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Stand 04.12.2020

Reden

Bericht von Dr. Stephan Hofmeister an die Vertreterversammlung

Online-Treffen der Mitglieder der KBV-Vertreterversammlung am 4. Dezember 2020

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch ich begrüße Sie zur Beratungssitzung der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) – einmal mehr unter Pandemiebedingungen und diesmal komplett virtuell. Unter anderen Umständen könnte man sich hier auf dem Podium fast wie in einer aktuellen Fernsehshow fühlen, denn ich darf sagen: Ich begrüße Sie zu Hause an den Bildschirmen. 

Doch leider ist das Szenario weit weniger unterhaltsam. Die dunkle Jahreszeit ist da und viele aus Politik und Medien gefallen sich seit März darin, düstere Bilder zu malen und immer neue Schreckensbotschaften zu verkünden. Gleichzeitig suggerieren sie uns Bürgerinnen und Bürgern, dass das geduldige und demütige Warten auf Licht am Ende des Tunnels die einzige Option ist. Wann also kommt dieses Licht? 

Kurz vor Weihnachten wäre dafür eine gute Zeit. Die ersten Impfstoffe stehen vor der Zulassung. Das lässt in der Tat hoffen. Aber, Andreas Gassen hat es bereits ausgeführt, noch gibt es viele Unbekannte in dieser Gleichung. 
Dennoch stehen wir als Vertragsärztinnen und -ärzte selbstverständlich für das Impfen bereit und werden mit dem vertragsärztlichen System alle Anstrengungen unternehmen, die dafür verantwortlichen Bundesländer bei einer raschen und sicheren Durchimpfung der Bevölkerung zu unterstützen.

Natürlich tut es in der augenblicklichen Situation gut, eine konkrete Aussicht auf Besserung zu haben. Gleichwohl wird das Virus auch mit einer Impfung nicht eliminiert werden. Nahezu alle praktischen Erfahrungen mit ähnlichen Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Influenza oder Pneumonie, sprechen dagegen. Und deshalb brauchen wir ein langfristiges Konzept, wie wir als Gesellschaft möglichst gut mit der Situation leben können. 
Das Virus ist da und es wird bleiben. Deshalb ist auch das Bild falsch, welches die Politik noch immer bemüht, um für ihre Maßnahmen zu werben. Da ist immer wieder von „Wellen“ die Rede und vom Lockdown als „Wellenbrecher“.

Als ehemaliger Seefahrer habe ich das Bedürfnis, dieses maritime Bild geradezurücken. Statt mit einzelnen Wellen haben wir es doch viel eher mit einer Tide zu tun, die mal schneller, mal langsamer steigt. Sie wird aber nie auf Null fallen. Wie gesagt: Das Virus ist gekommen, um zu bleiben. Deshalb können wir auch die Welle nicht gänzlich aufhalten oder gar austrocknen. Wir können aber sehr wohl dafür sorgen, dass sie keinen größeren Schaden anrichtet. 

Der größte Schaden aus versorgungspolitischer Sicht wäre, dass die medizinischen Kapazitäten nicht ausreichen, um alle Bedürftigen zu versorgen. Dabei gibt es durchaus positive Entwicklungen. Andreas Gassen hat bereits eine exemplarisch aufgezählt. Auch gilt, dass wir das Virus und seine Auswirkungen mittlerweile besser verstehen und behandeln können. 

Auch wenn die derzeitigen absoluten Zahlen, in logischem Zusammenhang mit den hohen Infektionszahlen, natürlich hoch sind, sind das durchaus positive Nachrichten, die in der öffentlichen Kommunikation meines Erachtens zu kurz kommen. 

Die absoluten Zahlen werden nicht in den erforderlichen Kontext eingeordnet, das aber muss man tun, wenn man einen seriösen wissenschaftlichen Ansatz verfolgt. Stattdessen wird immer noch auf die Verbreitung von Schrecken und Furcht gesetzt, offensichtlich in der Annahme, damit die Bevölkerung disziplinieren zu können. Wie Andreas Gassen schon sagte:

Man bemüht inzwischen sogar Flugzeugabstürze als Schreckensbild und produziert dabei bewusst Bilder in den Köpfen der Bevölkerung, die völlig irreführend sind. Sie verzeihen mir bitte noch ein maritimes Bild: Wenn bei schwerer See der Kommandant mit seinen Offizieren auf der Brücke steht, sorgenvoll dreinblickt und ruft, dass man am Untergehen sei, dann wird es für die Mannschaft dieses Schiffes unmöglich, das Nötige zu tun, um der See doch noch zu entkommen.

Diese Vorgehensweise erzeugt bei mir nicht nur ein persönliches Unbehagen, sie widerspricht auch dem ärztlichen Erfahrungswissen diametral. Als Ärzte wissen wir aus unserer täglichen Praxis: Angst ist kein guter Ratgeber. 

Kein Arzt würde sich schwerpunktmäßig darauf konzentrieren, seinem Patienten immer wieder zu erzählen, was schlimmstenfalls alles passieren kann – sei es vor einer Operation oder in Bezug auf den möglichen Verlauf einer Erkrankung. Niemand will ständig hören, was ihm morgen oder in ein paar Wochen alles Dramatisches drohen kann. Das führt zu Resignation, Trotz oder Fatalismus.

Es geht hier nicht darum zu verharmlosen. Sondern um eine realistische, medizinisch begründete Einschätzung von Chancen und Risiken – und um daraus abgeleitete Schritte. Aufgabe von Ärzten ist es, den Patienten denkbare Maßnahmen zu erklären, mögliche Risiken abzuwägen und Therapien einzuordnen im Hinblick auf ihre Erfolgsaussichten.

Wichtig ist, den Menschen Mut zu machen und sie zu motivieren, ihren Teil zum Gelingen beizutragen. Das nennen wir Compliance, und diese ist unverzichtbar für den Erfolg einer Therapie.

Genau das gleiche gilt für politische Maßnahmen. Es ist wichtig, die Menschen zu motivieren statt zu überfordern oder zu verängstigen. Nutzen und Nebenwirkungen sind sorgfältig abzuwägen. Welche Folgen hat es, wenn eine Gesellschaft seit neun Monaten in einem angsterfüllten Ausnahmezustand gehalten wird? 

Gerade weil es hier um eine langfristige Strategie geht, was niemand mehr bestreitet, bedarf es einer intrinsischen Motivation der Mehrheit und nicht einer, die auf Bedrohungsszenarien und Sanktionen fußt. Die Menschen nutzen den Sicherheitsgurt im Auto ja nicht deshalb, weil sie im unwahrscheinlichen Fall des Ohne-Gurt-erwischt-Werdens 30 Euro Bußgeld zahlen müssten. Sie legen den Gurt an, weil ihnen klar ist, welches gesundheitliche Risiko sie für sich und zu Lasten anderer eingehen, wenn sie es nicht tun.

Einen gesamtgesellschaftlichen Konsens der Mehrheit zu erreichen ist alternativlos – wir werden ihn noch eine ganze Weile brauchen.

Ein solches gemeinsames Verständnis dessen, was es bedarf, würde ich mir auch von dem einen oder anderen Funktionsträger der Krankenhäuser wünschen. Doch statt die gemeinsame Mission aller Ärztinnen und Ärzte, nämlich den Menschen in der Pandemie zu helfen, zu unterstützen, spielen führende Klinikvertreter das „blame game“, wer die bessere Performance abliefert. So wurde beim jüngsten Krankenhaustag Mitte November behauptet, „die Corona-Krise habe gezeigt, dass letztendlich die Kliniken die Sicherstellung in Deutschland gewährleisten. 

Sie würden Aufgaben übernehmen, die eigentlich Sache der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) seien“. Als Beispiel wurden die Corona-Testungen angeführt. Ganz abgesehen davon, dass derlei Äußerungen inhaltlich keinen Bestand haben – 94 Prozent der Testungen wurden in den Praxen und nur sechs Prozent in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser durchgeführt –, sind sie schlechter Stil und ein Schlag ins Gesicht aller Niedergelassenen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, und ich meine hiermit auch die in den Führungsetagen der Krankenhausverbände: Wir müssen diese Krise gemeinsam bewältigen! Das geht weder ohne die Vertragsärztinnen und -ärzte, noch ohne die Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken.

Die Patienten brauchen beide und wir brauchen uns gegenseitig. An den Krankenhäusern kümmern Sie sich um die ernst und lebensbedrohlich Erkrankten. Sie machen dort einen schweren und im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtigen Job. 

Das gilt für das ärztliche Personal genauso wie für das pflegerische und alle anderen, die dort tätig sind. Aber ohne die Kollegen in den Praxen und ohne die Medizinischen Fachangestellten – die in der Regel die allerersten sind, welche mit den Menschen zu tun haben, seien sie nur leicht erkrankt, mittelschwer oder einfach nur besorgt –, ohne diese „erste Reihe“ könnten die Kliniken ihren Job nicht machen. 

Dann würden sie nämlich überrannt, so wie es in anderen Ländern der Fall ist, in denen es fast gar keine ambulante Versorgung gibt und die deswegen in der Pandemie viel schlechter dastehen. Also bitte: Lassen Sie uns zusammenhalten und die Kollegen vor Ort ihren Job machen, jeder in seinem Bereich. Wir sollten uns unterhaken, statt mit dem Finger aufeinander zu zeigen!

Ich möchte an dieser Stelle einmal mehr und von Herzen den Kolleginnen und Kollegen in den Praxen sowie allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken. Sie stehen nicht nur in der eben bereits erwähnten „ersten Reihe“ bei der Bekämpfung der Pandemie und der Versorgung der Menschen.

Ganz nebenbei müssen Sie mit denselben Härten umgehen wie der Rest der Bevölkerung. Sie haben Kinder, die vielleicht nicht in die Schule können, Sie müssen den Alltag unter Einschränkungen managen und gleichzeitig – als Praxisinhaber oder -inhaberin – ein Unternehmen führen und Verantwortung für Ihre Mitarbeitenden tragen.

In der wissenschaftlichen Fachwelt ist der große Anteil der Praxen an der Bewältigung der Krise unbestritten. Stellvertretend für viele ähnliche Veröffentlichungen darf ich aus dem sogenannten Richtungspapier zur Corona-Krise zitieren, dass unter anderem von der Robert-Bosch- und der Bertelsmann-Stiftung herausgegeben wurde:

„Dass die COVID-19-Versorgung überwiegend ambulant erfolgt ist, hat nicht nur die Krankenhäuser vor Überlastung bewahrt, sondern auch einen Beitrag zur Eindämmung des Infektionsgeschehens geleistet. Insbesondere die Hausärztinnen und Hausärzte haben ihre zentrale Rolle als Primärversorger unter Beweis gestellt.“ 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, beinahe ungebremst durch die Pandemie läuft die Gesetzgebungsmaschinerie des Bundesgesundheitsministeriums auf Hochtouren, was wiederum bedeutet, dass wir äußerst wachsam bleiben müssen. Nicht nur die Taktung der Gesetzgebung, sondern auch eine Masse an nachträglichen Änderungen an kleinsten, aber wichtigen Details, die es erfordern, dass man sich jedes Mal aufs Neue mit der Lupe daransetzt. Und das tut die KBV auch!

Aus Zeitgründen will ich nur eine Entwicklung dabei herausheben und ansprechen. Es geht um den Ausbau der Videosprechstunde und digitaler Anwendungen. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung beschleicht mich persönlich großes Unbehagen bezüglich der Richtung, die das Ganze nimmt.

Die Videosprechstunde und andere Möglichkeiten der Fernbehandlung und Ferndiagnostik – wenn man das überhaupt so nennen will – haben in der Pandemie zweifelsohne geholfen, Patienten zu versorgen, die nicht in die Praxen kommen konnten oder wollten. Unter dieser Prämisse haben wir als KBV entsprechende Lockerungen befürwortet. 

Ich fürchte aber, dass aus dieser leicht geöffneten Tür, die ja eher als Notausgang diente, ein Scheunentor wird, das wir nicht mehr geschlossen kriegen. Wenn etwa die Videosprechstunde künftig auch von Patienten in Anspruch genommen werden kann, die den jeweiligen Arzt noch nie zuvor gesehen haben, dann ist der Weg in eine reine Callcenter-Medizin offen.

Noch gravierender kann diese Entwicklung für die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten werden, da bei ihnen das Argument der körperlichen Untersuchung wegfällt. Wir müssen deshalb Sorge tragen, dass, wenn solche Angebote weiter ausgebaut werden, dies wenigstens unter unserer Ägide passiert und wir nicht, über den Umweg der Digitalisierung, in die Abhängigkeit kommerzieller Anbieter geraten – oder am Ende gar von diesen komplett kontrolliert werden.

Auch in der Reform der ärztlichen Ausbildung gibt es Bewegung. Der Referentenentwurf für eine neue Approbationsordnung sieht mehr digitale Lehrformate vor, teilweise verpflichtend, etwa im Rahmen des Praktischen Jahrs. Die Themengebiete Bevölkerungsmedizin und das Arbeitsfeld Öffentlicher Gesundheitsdienst sollen zusätzlich in das Curriculum aufgenommen werden.

Ob das tatsächlich helfen wird, die Personalsituation in den Gesundheitsämtern zu verbessern, steht auf einem anderen Blatt.

Unverändert ist das Ansinnen, die Allgemeinmedizin im Rahmen der Ausbildung weiter zu stärken, sie wird künftig prüfungsrelevant. Generell soll die Ausbildung vermehrt im ambulanten Bereich stattfinden. Die medizinischen Fakultäten sollen dabei verstärkt Lehrpraxen im ländlichen Raum einbeziehen. Das sind Ansätze, die ich für richtig halte.

Sie setzen positive Anreize, sie verschaffen dem medizinischen Nachwuchs Erfahrungen im ambulanten System und der ländlichen Versorgung, die zur Entscheidungsfindung über den späteren Arbeitsort beitragen können. Das ist meines Erachtens besser, als junge Menschen schon bei der Studienplatzvergabe an Zusagen zu binden, die zwölf bis 15 Jahre später eingelöst werden müssen.

Nach all dem Gesagten muss ich noch einmal auf das Thema „Wert der ambulanten Versorgung“ zurückkommen. Dieser scheint bei unseren Verhandlungspartnern nicht wirklich anzukommen. 

Die Spitzengespräche mit dem GKV-Spitzenverband, die wir in jüngster Zeit geführt haben, waren mehr als ernüchternd. Wie üblich, aber nun mit der Pandemie als „Kronzeugen“, beharren die Krankenkassen darauf, dass kein Geld für was auch immer vorhanden sei. Das gilt selbst für Leistungen, die ganz unabhängig von jedweder Sondersituation schon seit langem chronisch unterfinanziert sind, wie etwa die Hausbesuche oder eine hausärztliche Strukturförderung.

Hier ist keinerlei Entgegenkommen der Kassen erkennbar. Im Gegenteil. 
Der GKV-Spitzenverband sinniert in diesen Runden sogar laut darüber nach, ob angestellte Ärzte, die ja zum Beispiel tendenziell weniger Hausbesuche machen würden, dafür nicht auch weniger Geld pro EBM-Ziffer bekommen sollten. Da fehlen einem die Worte.

Im neuen Jahr, das die Finanzlage ja absehbar nicht verbessern wird, werden wir uns wohl gemeinsam ernsthaft mit der Frage beschäftigen müssen, welche Konsequenzen ärztlicherseits aus dieser Haltung zu ziehen sind. Uns als Bollwerk der Versorgung zu preisen und dann am langen Arm auszutrocknen ist unerhört und obendrein extrem kurzsichtig!

Das System der ambulanten Versorgung in Deutschland mit den selbstständigen Praxen ist die preiswerteste, flexibelste, dichteste und belastbarste Versorgung, die es gibt. Die Pandemie zeigt das gerade in aller Deutlichkeit. Sie aufs Spiel zu setzen ist grob fahrlässig!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für den Moment bleibt mir, noch einmal danke zu sagen. Danke an alle, die in dieser herausfordernden Zeit unter erheblich erschwerten Bedingungen ihre Arbeit gemacht haben – und dabei teilweise über das Normalmaß weit hinausgegangen sind. Das betrifft sämtliche Beschäftigte im Gesundheitswesen und anderen sogenannten systemrelevanten Berufen. Es betrifft die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KBV und der KVen. 

Und nicht zuletzt danke ich auch Ihnen, der Vertreterversammlung, für das uns entgegenbrachte Vertrauen, für konstruktive Kritik und gegenseitige Unterstützung. Politisch werden in 2021 die Karten neu gemischt. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam auch die kommenden Herausforderungen meistern werden und wünsche Ihnen allen schöne, gesegnete Weihnachten und erholsame Feiertage. 

Vielen Dank.
 

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Ergänzende Positionen des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. Stephan Hofmeister

Diese Textpassagen waren nicht Teil der Rede während des Online-Treffens

Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG)

Der Gesetzentwurf zum Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG) bringt vor allem neue Regelungen im Bereich der Selektivverträge. Diese sind zunächst einmal positiv zu bewerten, da der Kreis der potenziellen Vertragspartner erweitert wird, und zwar über die vertragsärztliche und pflegerische Versorgung hinaus.

Dadurch entstehen neue Möglichkeiten für sektorenübergreifende Versorgungsangebote. Eines ändert sich allerdings nicht: Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) dürfen auch weiterhin keine Verträge mit Verbänden von Krankenkassen schließen.

Warum der Gesetzgeber an dieser Regelung festhält, bleibt nicht verständlich. Das GPVG enthält des Weiteren eine Sonderregelung, die der Pandemie geschuldet ist. Demnach können die Vertreterversammlungen (VVen) der KVen und der KBV, befristet bis zum 31. Dezember 2021, auch ohne Präsenzsitzung schriftlich abstimmen.

Dies ist natürlich gut, um das operative Geschäft sicherzustellen. Ich sehe das jedoch als reinen Notbehelf, der nicht zur Dauerlösung werden sollte. Wir als Vorstand der KBV wollen jedenfalls nicht, dass die VV dazu genötigt wird, Entscheidungen nur noch abzunicken. Wir wollen Sie weiterhin persönlich erleben, mit Ihnen debattieren und gemeinsam mit Ihnen zu guten Lösungen kommen.

EU-Politik

Die Europäische Union (EU) hat es bislang nicht geschafft, eine gemeinsame Haltung zur Quarantäne nach Grenzüberschreitung und zur gegenseitigen Anerkennung von Corona-Tests zu entwickeln. Was sie immerhin geschafft hat, ist, sich für die Covid-19-Impfstoffbeschaffung zusammenzuschließen.

Dass wir zunächst trotzdem zu wenig Impfstoff für alle haben werden, steht auf einem anderen Blatt. Umso wichtiger ist die solidarische Verteilung zwischen den Staaten. In Brüssel ist man außerdem bestrebt, so etwas wie eine Europäische Gesundheitsunion herbeizuführen, die insbesondere in Krisenzeiten reagieren kann.

Dazu gehört ein Notfallmechanismus, mobile Task Forces, Echt-Zeit-Überwachungssysteme sowie die schnelle Beschaffung von medizinischen Notfallgütern. Damit einher geht auch ein Kompetenzzuwachs für die entsprechenden Behörden auf EU-Ebene.

Nach langem Gezerre hat man sich außerdem dazu durchgerungen, den EU-Haushalt im Gesundheitsbereich deutlich zu erhöhen, wenn auch längst nicht in dem Maße wie vom Parlament gefordert. Allerdings wird dieser Haushalt zurzeit noch von Polen und Ungarn blockiert.

All dies zeigt, dass die in Brüssel und Straßburg gemachte Politik auch für das deutsche Gesundheitswesen an Bedeutung gewinnt. Diese Entwicklung sollte jedoch keine Einbahnstraße sein. Um das zu verdeutlichen, haben wir Anfang Oktober als assoziierter Partner der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine Web-Konferenz mit dem Titel „Starke Gesundheitssysteme – Resilient Health Systems 2020“ veranstaltet.

Dabei konnten wir die Bedeutung des ambulanten und selbstverwalteten Systems in Deutschland bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie einem internationalen Publikum näherbringen. Die Resonanz war beeindruckend: Repräsentanten aus 38 Ländern haben sich insgesamt 39 Vorträge angehört und miteinander diskutiert. Sogar aus China, Hongkong und Panama haben sich Interessierte zugeschaltet.

Das ist zweifellos eine Reichweite, die uns im klassischen Kongressformat so nicht zuteilgeworden wäre. Den Auftrag der KBV-Vertreterversammlung, die Bedeutung des KV-Systems für die Versorgung noch mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, konnten wir damit sehr gut erfüllen.