Zi-Erhebung: Stimmung in den Praxen auf dem Tiefpunkt
14.09.2023 - Die Stimmung unter den niedergelassenen Haus- und Fachärzten sowie Psychotherapeuten ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Einer aktuellen Umfrage zufolge bewerten über die Hälfte der befragten Praxisinhaber die Situation aktuell als schlecht oder sehr schlecht.
Die Umfrage fand im Rahmen des Zi-Praxis-Panels (ZiPP) statt, mit dem das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die Stimmung in den knapp 100.000 Arzt- und Psychotherapiepraxen beleuchtet hat. An der Erhebung nahmen knapp 3.500 Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber teil.
Waren 2019 lediglich 30 Prozent der Befragten mit ihrer Situation in der Niederlassung unzufrieden, stieg dieser Wert in den beiden Folgejahren bereits auf 41 (2020) und 45 Prozent (2021) an. Anfang dieses Jahres haben nun schon 55 Prozent der Niedergelassenen ihre berufliche Situation als schlecht beziehungsweise sehr schlecht eingeschätzt.
Situation in den Fachgebieten unterschiedlich
Die Bewertung der Rahmenbedingungen fällt für die Fachgebiete unterschiedlich aus. So schätzten die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber in den Fachgebieten Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ihre Lage vergleichsweise positiv ein. Von ihnen beschrieben 37 beziehungsweise 45 Prozent ihre Situation in der Niederlassung als schlecht oder sehr schlecht.
Im Gegensatz dazu kamen jeweils über 70 Prozent der gynäkologischen und orthopädischen Praxen zu einer negativen Bewertung. Im hausärztlichen Bereich schätzten 60 Prozent der Allgemeinmediziner und Internisten die Lage als schlecht bis sehr schlecht ein.
Regressandrohungen und Unterfinanzierung
„Kostensprünge und Bürokratielast zehren die Praxen aus. Mangelnde Wertschätzung durch die Politik und handfeste wirtschaftliche Nachteile demotivieren die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber zunehmend“, betonte Zi-Vorstandsvorsitzender Dr. Dominik von Stillfried. „Diese äußern sich unter anderem in zahllosen Regressandrohungen, im Zwang eine dysfunktionale Telematikinfrastruktur implementieren zu müssen, die den Praxisbetrieb lahmlegt, und in der unzureichenden Weiterentwicklung der Finanzierung durch die Krankenkassen.“
Folge sei, dass immer seltener Nachfolger für die Praxen gefunden würden. Unter Verweis auf den anstehenden Generationswechsel in den Praxen forderte Stillfried, dass die Rahmenbedingungen für die Niederlassung attraktiver gestaltet werden müssten. „Schon jetzt sind bundesweit fast 6.000 Arztsitze unbesetzt, weil die Niederlassung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der ärztlichen Berufstätigkeit an Attraktivität eingebüßt hat“, rechnete der Zi-Chef vor. Von der Schließung seien auch Medizinische Versorgungszentren mit angestellten Ärztinnen und Ärzten bedroht. Denn die ambulante ärztliche Versorgung sei chronisch unterfinanziert. Aktuell bestehe eine Finanzierungslücke von 1,8 Milliarden Euro.
Politik steuert in den Praxenkollaps
„Die Praxen werden immer weiter abgehängt“, kritisierte von Stillfried. „Während die Krankenkassen für ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen im 1. Quartal 2023 nur um 1,6 Prozent mehr ausgegeben haben, schnellten die Ausgaben für Krankenhäuser mit 7,7 Prozent nach oben.“
Dabei behandelten die Praxen weit mehr als das Zwölffache dessen, was Krankenhäuser ambulant leisteten. „Fallen die Praxen zunehmend aus, werden Lücken gerissen, die die jetzt schon völlig überforderten Krankenhäuser niemals werden füllen können“, mahnte der Zi-Chef. „Die Politik kann das Ruder herumwerfen oder sehenden Auges in den Praxenkollaps steuern.“