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Stand 29.07.2020

Reden

KBV-Versichertenbefragung 2020: Statements des KBV-Vorstands

Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen und der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV Dr. Stephan Hofmeister präsentierten die Erbgebnisse der jährlichen Befragung auf einer Pressekonferenz am 29. Juli 2020.

Statement von Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV:

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

das Motto für 2020 könnte lauten: Alles bleibt anders. Uns allen ist in diesem Jahr viel Neues und Unerwartetes begegnet. Eine Ausnahme von dieser neuen Regel bildet unsere Versichertenbefragung. Viele der Ergebnisse ähneln denen der Vorjahre – und das ist durchaus erfreulich.

Wie wir eben gehört haben, bleibt die Wertschätzung der Versicherten für die Arbeit der Niedergelassenen unverändert hoch. 91 Prozent bewerten das Vertrauensverhältnis als gut oder sehr gut. 92 Prozent bewerten die Fachkompetenz ihres Arztes oder ihrer Ärztin als gut oder sehr gut.

Auch die Verteilung der Arztbesuche bleibt im Vergleich zu früheren Erhebungen konstant, die meisten Menschen gehen drei bis zehn Mal im Jahr zum Arzt. Die meisten tun dies wegen eines akuten Problems, erst in der Altersgruppe ab 60 Jahren ist der häufigste Grund für den Praxisbesuch eine chronische Erkrankung.

Auffällig im Vergleich zu früheren Befragungen ist, dass mehr Menschen angaben, überhaupt nicht beim Arzt gewesen zu sein. Dieser Wert ist um sechs Prozent gestiegen. Wir vermuten hier einen Zusammenhang mit den pandemiebedingten Lockdown-Maßnahmen.

Diese traten genau während unseres Befragungszeitraums Mitte bis Ende März in Kraft. Tatsächlich war die allgemeine Empfehlung zu Hause zu bleiben und nicht dringende medizinische Behandlungen zu verschieben auch in den Praxen deutlich spürbar. Während in den ersten Wochen des Jahres noch die Fallzahlen und die vertragsärztlichen Leistungen zugenommen hatten, gab es in der zweiten Märzhälfte, also genau zum Zeitpunkt unserer Versichertenbefragung, einen drastischen Rückgang der Arzt-Patienten-Kontakte.

Das hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) anhand von Frühinformationen aus den Abrechnungsdaten des 1. Quartals 2020 von 14 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ermittelt. Der entsprechende Bericht wurde vorgestern veröffentlicht. Demnach ist in diesen Wochen insbesondere bei den Fachärzten, die planbare Behandlungen vornehmen, die Zahl der Behandlungsfälle um 37 Prozent (Humangenetiker) bis zu 64 Prozent (Augenärzte) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen.

Selbst in der hausärztlichen Versorgung gingen die Behandlungen mit persönlichem Patientenkontakt in der letzten Märzwoche um fast 40 Prozent zurück. Gleiches berichten im Übrigen Notfallmediziner über die Inanspruchnahme der Notaufnahmen gegen Ende März. Die Bevölkerung hat also die Empfehlung zu Hause zu bleiben sehr ernst genommen.

Die Praxen haben aber nicht einfach zugemacht. Zwar ist es vorgekommen, dass eine Praxis aufgrund von Quarantäne-Vorgaben für das Personal vorübergehend schließen oder ihren Betrieb wegen fehlender Schutzausrüstung einschränken musste. Geschlossen war aber nur ein sehr kleiner Prozentsatz, der nach Informationen einzelner KVen bundesweit deutlich unter fünf Prozent liegen dürfte.

Auch auf Basis der Abrechnungsdaten ist vielmehr zu erkennen, dass die Ärzte präsent waren und auch gearbeitet haben. Verändert haben sich Menge und Struktur der Inanspruchnahme. So sind gegen Ende des ersten Quartals deutlich weniger Patienten zu ambulanten Operationen oder zu Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen in die Praxen gekommen. Stattdessen kamen vor allem solche mit Infektionssymptomen beziehungsweise einem Verdacht auf eine COVID-19-Erkrankung. Für deren Versorgung wiederum mussten die Praxen besondere Schutzvorkehrungen treffen, was einen höheren Aufwand bedeutet.

Zusammengefasst: Zu Beginn des Jahres, als sich die erste Corona-Welle am Horizont abzeichnete, sind mehr Menschen zum Arzt gegangen als zuvor, auch um beispielsweise noch schnell Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen oder Rezepte abzuholen – was wiederum aus den entsprechenden Arzneimittelverordnungsdaten hervorgeht.

Dann kam der Lockdown und diejenigen, die es sich aufgrund ihres Gesundheitszustands leisten konnten, blieben den Praxen erst einmal fern. Zu einem gewissen Anteil konnte dies durch telefonische Beratung, Videosprechstunden und Hausbesuche im ärztlichen Bereitschaftsdienst kompensiert werden. Für uns zeigt das: Bei Bedarf waren die Ärzte für ihre Patienten trotz aller Einschränkungen da. Viele Patienten haben im Befragungszeitraum sonst übliche Arztbesuche aber verschoben.

Die Versichertenbefragung zeigt auch, dass mittlerweile deutlich mehr Menschen wissen, wie sie den ärztlichen Bereitschaftsdienst erreichen. Die Bekanntheit der Nummer 116117 hat seit dem vorigen Jahr noch einmal deutlich zugelegt. Dies ist zum einen sicherlich den „Elfen“ zu verdanken, die seit Mitte vorigen Jahres im Rahmen einer Kampagne für die Nummer werben. In der Corona-Hochphase im März/April wurde die Nummer in der Öffentlichkeit oft als „Corona-Hotline“ bezeichnet.

Die 116117 war und ist die einzige bundesweit erreichbare Nummer, die 24/7 Informationen und Hilfe bei medizinischen Problemen bietet. In der Folge ist auch die Inanspruchnahme des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in nicht lebensbedrohlichen Fällen nachts und am Wochenende gegenüber den Krankenhäusern und dem Rettungsdienst gestiegen. Das ist ein gutes Zwischenergebnis, aber sicher noch ausbaufähig.

Mittlerweile zeigt sich eine Normalisierung des Versorgungsgeschehens und es kommen wieder deutlich mehr Menschen in die Praxen. Wir haben noch keine Auswertung der Abrechnungen für das zweite Quartal, aber sowohl aus den KVen als auch von den ärztlichen Kollegen selbst kommen entsprechende Rückmeldungen. Insgesamt gibt es einen spürbaren Nachholbedarf an medizinischer Versorgung.

Die wieder voller werdenden Praxen bringen mich zu dem beliebten Thema Wartezeiten. Der Trend zur Angleichung der Wartezeiten auf einen Termin bei gesetzlich und privat Versicherten, den wir schon seit einiger Zeit feststellen, setzt sich weiter fort: Bei den gesetzlich Versicherten sind die Wartezeiten etwas gesunken, bei privat Versicherten leicht gestiegen. Insgesamt 49 Prozent der Befragten hatten gar keine Wartezeit auf einen Termin. Interessanter ist aber die Frage, ob die Patienten, die warten mussten, die Zeit bis zu einem Termin als zu lang empfunden haben. Acht von zehn sagten dazu „nein“.

Die Wartezeiten sind also kein Problem, das die Menschen umtreibt. Nur drei Prozent nennen sie als Herausforderung für unser Gesundheitswesen. Größere Sorgen machen sich die Versicherten über einen Ärztemangel und allgemein einen Mangel an medizinischem und pflegerischem Personal.

Das ist aus unserer Sicht ein klares Votum der Wählerschaft an die Politik, sich um die wirklich drängenden Probleme zu kümmern – nämlich darum, die Arbeitsbedingungen in den Praxen so zu gestalten, dass junge Ärztinnen und Ärzte sich niederlassen und die älteren nicht vorzeitig in den Ruhestand fliehen. Genau das kündigen zurzeit immer mehr ältere Kollegen an, weil sie die immer restriktiveren Eingriffe der Politik in die Praxen, etwa bei der Digitalisierung, nicht länger hinnehmen wollen.

Die Sorge um die „Ressource Arzt“ ist bei den Versicherten längst angekommen. Sie sollte auch von der Politik endlich ernst genommen werden.


Vielen Dank

(Es gilt das gesprochene Wort)
 

Statement von Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV:

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

die Versichertenbefragung der KBV ist eine Befragung, welche die subjektive Wahrnehmung und die persönlichen Erfahrungen der Menschen, bezogen auf das zurückliegende Jahr auswertet. Wie Sie bereits gehört haben, fiel die aktuelle Befragung mit dem Aufschwung der Corona-Pandemie in Deutschland in der zweiten Märzhälfte zusammen.

Wir wissen aber, dass die Rolle der niedergelassenen Ärzte und das Vertrauen der Versicherten sich auch während der Hochphase der Pandemie nicht wesentlich geändert haben. Das belegen die Ergebnisse einer weiteren Online-Umfrage, die das Meinungsforschungsunternehmen Civey durchgeführt hat.

Wir haben in einer früheren Pressekonferenz schon einmal darüber berichtet; ich möchte deshalb nur kurz die wichtigsten Ergebnisse in Erinnerung rufen. An jener Umfrage haben 2.500 Personen im Zeitraum vom 7. bis 10. Mai 2020 teilgenommen. Drei Viertel gaben an, dass der Hausarzt für sie erster Ansprechpartner bei Anzeichen einer Infektion mit dem Corona-Virus sei.

Über die Hälfte der Befragten zeigte sich mit der Arbeit der von ihnen besuchten Ärzte während der Pandemie sehr zufrieden oder eher zufrieden. Nur knapp acht Prozent waren unzufrieden. Gleichzeitig waren den Bürgerinnen und Bürgern die erschwerten Arbeitsbedingungen in den Praxen bewusst. 62 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die Ärzte einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt seien. 43 Prozent erkannten den Mangel an Schutzkleidung als Problem. 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal betonen: Entgegen anderslautender Behauptungen von Vertretern der Krankenhäuser wurde und wird der Löwenanteil der Corona-Patienten von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten versorgt. Das gilt sowohl für die Testungen als auch für die Behandlung. Von bislang rund 205.000 gemeldeten Infizierten wurden etwas mehr als 30.000 im Krankenhaus behandelt. Unsere Aussage von Anfang April, dass sechs von sieben Patienten ambulant versorgt werden, gilt also nach wie vor! 

Die Vertragsärzte sind für die Bürgerinnen und Bürger die ersten Ansprechpartner, wenn es um die Gesundheit geht – auch bei Corona. Das gilt ebenso für das Thema Impfen, das zuletzt durch die Pandemie neue Aufmerksamkeit gewonnen hat. Impfungen werden von den Versicherten in unserer Befragung grundsätzlich als sinnvoll erachtet, nur sieben Prozent möchten sich möglichst gar nicht impfen lassen.

Die Mehrheit befürwortet einen umfassenden Schutz. Sicher ist dieser hohe Wert vom Zeitpunkt der Befragung beeinflusst, als in der Bevölkerung vor allem Angst und Verunsicherung in Bezug auf das neuartige Virus herrschten. Dennoch vermittelt das offensichtlich grundsätzlich vorhandene Vertrauen in die Wirkung von Impfungen ein wohltuendes Gegenbild zum lautstarken Auftreten sogenannter Impfgegner.

Um dieses Vertrauen nicht aufs Spiel zu setzen, ist es jedoch unerlässlich, dass diese wichtige präventive Aufgabe in ärztlicher Hand bleibt und nicht beispielsweise in Apotheken ausgelagert wird. Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff und darf als solcher nur von Ärzten durchgeführt und begleitet werden.

Das gilt ganz besonders für eine Impfung, mit der es noch keine langjährigen Erfahrungen gibt, wie es bei einer Immunisierung gegen das SARS-CoV-2-Virus der Fall sein wird, so sie denn kommt. Die Vertragsärzte sind bereit, willig und fähig, hier im Rahmen einer nationalen Impfstrategie eine führende Rolle zu übernehmen.

Der Wunsch der Versicherten, sich auf ärztliche Expertise verlassen zu können, wird auch beim Thema Digitalisierung deutlich. Laut unserer Befragung sehen die Versicherten die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen zwar eher als Vorteil für sich als Patienten.

Bislang allerdings nutzt aber nur eine Minderheit beispielsweise Gesundheits-Apps auf dem Smartphone. 39 Prozent befürchten, dass das Verhältnis zwischen ihnen und ihrem Arzt durch die Digitalisierung eher belastet wird. Die überwiegende Mehrheit von 58 Prozent derer, die ein Smartphone nutzen und damit potenziell auch Gesundheits-Apps, wünschen sich eine ärztliche Empfehlung beziehungsweise Erklärung solcher Anwendungen.

Die Krankenkassen genießen bei diesem Thema weit weniger Vertrauen. Eine App als solche – und demnächst werden die ersten ja von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet – wird demnach nicht per se als Heilsversprechen angesehen, sondern nur, wenn ihre Nutzung ärztlich begleitet wird. Auch das ist ein Zeichen des Vertrauens in die Kompetenz der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen.

Der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt bleibt der Goldstandard. Bei allem Hype um die Digitalisierung, die nicht zuletzt Corona angeblich beflügelt hat: Keine App, selbst wenn sie von den Krankenkassen bezahlt wird, kann den persönlichen Kontakt zum Arzt ersetzen – das sehen auch die Versicherten so. 

Vielen Dank
 

(Es gilt das gesprochende Wort)