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Ambulante Versorgung: Versprechen reichen nicht, nun muss gehandelt werden

Wie würden Sie das Jahr 2023 aus ambulanter Sicht zusammenfassen?

Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV: Es ist nicht ganz einfach. 2023 zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass in den Praxen wirklich zunehmend Frustration spürbar ist, und zwar Land auf Land ab, in Städten, Ballungsräumen wie auf dem flachen Land, bei den Kolleginnen und Kollegen, aber auch bei den Praxisteams. Nach Corona, nach der wirklich ungeheuren Anstrengung in Corona, stößt besonders bitter auf, dass die ambulante Versorgung nach wie vor politisch nicht ernst genommen zu werden scheint. Und wir haben in 2023 viele Ankündigungen gehört, was alles vielleicht gemacht werden könnte und sollte. Passiert ist sehr wenig.

Was war die größte Enttäuschung?

Das sind gleich mehrere. Zum einen zum Beispiel, dass die hausärztliche Entbudgetierung noch immer nicht im Gesetz steht, obwohl sie angekündigt ist seit zwei Jahren. Zum zweiten zum Beispiel, dass die Ersteinschätzungsrichtlinie im GBA auf den letzten Metern durch den Gesetzgeber gestoppt wurde. Das wäre der erste Einstieg in eine sinnvolle Steuerung im Not- und Akutdienst gewesen. Das sind nur zwei akute Beispiele. Entbürokratisierung: getan hat sich nichts, angekündigt wurde viel. Es gibt weiterhin Strafzahlungen für Kolleginnen und Kollegen, die mit der TI nicht vollständig umgehen können, obwohl sie vielleicht auch gar nichts dafürkönnen. Das sind alles Beispiele, die da zählen.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der Politik?

Es gibt einen Dialog auf allen Ebenen, auch zwischen dem Minister und uns, zwischen der Arbeitsebene und unserem Haus. Es gibt einen Dialog mit Ländern und Länderministerinnen und -ministern. Was aber das BMG und den Gesetzgeber angeht, haben wir den Eindruck, dass häufig relativ spät mit uns gesprochen wird, kurz vor Torschluss, erst in den letzten Stadien von Gesetzesentwürfen. Und entsprechend ist eben auch schwierig, dann tatsächlich sinnvoll Einfluss nehmen zu können, im Sinne von Gestaltung.

Sie haben kürzlich einen Brief vom Gesundheitsminister erhalten…

Ja, wir haben eine Antwort bekommen nach unserem Gespräch. Und in der verweist er relativ lapidar auf die Finanzsituation der Bundesregierung und sagt, er würde uns gerne helfen. Zwischen den Zeilen kann man lesen, aber er kann nicht oder will nicht. Und bittet um höflichen Umgang. Das heißt, das ist ein relativ nichtsagender Brief, der eher aufzeigt, dass nicht damit zu rechnen ist, entgegen seinen Versprechungen und Ankündigungen, dass eben tatsächlich signifikante Verbesserungen für die ambulante Versorgung kommen.

Das Jahr endet mit Protesten. Welches Fazit ziehen Sie dazu?

Es ist zum ersten Mal in meiner beruflichen Zeit, dass Praxen wirklich so intensiv sich engagieren und ihrem Frust Ausdruck verleihen. Und das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiges Zeichen, dass wir ungeheuer ernst nehmen sollten. Denn die innere Kündigung und die Demotivation und dieses langsame Ausscheiden ist ja etwas, was kaum wirksam nach außen dringt und trotzdem katastrophale Konsequenzen hat. Das Ausbluten der ambulanten Versorgung, das Aufhören der älteren Kolleginnen und Kollegen, der Nachwuchs, der tatsächlich kaum noch Mut hat, in dieses System einzusteigen, weil es ihm zu komplex, zu schwierig und letztendlich auch zu wenig günstig erscheint. Das sind alles Dinge, die jetzt durch diesen Protest endlich mal auch hörbar und spürbar werden. Und das muss so sein, denn wir verlieren hier etwas, was sich nicht ersetzen lässt.

Gehen die Proteste im nächsten Jahr weiter?

Ich gehe davon aus, dass der Protest und die Hör- und Sichtbarkeit auch noch weitergehen wird. Ich hoffe, dass der Protest nicht zu schnell erlahmt. Ich hoffe, dass er vor allem nicht erlahmt, bevor die Politik endgültig erkannt hat, dass hier etwas zerschlagen wird, was weder anders gemacht werden kann, noch wofür es einen Ersatz gibt, wenn das System mal kaputt ist.

Was muss sich in den nächsten 12 Monaten unbedingt ändern?

Wir brauchen an den Stellen, wo es ja bereits auch politische Versprechen gegeben hat, Handlung. Das ist die Entbudgetierung der Hausärzte, der Einstieg in die Entbudgetierung bei den Fachärzten. Das ist Entbürokratisierung, und zwar eine, die den Namen auch verdient hat. Das ist eine Digitalisierung, die in den Praxen die Arbeit erleichtert und nicht verkompliziert, die nicht zusätzliche Kosten verursacht, sondern Effizienzgewinne, tatsächlich messbare Effizienzgewinne bringt. Das sind Beispiele von Dingen, auf die wir dringend warten, an denen wir mithelfen wollen, für die wir Vorschläge haben, ganz konkrete Formulierungen, auch für Gesetze haben. Denn wir wissen, wie ambulante Versorgung geht.

Was wünschen Sie sich für die gesundheitspolitische Arbeit im nächsten Jahr?

Dass man auf uns hört, dass man mit uns redet im Vorfeld und dass man sich von uns zeigen lässt, wie ambulante Versorgung gestaltbar ist. Wir können das, wir machen das, wir haben die Verantwortung dafür. Und die Kolleginnen und Kollegen da draußen, Psychotherapeuten, Ärztinnen und Ärzte, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten geben jeden Tag mit ihren Teams ihr Bestes und versorgen die Bevölkerung trotz der schwierigen Rahmenbedingungen. Und sie versorgen sie auf einem sehr hohen Niveau. Und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, der ich ja auch einer bin, wünsche ich mir, dass das irgendwie erhalten bleibt und nicht einfach kaputt geht.

Während die Frustration in den Praxen immer größer wird, kommt die Politik nicht damit voran, Erleichterungen für die ambulant Tätigen zu schaffen. Es wurden viele Versprechungen gemacht, die wenigsten sind bislang umgesetzt. So lautet das Fazit zum Jahr 2023 des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der KBV, Dr. Stephan Hofmeister. Er schildert, wie die Zusammenarbeit mit der Politik derzeit läuft, erläutert, warum die Niedergelassenen so eine große Protestbereitschaft zeigen und mahnt wichtige Maßnahmen für das kommende Jahr an.