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Politik

Symbolbild Praxenkollaps

#PraxenKollaps - Praxis weg. Gesundheit weg.

Die ambulante Versorgung in Deutschland steht auf dem Spiel: Die Praxen stehen vor dem Kollaps. Tag für Tag setzen sie sich für die Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten ein – doch ihre Kräfte gehen zur Neige.

Krisensitzung am 18. August in Berlin

In einer Krisensitzung am 18. August 2023 hat die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft deswegen klare Forderungen an die Politik verabschiedet. Hunderte Niedergelassene, darunter die Delegierten der Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen machten klar: So kann es nicht weitergehen! Die Politik und insbesondere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sind nun aufgefordert, die Forderungen umzusetzen – ansonsten droht der Praxenkollaps.

Das sind die Forderungen der Praxen an die Politik

Die Bundesregierung hat vielfach versprochen, die flächendeckende ambulante Versorgung zu stärken. Dieses Versprechen hat sie jedoch mehrfach gebrochen. Die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten fordern Lauterbach nun auf, bis zum 13. September zu den einzelnen Forderungen Stellung zu beziehen und konkrete Umsetzungsschritte zu benennen. Die KBV hat dazu ergänzend zu dem Forderungskatalog ein Begleitpapier mit ihren Lösungsvorschlägen erstellt.

1 - Tragfähige Finanzierung

Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt!

2 - Abschaffung der Budgets

Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen!

3 - Ambulantisierung

Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!

4 - Sinnvolle Digitalisierung

Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung, und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen!

5 - Mehr Weiterbildung in Praxen

Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft ein!

6 - Weniger Bürokratie

Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der „Papierkram“!

7 - Keine Regresse

Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab!
Die Arzneimittelregresse müssen weg!

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KBV-Vorstand: Halten Sie Ihre Versprechen

„Es ist fünf vor zwölf – die Praxen in Deutschland arbeiten längst über dem Limit. Deshalb fordern wir die Politik auf: Halten Sie Ihre Versprechen und handeln Sie endlich! Verhindern Sie das Aus der ambulanten Versorgung“, machte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen auf der Krisensitzung deutlich. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen seien immer weniger Menschen bereit, in einer Praxis zu arbeiten. „Wenn sich nicht bald etwas ändert, geht in den Praxen das Licht aus“, betonte der KBV-Chef. Entsprechend habe man sich nun direkt an die Politik gewandt.

„Seit Jahren werden die Praxen kaputtgespart und mit faktischen Minusrunden abgespeist“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. Auch mit der Budgetierung müsse endlich Schluss sein, damit alle erbrachten Leistungen der Praxen in Gänze bezahlt werden. „Budgets auf der einen und Rund-um-die-Uhr-Leistungsversprechen auf der anderen Seite passen einfach nicht zusammen. Apropos Versprechen: Auch die Ambulantisierung und ein Bürokratieabbaupaket hatte die Bundesregierung vollmundig angekündigt – zu sehen ist davon bisher rein gar nichts“, fuhr der KBV-Vize fort.

Einen Kurswechsel erwarten die Niedergelassenen auch bei der Digitalisierung. Ihnen würden immer wieder Sanktionen und Bußgelder angedroht, obwohl digitale Anwendungen nicht funktionierten und keinen spürbaren Nutzen brächten. „Was wir brauchen, ist ein Praxiszukunftsgesetz, das die erforderlichen Investitionen der Praxen in ausreichend getestete, nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik kostendeckend absichert“, forderte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Die Ärzteschaft sei Treiber der Modernisierung und nicht deren Bremser, wie immer wieder kommuniziert werde. 
 

Videointerview mit KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister

Warum trifft sich die VV am 18. August zu einer Krisensitzung?

Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV:
Die Situation in der ambulanten Versorgung spitzt sich Jahr für Jahr weiter zu. Die Kolleginnen und Kollegen sind zunehmend frustriert durch die Rahmenbedingungen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch die Bürokratie, die dysfunktionale digitale Infrastruktur, der sehr schwere Personalmarkt und die ja, man muss fast schon sagen, Ignoranz der Politik gegenüber den Leistungen der ambulanten ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen mit ihren Teams.

Wie sehen das die Niedergelassenen?

Ja, man merkt ja an dem langsamen Wegsterben der Praxen, an der Überalterung, die in den meisten Bereichen inzwischen eingetreten ist, an der Schwierigkeit, Nachwuchs zu gewinnen für die Selbstständigkeit, die aber erforderlich ist, um die Struktur aufrechtzuerhalten, dass einfach der Frust sehr, sehr tief sitzt. Die Arbeit an sich ist nach wie vor schön, das zeigen alle Umfragen. Die Versorgung von Patienten und Patienten ist das, was man machen möchte als Ärztin oder Arzt, als Psychotherapeut. Dazu braucht man aber stabile Rahmenbedingungen und man braucht vor allem Zeit am Patient und nicht Zeit für die Bürokratie und fürs System.

Was ist das Kern-Problem?

Wir haben insbesondere in Corona gemerkt, dass die Struktur der ambulanten Praxen eigentlich der Retter war für die Republik. Kann man gar nicht anders formulieren. Die Massenimpfungen waren erst möglich, als die Praxen mit eingestiegen sind. Und das hat eigentlich die Bevölkerung wirklich gerettet vor dem Corona-Virus. Und der Dank dafür waren ein paar laue Zeilen, ein paar warme Worte von Politikern und das ist es schon gewesen. Und die Struktur ist inzwischen so verkrustet und die gesetzliche Rahmenbedingungen wird immer schlimmer. Man würgt uns immer mehr ab, als ob man sagt, schwimmt und bindet Hände und Füße und wirft uns dann ins Wasser. Und das merken die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen. Und das ist eben sehr schwer zu sehen, wo da ein Ausweg ist. Und die Politik ignoriert das komplett. Um die Krankenhäuser wird jedes, fast jeden Tag kann man lesen und hören, was mit den Krankenhäusern alles gemacht werden muss, wie sie Hilfe brauchen, wie sie da ein paar Milliarden brauchen, dort ein paar Milliarden brauchen. Und über die ambulante Versorgung spricht überhaupt niemand, geschweige denn erkennt auf politischer Seite, dass dort wirklich energisch nachgebessert werden muss.

Welches Signal wollen Sie der Politik senden?

Ja, wir wollen erst mal jetzt ein Zeichen setzen, dass es hier nicht um das Klagen einiger Funktionäre in Berlin geht, sondern dass hier wirklich die gesamte ärztliche und psychotherapeutische Selbstverwaltung, die gewählten Vertreter aus den einzelnen Bundesländern, aus den KVen, 17 KVen und die Berufsverbände unisono zusammenstehen und sagen: So kann das nicht weitergehen, hier muss dringend was passieren, hier muss auf Gesetzgeber-Seite auf politischer Seite anerkannt werden, wie wichtig die ambulante Versorgung ist. Und die muss gestärkt werden.

Und wenn alles so weiterläuft?

Also es wird einfach ein langsames Sterben sein, so wie es schon begonnen hat. Das wird nach und nach einfach ausbrennen. Nicht nur im ländlichen Raum, auch im städtischen Raum. Und der Nachwuchs wird einfach nicht einsteigen, wird sich gegebenenfalls irgendwo noch anstellen lassen. Dazu braucht es aber jemand, der diese Institutionen auch betreibt. Und wir wissen alle von großen MVZ-Ketten, dass das einfach nicht die gleiche Versorgung ist und deshalb wird es ein schleichender Prozess, aber ein zunehmender dynamischer Prozess sein und am Ende wird eben eine katastrophal lückenhafte ärztliche und psychotherapeutische Versorgung stehen.

Wird es bei dieser einen Krisensitzung bleiben?

Die Veranstaltung ist ein Auftakt, das ist ein allererstes Zeichen nicht das Ende eines Prozesses, sondern der Beginn des Prozesses, mit dem wir zeigen wollen, es ist tatsächlich jetzt schon fünf nach zwölf und es muss jetzt was passieren. Und wir gehen davon aus, dass es sehr konkrete Forderungen am Ende der Veranstaltung geben wird, auch an die Politik, an den Gesetzgeber, an das Ministerium, was wir erwarten, was getan werden muss, was die ersten wichtigen, dringenden Schritte sind. Und dieser Prozess wird sich im Herbst fortsetzen, abhängig davon, wie reagiert wird und wie ernst die Situation genommen wird, ob erkannt wird, dass es fünf nach zwölf ist.

Der Praxenkollaps droht, wenn die Politik nicht schnell gegensteuert. "Es ist bereits fünf nach zwölf und es muss jetzt etwas passieren", mahnt Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.

Berichte aus der Praxis

Mit dem Praxenkollaps steht nicht weniger als die flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige ambulante Versorgung auf dem Spiel. Ärzte und Psychotherapeuten berichten hier aus erster Hand, wie es um ihre Praxis bestellt ist.

Das steht auf dem Spiel

Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist das ambulante System die unverzichtbare Stütze des deutschen Gesundheitssystems. Das sind die Leistungen der Praxen in nur einem Jahr:

  • 578 Millionen Behandlungsfälle und 1 Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte
  • 57 Millionen Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen
  • 32 Millionen Chroniker-Patienten
  • 9,4 Millionen Tumorpatienten 
  • 5,9 Millionen ambulante Operationen
  • 83.000 dialysepflichtige Patienten

Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi)

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