Dr. Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der KBV, im Interview:
Wie beurteilen Sie den ApoVWG-Gesetzesentwurf insgesamt?
Also wir sehen diesen Entwurf sehr kritisch. Einmal deshalb, weil in diesem Entwurf geregelt werden soll, dass Apotheker originär ärztliche Aufgaben übernehmen. Dafür sind Apotheker und Apothekerinnen nicht ausgebildet. Das gefährdet aus unserer Sicht die Patientensicherheit. Es führt zu Mehraufwand in den Vertragsarztpraxen. Wir sehen das auch deshalb so kritisch, weil ja das politische Ziel ist, dass man effizienter im Gesundheitssystem steuert. Genau mit diesem Entwurf wird dieses Ziel vollkommen konterkariert.
Für Patienten klingt der Gesetzesentwurf doch erst einmal gut…
Dieser niederschwellige Zugang wird ja immer wieder kolportiert. Nehmen Sie das Beispiel Impfen. Die ungleich viel höhere Zahl an Impfungen wird durch Arztpraxen auch jetzt schon durchgeführt. Wir haben in den Arztpraxen im vergangenen Jahr allein an Grippeimpfungen 11,6 Millionen Impfungen gehabt, im Vergleich zu 120.000 in Apotheken. Also das Ziel zum Beispiel Impfquoten zu steigern, das erreicht man nicht, indem man Apotheken miteinbezieht, sondern das erreicht man dadurch, indem man zum Beispiel auch bei den Ärzten so etwas wie Mengenkontrollen wegnimmt, die ja dann auch zu Regressen führen können. Also das sind tatsächliche Impfhindernisse. Und auf der anderen Seite ist es für die Patientinnen und Patienten notwendig, dass sie sicher geimpft werden und das ist eben in der Arztpraxis der Fall, weil es geht ja nicht nur um die Impfung an sich, sondern es geht ja auch um die Frage, man muss Krankheiten ausschließen, Kontra-Indikationen ausschließen und es geht auch um die Frage, in seltenen Fällen gibt es schwere Impfreaktionen, auch da muss ärztliche Hilfe vor Ort sein oder auch prolongierte, Gott sei Dank selten, Nebenwirkungen oder Impf-Nebenwirkungen und auch da ist die ärztliche Versorgung notwendig. Ähnlich ist es mit pharmazeutischen Dienstleistungen, wenn die Apotheker plötzlich ohne Anlass auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Risikofaktoren untersuchen sollen, beziehungsweise die dann Tests machen sollen, dann ist das aus unserer Sicht auch ein anlassloses Testen, vielleicht sogar mit Parametern, die gar nicht evidenzbasiert sind, auch da gibt es im ärztlichen Bereich die Gesundheitsuntersuchungen, die alle drei Jahre stattfinden und durch den Gemeinsamen Bundesausschuss methodenbewertet sind.
Gibt es noch weitere Kritikpunkte?
Also wir sehen an all diesen Punkten, wo letztendlich ein Aushöhlen der ärztlichen Kompetenz und eine Übernahme der ärztlichen Aufgaben durch die Apothekerinnen und Apotheker, die nochmals dafür auch nicht qualifiziert sind, an er Stelle sehen wir diesen Entwurf kritisch und fordern auch die entsprechenden Passagen zu streichen. Neben dem Impfen und den pharmazeutischen Dienstleistungen im Sinne von Screening-Maßnahmen ist es vor allem auch die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, zum Beispiel bei unkomplizierten Erkrankungen, eine Verschreibung, Verordnung eines verschreibungspflichtigen Medikaments bedarf einer Anamnese, einer Diagnosestellung, einer Untersuchung, einer Differenzialdiagnostik natürlich und muss aus dem Grund auch in ärztlicher Hand bleiben.
Was fordern Sie von der Politik?
Wir fordern genau diese Punkte, diese Ansätze zu streichen, wo letztlich die Apotheker über ihre Kompetenz hinaus aktiv werden sollen und Patientinnen und Patienten versorgen sollen. Diese Punkte fordern wir zu streichen, wenn zum Beispiel auch so Dinge im Gesetz stehen wie den erleichterten Austausch, falls Medikamente, rabattierte Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig sind, dann ist es aus unserer Sicht notwendig, dass die Ärzte natürlich für etwaige Mehrkosten nicht haftbar gemacht werden. Aus unserer Sicht ein nachvollziehbarer Punkt, den man erweitern müsste, ist, dass die Apotheker bei Formfehlern bei Verordnungen bei Rezepten nicht mehr auf null retaxiert werden sollen. Genau das fordern wir auch für die Ärzte, dass es keine Regresse allein aufgrund von formalen Fehlern bei der Verordnung gibt, wenn man andernfalls sagen muss, dass die Verordnung medizinisch gerechtfertigt war und auch wirtschaftlich war.