederholt, dass die Krankenhäuser, die ja in weiten Teilen unabdingbar für die Versorgung sind, auch darauf drängen, dass endlich eine Reform geschieht, weil wir genauso gut wissen, und das wissen auch die Krankenhäuser, dass eben nicht alle der 2000 Krankenhäuser in der Versorgungslandschaft als Krankenhaus eine Zukunft haben werden, einfach weil der Bedarf nicht da ist. Nach Corona hat die Zahl der stationären Behandlungen immer noch nicht das alte Niveau erreicht und man kann davon ausgehen, dass das auch nicht mehr geschieht. Insbesondere ambulant sensitive Konditionen haben natürlich die Krankenhäuser gemieden in der Zeit von Corona und das sind Patienten, die einfach auch nicht mehr in die stationäre Versorgung zurückkommen. Deshalb muss man die Ambulantisierung vorantreiben und wenn man die vorantreibt, dann ist es natürlich selbstverständlich, dass man hier gleiche Rahmenbedingungen schafft für alle, die diese neue ambulante Versorgungsschiene dann leisten wollen und sollen. Da ist die Qualifikation an erster Stelle zu denken und die entsprechende apparative Ausrichtung. Und dann darf es eigentlich keinen Unterschied geben, ob diese Leistungserbringer, um dieses Unwort mal zu nehmen, originär aus dem Krankenhaus oder aus der niedergelassenen Praxis kommen. Was nicht funktionieren kann, ist, dass man den Krankenhäusern sozusagen irgendwelche Reservate einräumt, wo sie dann ein bisschen Ambulantisierung trainieren können. Das wird nicht funktionieren, dafür ist das auch zu dringend. Man kann sicherlich hier Übergangszeiten etablieren, aber wir müssen uns langsam mal dem internationalen Standard annähern. Und der ist eben der, dass ein großer Teil von Eingriffen und Prozeduren heutzutage ambulant in einem Nicht-Krankenhaus-Setting geschieht. Da gibt es noch einen Teil, für den man vielleicht das Setting hinten drauf braucht. Und natürlich gibt es unverändert Eingriffe, die stationär erbracht werden müssen. Und natürlich brauchen wir unverändert leistungsfähige und gut ausgestattete Krankenhäuser, die sowohl finanziell gut ausgestattet sind als auch personell. Und das ist ja ein Problem, was die Krankenhäuser eigentlich unisono beklagen, dass selbst Hochleistungskrankenhäuser, Universitätskliniken, die wir natürlich unabdingbar brauchen, über viel zu wenig Personal und mangelnde finanzielle Ausstattung klagen. Also auch hier muss man ran.“

Für die Behandlung von Atemwegsinfekten bei Kindern erhalten Ärztinnen und Ärzte vorübergehend einen Zuschlag. Für Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, kann das nur eine Zwischenlösung sein. Er fordert eine richtige Entbudgetierung, und zwar für alle Arztgruppen.