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Stand 26.03.2021

Reden

Bericht von Dr. Thomas Kriedel an die Vertreterversammlung

Online-Treffen der Mitglieder der KBV-Vertreterversammlung am 26. März 2021

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,

auch von mir ein herzliches Willkommen – hier in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und an den Bildschirmen. 

Auch eine noch so gute Bild- und Tonqualität kann das Persönliche nicht ersetzen. Wo Digitales aber die Qualität zumindest unterstützen kann: Das sehen wir gerade auch unter Pandemie-Bedingungen. KBV und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) haben beispielsweise für die Qualitätssicherung (QS) flexible und vorwärtsgewandte Lösungen angestoßen, sodass die Praxen die Qualitätssicherung auch während der Pandemie angepasst aufrechterhalten können: So finden beispielsweise auch Kolloquien als Videokonferenzen statt. 

Alle Sonderregelungen treffen wir selbstverständlich mit dem Blick auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Wir erfahren hier aber auch immer wieder aus den Praxen, wie selbstverständlich die Qualitätssicherung im Sinne einer bestmöglichen Versorgung für ihre Patienten und Patientinnen ist – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: aus dem Selbstverständnis von Ärzten und Psychotherapeuten in ihrem täglichen Tun. Unser aktueller Qualitätsbericht 2020 belegt hier wieder einmal – wie stets – das hohe Niveau in den Praxen. Den Bericht werden wir in Kürze der Öffentlichkeit präsentieren.

Ähnlich selbstverständlich ist in den Praxen auch die Offenheit für neue Möglichkeiten unseres digitalen Zeitalters. Digitale Transformation ist ein Querschnittsthema, das sämtliche Tätigkeitsfelder längst durchzieht. Wir dürfen sie daher nicht von allen anderen Aspekten der ambulanten Versorgung entkoppeln.

Wir müssen gewissermaßen auf den Hügel steigen, um das große Ganze im Blick zu haben. Und da fällt auf, dass die Probleme immer wieder dieselben Wurzeln haben: eine Nichtbeachtung bis hin zur kritischen Grundhaltung gegenüber den Vertragsärztinnen und -ärzten und Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten. Andreas Gassen und Stephan Hofmeister haben das ja auch bereits angesprochen. 

Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch – eben auch bei der Digitalisierung. Und so wird nicht mit den Praxen digitalisiert, sondern allzu oft ohne Rücksicht auf ihre Expertise, Erfahrung und ihre Erwartungen. Das zeigt sich auf dem Feld der organisierten Krebsfrüherkennung ebenso wie bei der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (sQS). Auch bei der Telematikinfrastruktur (TI) und all den damit verbundenen Anwendungen und Komponenten.

Eine Handvoll Beispiele. Beispiel 1: Die Qualitätssicherung – und aktuell gerade die sQS. Sie wird immer mehr zum Kontroll-Instrument entwickelt und missbraucht. Denn so sieht es der Entwurf für das so genannte Gesundheits-Versorgungs-Weiterentwicklungs-Gesetz (GVWG) vor. Ohne dass sich dieses Mehr an Voll-Dokumentationspflichten und Aufwand in irgendeiner Weise positiv auf die Versorgungsqualität auswirkt – geschweige denn, dass dazu der Beweis erbracht würde. 

Auch das Timing ist alles andere als geschickt: mitten in einer pandemischen Großlage. Da fehlt es an politischem Feingefühl – und vor allem an Kenntnis der Praxis-Realität. Wir haben mit den KVen und dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sowie mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) digitale Erleichterungen in der Qualitätssicherung geschaffen – wo dies einfach möglich und sinnvoll ist.  

Online-Formate sind da ein Stichwort für Fortbildungen, Prüfungen oder Konferenzen. Oder auch (seit bereits acht Jahren) die webbasierte eDoku, mit unterstützender Plausibilisierung und regelmäßigen Rückmeldeberichten für das praxisinterne Qualitätsmanagement.

Zeitgleich wurden neue Erschwernisse aufgetürmt: Software fehlt, Spezifikationen sind ungenau und richten Chaos an. So strampeln sich Praxen teils seit mehr als einem Jahr beim sQS-Verfahren Nierenersatztherapie ab. Bei der organisierten Krebsfrüherkennung landen die pflichtschuldig gelieferten Daten aus den Praxen: im Nirwana. Und all das, weil die Perspektive und Systemkenntnis der Anwenderinnen und Anwender ausgeschlossen wurden. 

Ein Grundproblem, das zu Kritik und Anregung des Sachverständigenrats Gesundheit passt: Er streicht nämlich heraus, dass Erkenntnisse aus wissenschaftlich anerkannten Maßstäben der Evidenzbasierung und Qualitätssicherung allen zugutekommen sollten.

Zugegeben: Das ist jetzt sehr verkürzt wiedergegeben; sein jüngstes Gutachten ist knapp 400 Seiten dick. Es ist gerade erst zwei Tage alt. Wir werden es in allen Fachbereichen prüfen und zu gegebener Zeit näher darauf eingehen – möglicherweise in wenigen Wochen bei der nächsten Vertreterversammlung Anfang Mai. 

Und so komme ich zu meinem zweiten Beispiel: die Telematikinfrastruktur mit all den Startterminen und Sanktionen. In naher Zukunft schon wird es knirschen bei den durch Verschiebungen verdichteten Startterminen: elektronische Patientenakte (ePA), elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und eRezept stehen an – und noch immer fehlen Hardware und Software.

Nun wurde die bisherige Verzögerung bei der ePA schon zu „erweiterten“ Feldtests. Sie werden aber allenfalls zeitlich und quantitativ erweitert – nicht qualitativ. Wie wir hören, geht es dabei rein darum, ob die Technik an sich funktioniert. Aber nicht darum, ob die Praxis die ePA irgendwie sinnvoll befüllen kann. Es gibt zwar eine kleine Befragung zur Praktikabilität – aber ohne Konsequenzen, also ohne Nachbesserung vor dem Roll-out!
Die gematik interessiert sich allein für die Technik, nicht für die Anwendung.

Und die, die sich für die Prozesse interessieren, weil sie betroffen sind, sind in der Gesellschafterversammlung in der Minderheit. Wie wir hören, werden weitere Lieferverzögerungen diese Feldtest-Phase faktisch von einem Quartal auf zwei verlängern – mindestens. Die Auslieferung der Konnektoren ist noch nicht in Sicht.  Und nur ein überschaubarer Teil der gesetzlich Krankenversicherten hat mittlerweile eine ePA .

Der eben bereits erwähnte Sachverständigenrat hat im Übrigen prophezeit: „Die ePA wird nicht fliegen“ – zumindest nicht so, wie sie aktuell noch konzipiert ist. Er meint damit vor allem die sperrigen Zugriffsrechte, spricht vom Risiko löchriger Akten. Und schlägt stattdessen ein Opt-Out-Verfahren vor, das heißt: Praxen hätten grundsätzlich Zugriff und Patientinnen und Patienten müssten im Einzelfall aktiv sortieren und einschränken.

Zurück zu den Lieferverzögerungen bei den ePA-Konnektoren: Die gematik ist zwar bemüht, sie als Chance zu verkaufen. Sie nutzt diese gewonnene Zeit aber nicht positiv. Stattdessen macht sie Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu ihren Versuchskaninchen.

Und die Politik hält noch immer an den gesetzlichen Sanktionsterminen für die Praxen fest. Diese aktualisierte Zeitschiene zeigt, welche Wunder sie damit von den Praxen verlangt: Den Praxen ist es faktisch unmöglich, die Fristen einzuhalten. Und deshalb darf es dafür keine Sanktionen geben!

Sanktionen für oder „richtiger“: gegen die Praxen. Und ausgerechnet bei einem der größten Digitalisierungsprojekte der Republik scheint die Politik einfach auszublenden, dass wir alle seit einem Jahr gegen eine Pandemie ankämpfen.

Das heißt: Nach jetzigem Stand müssen Praxen zum 1. Juli ePA-ready sein. Sie brauchen auch einen KIM-Dienst und den elektronischen Heilberufsausweis, spätestens etwa für den Start der eAU zum 1. Oktober. Wer noch keinen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) beantragt hat, sollte das umgehend tun. Derzeit sind nämlich die Wartezeiten lang; teils mehr als zwei Monate. Wir sind schon in engem Austausch dazu mit dem BMG, damit der Praxisausweis, die so genannte SMC-B, noch länger auch ohne eHBA bestellbar bleibt. Hierzu haben wir gestern einen Brief ans BMG versandt. 

Wir fordern von den Kartenproduzenten: besseres Problembewusstsein, schnellere Lieferungen und regelmäßige Sachstandsinfos an die Kunden. In diesem Zusammenhang noch ein wenig Real-Satire: Während wir die Praxen dazu auffordern müssen, sich schnellstmöglich um einen solchen Ausweis zu kümmern – weil sie für die Produktions- und Lieferprobleme anderer auch noch bestraft werden könnten –, verkündet die gematik in ihrem Whitepaper: Derlei Karten sind längst überholt und bald nicht mehr im Einsatz. Super Timing!

Trotzdem kann ich nur raten: Praxen sollten nicht darauf vertrauen, dass die Fristen immer weiter verschoben werden. Auch wenn wir besser abgestimmte Termine weiterhin fordern: Die Politik muss Tempo rausnehmen. Es ist ganz objektiv zu viel, was da auf alle in kürzester Zeit einprasselt.

Die Industrie kommt nicht hinterher, und die Praxen werden dafür bestraft. Seit gut zwei Jahrzehnten versteifen sich die politisch Verantwortlichen auf eine destruktive Sanktionierungspolitik: gegen die ohnehin schon Betroffenen und nicht gegen die Problem-Verursacher. Das steht im krassen Kontrast zu den Verheißungen der Politik und der Industrie – und der gematik.

Damit bin ich bei Beispiel 3: der Komfortsignatur. Also der Funktion, mit der Sie beim Start der Sprechstunde nur einmalig den PIN-Code Ihres eHBA eingeben müssen, um damit bis zu 250 eAUs, eRezepte et cetera schneller signieren zu können. Es ist also eher eine „effiziente Signatur“; sie heißt nun aber landläufig Komfortsignatur. 
Sie sollte mit dem Beginn des Julis starten – wie ja auch die Stapelsignatur.

Die gematik hat nun aber ihre Anforderungen an die Komfortsignatur so formuliert, dass sie alles andere als effizient wäre: Bei jedem Wechsel zwischen den Behandlungszimmern müsste der Arzt wieder den PIN zum eHBA eintippen. So ist das ganz eindeutig keine Komfort-Signatur!

Deshalb haben wir uns gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) dafür stark gemacht, dass das BMG auf die gematik einwirkt, um eine praktikable Komfort-Signatur zu erhalten, die den Namen verdient. Und zwar rechtzeitig für den Start der eAU Anfang Oktober. Das BMG hat bereits schnell auf unsere Intervention reagiert und einen Vorschlag gemacht, der eine Lösung verspricht. Die Details muss nun aber erst noch die gematik ausarbeiten.

Für die eAU haben wir in dieser Woche einen Feldtest initiiert. Das halten wir für sehr wichtig; und so freue ich mich, dass die gematik-Gesellschafterversammlung unseren Beschlussvorschlag angenommen hat. Im Zentrum dieses Feldtests steht für uns nicht nur die Funktionstüchtigkeit der Technik, sondern ganz klar auch die bruchlose Einbindung ins Praxisverwaltungssystem (PVS) und in die Praxisabläufe.

Beispiel 4 für die Art der Digitalisierung: wieder die gematik und diesmal ihr Umgang mit ihren Gesellschaftern. Ohne Zustimmung ihrer Gesellschafter hat die gematik eine Zukunftsvision für die Telematikinfrastruktur 2.0 ausgerufen. In Interviews verkündet die Geschäftsführung, man denke Angebot und Auftrag der gematik komplett neu. Trotzdem – so versichern sie – habe das Gesellschaftermodell weiterhin Zukunft. Das nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis. 

Aber: Sollen in dieser Zukunft öffentliche Äußerungen nun denselben Stellenwert haben, wie Gesellschafterbeschlüsse? Will sich die Geschäftsführung der gematik mit Pressemitteilungen und Interviews gar über die Beschlüsse ihrer Gesellschafter hinwegsetzen? Dagegen haben wir gemeinsam mit den weiteren „echten Gesellschaftern“ einen Beschlussvorschlag in die gematik eingebracht, der – in unseren Augen – Selbstverständlichkeiten festhält: zu Rollenverteilung und Umgang miteinander. Dieser Beschluss fand jedoch leider keine Mehrheit. 

Wie mit der vorhin erwähnten Äußerung zur kurzen Halbwertszeit der Karten: Derart unbedacht löst die Geschäftsführung der gematik nur Verunsicherung in den Praxen aus! Ärzte und Psychotherapeuten fragen sich jetzt, ob es sich noch lohnt, einen Hardware-Konnektor anzuschaffen – oder ob sie all den Aufwand der vergangenen Monate völlig umsonst betrieben haben, wo doch angeblich bald nur noch Software-Konnektoren in Betrieb sein sollen, der sogenannte Zukunftskonnektor.

Weil: schneller und billiger zu produzieren, was vor allem Politik und GKV gefällt. Wir – als echte Gesellschafter der gematik – können Ihnen darauf keine Antwort geben. Vielleicht warten wir einfach die nächste Pressemitteilung der gematik ab. 

So jedenfalls bleiben zu viele Fragen unbeantwortet: 

 

  • Software ist grundsätzlich weniger sicher, als die Kombi Hardware und Software. Wer fängt also den wegfallenden Schutz auf? Die Praxen? Mal wieder? Erhöht dann das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) seine Anforderungen an unsere IT-Sicherheitsrichtlinie?Es wäre ein Treppenwitz, wenn der Hardware-Konnektor abgeschafft würde – um dann die Praxen dazu zu zwingen, neben einem Software-Konnektor auch noch eine zusätzliche Hardware-Firewall kaufen zu müssen.

Weitere Fragen:

  • Wie schnell kann der Zukunftskonnektor – realistisch! – in den Praxen sein?
  • Was geschieht mit den Konnektoren, die im kommenden Jahr nach fünf Jahren ihre Betriebserlaubnis verlieren?
  • Womit werden sie ersetzt? Wer bezahlt?

Dass Politik und gematik all diese Fragen noch unbeantwortet lassen, aber die gematik bereits darüber informiert, wie ausrangierte Konnektoren richtig zu entsorgen sind, beweist bestenfalls Humor…
…aber vor allem auch fehlendes Feingefühl für die Bedürfnisse und Belange der Praxen. Und: eine frappierende Praxisferne.

Ein Hausarzt sagte uns neulicht: „Ich war von Anfang an überzeugter Verfechter der TI. Aber inzwischen ist das nur noch Chaos. Ich bin zutiefst enttäuscht.“ 

Beispiel 5: die Reaktionen auf unseren KIM-Dienst kv.dox. Ärztinnen und Ärzte haben uns berichtet, dass ihnen mitgeteilt werde: kv.dox sei nicht kompatibel mit ihrem PVS. Dadurch fühlten sie sich praktisch dazu gedrängt, auf kv.dox zu verzichten. Wir erwarten hier eine öffentliche Klarstellung von der gematik.

Insgesamt können wir mit kv.dox aber ein positives Zwischenfazit ziehen: Wir haben rechtzeitig geliefert und sowohl einen Qualitätsstandard als auch eine preisliche Benchmark gesetzt. Ganz in diesem Sinne war die Entscheidung, einen eigenen KIM-Dienst für Ärzte und Psychotherapeuten zu entwickeln, vor allem eine strategische. 

Vielleicht kann das auch ein Modell für andere Bereiche sein. Wir wollen aber nicht den Job der Industrie übernehmen. Wir wollen zeigen, dass manche Dinge eben auch einfach, schnell und kostengünstig gehen – wo „einfach“ angemessen ist und auch funktioniert. 

Ein positives Beispiel hierfür: Unser schlankes Tool zur Impf-Dokumentation. Damit können die Praxen schnell und einfach melden, wie viele Erst- und Folge-Impfungen sie an diesem Tag jeweils verabreicht haben – aufgeschlüsselt nach Impfstoff und Altersgruppe über 60. 

An dieser Stelle auch ein expliziter Dank an die KVen für das Föderierte Identitäts-Management – um das uns viele beneiden. Dank und Lob auch an die KBV-IT für die schnelle Software-Entwicklung! So stellen wir uns Digitalisierung vor: schlanke Lösungen, konsequent durchdacht und ohne überbordenden Zusatz-Aufwand. Es geht nicht darum, dass wir alles selbst entwickeln wollen. Aber wir müssen diejenigen sein, die die Vorgaben machen. Schließlich wissen wir in den KVen und in der KBV, wie es in der Praxis aussieht.

Als der Gesetzgeber uns bei Kommunikation im Medizinwesen (KIM) als neuen Markt-Player eingeführt hat, hat er das ganz bewusst getan: Er wollte damit einen echten Wettbewerb ermöglichen. Dabei hat er aber eines außer Acht gelassen: mit welch harten Bandagen manche Wettbewerber sich dagegen wehren, dass auch wir einen KIM-Dienst auf den Markt bringen. 

Umso wichtiger, dass ein ganz aktuelles Feld nicht allein der Industrie überlassen wird: der digitale Covid-Impf-Nachweis nach EU-Vorgaben. Das ist nicht trivial: Mit einer Smartphone-App für die Bürgerinnen und Bürger ist es nicht getan.

Die Praxen müssen einen personalisierten QR-Code dafür generieren können; notfalls auch ausdrucken. Hierfür brauchen sie bruchlos ins PVS integrierte Funktionen, um nicht alles doppelt machen zu müssen. Ihre Praxis-Daten und die Berechtigung zur Ausstellung des Impf-Nachweises müssen auf einem zentralen Server hinterlegt sein. Nur so ist auch EU-weit am Flughafen-Check-In oder beim Stadion-Einlass der Abgleich möglich. 

Ich sehe hier die Gefahr, dass eine enorme Welle auf die Praxen zurollt, wenn Impf-Nachweise für Reisen, Gastronomie oder Kultur zur Bedingung werden. Die Software kommt frühestens in acht Wochen. Bis dahin fließt der Impfstoff hoffentlich ausreichend in die Praxen.

Da darf kein Bürokratie-Tsunami über die Praxen hereinbrechen! Auch nicht für nachträgliche Nachweise – für die dann möglicherweise zehn Millionen Menschen, die bis dahin geimpft wurden, oder eine Covid-19-Infektion durchlaufen haben.

Zwei Dinge sind für uns dabei klar:

  1. Der Impf-Nachweis darf keinen Hemmschuh in die Praxen bringen. Denn:
  2. Das oberste Ziel – schnell durchzuimpfen – darf nicht noch weiter ins Stocken geraten.

Wir haben nur eine Chance, die Praxen so gut wie möglich durch diese Herausforderung zu begleiten, wenn wir – das KV-System – weitgehend die Bedingungen für die Umsetzung vorgeben! Das haben uns jüngste Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Impfgeschehen gelehrt.

Eine Lehre, die die Politik nun endlich aus den zurückliegenden Monaten ziehen muss. Sie muss die Hemmnisse der Digitalisierung bei den Wurzeln packen! Mit einer Handvoll To-Dos:

  • Zeitpläne realistisch nachjustieren.
  • Den Markt, wo nötig, wirkungsvoll regulieren.
  • Von Sanktionen gegen die Betroffenen als Methode abrücken.
  • Die Vertragsärzteschaft respektieren und involvieren.
  • Und die Grundlagen für eine angemessene Finanzierung schaffen.

Während der Gesetzgeber Milliarden in die Digitalisierung von Krankenhäusern steckt, sollen die Praxen die gesetzlich angeordnete Digitalisierung für alle mitbezahlen. Beziehungsweise: anderswo einsparen.

Zu dem Nicht-Ergebnis im Erweiterten Bewertungsausschuss hat Andreas Gassen ja bereits ausgeführt. Was haben Hygienekosten mit den Kosten für die Digitalisierung zu tun? Diese abenteuerliche Vermischung hat uns – freundlich formuliert – völlig erstaunt. Null Euro lautete das Angebot! Ich sage es noch einmal: null Euro!

Da gibt es nichts zu deuteln. Das kommt bei den Praxen ganz eindeutig an: als arrogant und respektlos, in völliger Unkenntnis der Praxisrealität – und der notwendigen und/oder vorgeschriebenen Investitionen.
In unserer Forderung bleiben auch wir eindeutig: Zusätzliche Digitalisierungskosten, die durch gesetzliche Pflichten entstehen, müssen den Praxen erstattet werden.

Der bereits erwähnte Sachverständigenrat konstatiert: Investments in Digitalisierung lohnten sich gesamtgesellschaftlich. Und findet in diesem Zusammenhang: Die Investitionen in die Digitalisierung sollten mittelfristig: „bei der Honorierung ambulanter Leistungen strukturell angemessen berücksichtigt werden.“

Die Gesellschaft kann das Digitalisieren der Gesundheitsversorgung nicht allein auf die Praxen abwälzen. Erst recht nicht in diesen Zeiten, in denen wir sehen, wie sehr sie die Praxen braucht. 

Vielen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.