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Ambulantes Operieren: Deutschland muss aufholen

Wie bewerten Sie die Ergebnisse des IGES-Gutachtens?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV: Also zunächst mal muss man konstatieren, dass das IGES sehr viele Operationen und Prozeduren identifiziert hat, die eigentlich ambulant erbracht werden könnten und damit auch sollten. Und das stellt schon einen erheblichen Unterschied zu anderen Ländern da, wo das zum Teil schon gelebte Praxis ist.

Was sind die Vorteile des ambulanten Operierens?

Also eigentlich liegen die Vorteile auf der Hand: Zum einen müssen die Patienten aus der Häuslichkeit nicht raus, sondern sind eigentlich wieder in der vertrauten Umgebung. Wir wissen auch Krankenhäuser sind, von nosokomialen Infektionen mal abgesehen, nicht unbedingt Ort, in dem man sich gerne aufhält, wenn es sich vermeiden lässt. Und der Fortschritt der Medizin hat eben möglich gemacht, ganz viele Eingriffe minimal invasiv oder eben ambulant durchzuführen. Und das ist einfach ein Fortschritt in der Medizin, den man natürlich auch den Patienten zugutekommen lassen muss.

Warum hat es sich in Deutschland nicht durchgesetzt?

Wir haben in Deutschland eine Tradition sehr vieler Krankenhäuser, einer sehr hohen Krankenhausdichte. Wir haben weltweit die höchste Zahl an Krankenhausbetten pro Bevölkerungs-Einheit, dabei aber relativ wenig Personal für diese Betten. Das haben wir jetzt bei Corona gemerkt, dass es zwar Intensivbetten gab, aber niemand, der diese Intensivbetten bedienen konnte. Und natürlich ist das Abrechnungssystem auch derart konstruiert mit einem getrennten ambulanten und stationären Sektor, dass es für Krankenhäuser auch bisher kaum möglich war, Leistungen ambulant zu erbringen.

Wie unterscheiden sich die Vergütungssysteme?

Wir haben mit dem EBM ja eine STABS-basierte Kalkulation. Im Krankenhaus wird über DRGs nach InEK-Kalkulation abgerechnet. Das ist beides natürlich Mischkalkulation. Wobei natürlich gerade bei den Krankenhaus-DRGs immer ein erheblicher Hotel-Anteil eingerechnet wird, der insgesamt dazu führt, dass die DRGs auch sehr hoch sind. Und dazu kommt es dann zu solch völlig absurden Situationen, dass ein Eingriff in der ambulanten Versorgung zum Teil nur Bruchteile möchte man fast sagen der Vergütung erlöst, die das DRG im Krankenhaus auslöst.

Was muss jetzt passieren, damit Deutschland in diesem Bereich aufholt?

Also wir müssen uns diesen Katalog genau anschauen. Da muss man schauen, in welchen Zeiträumen welche Leistungen tatsächlich dann ambulantisierbar sind. Und da muss es für diese Leistung eine einheitliche Vergütung geben, unabhängig davon, wo sie nun erbracht werden. Entscheiden muss dann sein, sind diejenigen, die die Operation oder die Prozedur erbringen, qualifiziert. Stimmt das Setting und sind die Patienten für ambulante Eingriffe geeignet? Und dann muss es eine einheitliche Vergütung geben, unabhängig davon, ob die Leistungserbringer aus dem Krankenhaus oder aus der ambulanten Versorgung kommen.

Im Koalitionsvertrag taucht die Hybrid-DRG auf. Ist das die Lösung?

Also die Hybrid-DRG ist ein Platzhalter. Das ist bisher noch eine Worthülse, entlehnt aus einem Strukturfonds in Thüringen, der unterm Strich nicht wirklich gut gelaufen ist. Aber man hat halt diesen Begriff gewählt, um zu dokumentieren, dass wir eine neue Vergütung für diese ambulantisierten Eingriffe brauchen. Und die ist eben nicht eins zu eins aus der ambulanten oder aus der stationären Versorgung zu nehmen. Deshalb der Begriff Hybrid-DRG. Letztlich ist es egal, wie der Begriff heißt. Wichtig ist, dass wir eine einheitliche Vergütung dafür bekommen.

Was sind jetzt die nächsten Schritte?

Und die nächsten Schritte ist, dass wir bei dieser Konstellation zunächst mal uns mit den Betroffenen, also das sind ja wir, die Krankenhäuser und natürlich die Krankenkassen, zusammensetzen. Das geschieht auch bereits. Und jetzt einen Fahrplan festlegen, wann welche Operationen und Prozeduren in die ambulante Versorgung überführt werden und dann ganz wichtig natürlich, die Vergütung gilt es zu klären. Das trifft auch die bestehenden ambulanten OPs, trifft das natürlich auch, denn hier haben wir deutliche Unterfinanzierung seit Jahren, speziell die Hygienekosten sind davon galoppiert und hier muss unbedingt nachgebessert werden, damit das ambulante Operieren grundsätzlich eine Chance hat.

Gibt es dafür Rückendeckung der Politik?

Also die Politik hat diese Ambulantisierung und diesen Wunsch ja im Koalitionsvertrag formuliert. Insofern und so hat es ja auch der Minister klar ausgedrückt, denke ich, dass die Politik hier lange schon wartet und dass man jetzt auch mal hier zum Schluss kommen will. Das ist ja ein Verfahren, was ich schon lange hinzieht. Kommt eigentlich aus dem MDK-Reformgesetz und das Gutachten hat sich ein bisschen verzögert aufgrund seiner Komplexität. Aber jetzt muss da was passieren und insofern gehe ich davon aus, dass die Politik uns hier auch hilft.

Operationen werden in anderen Ländern viel häufiger ambulant durchgeführt, als das in Deutschland bislang der Fall ist. Zu diesem Ergebnis kam ein IGES-Gutachten im Auftrag der Krankenkassen, Krankenhäuser und der KBV. Welche Schlüsse daraus zu ziehen sind und wie Deutschland aufholen kann, erläutert Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV.

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