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Mitschnitte der Redebeiträge von KBV und BÄK

Dr. Andreas Gassen (Vorstandsvorsitzender der KBV)

Dr. Andreas Gassen
Vorstandsvorsitzender der KBV

Das Verhalten des GKV SV mutet ja ein bisschen so an, als wenn jemand in die Kneipe kommt, Freibier für alle fordert, kein Geld in der Tasche hat und den Deckel vom letzten Mal noch nicht bezahlt hat. Das ist schon bemerkenswert.
So eins ist zumindest klar geworden die Abschaffung der Neupatientenregelung und damit die vollständige Finanzierung, ist ja kein Bonus, sondern einfach nur, dass diese Leistung tatsächlich mal zu 100% bezahlt werden. Dem entsprechend passt das eben nicht zum Versprechen des Gesundheitsministers Lauterbach, es werde keine Leistungskürzung für Patienten durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetzt geben. Tatsächlich ist es sogar noch Ärger. Die Versicherten werden höhere Beiträge zahlen müssen, und gleichzeitig Abstriche beim Versorgungsangebot hinnehmen müsse, zumindest beim ärztlichen und psychotherapeutischen. Im Kiosk wird das möglicherweise anders sein. Es ist an der Zeit, dass Politik hier endlich mit offenen Karten spielt. Das ist nämlich das Mindeste, was wir den Bürgerinnen und Bürgern in dieser ohnehin für viele sehr schwierigen Zeiten schuldig ist. Der Vertrauensverlust der Praxen in die Politik ist meines Erachtens ohnehin schon fast nicht wiedergutzumachen.

Das zeigen auch die vielen Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen die uns erreicht haben und von denen wir gleich noch einige hören werden. Die politisch herbeigeführte Verknappung eines bestehenden, verbesserten Angebots für die Patienten ist das eine, etwas Anderes und das ist ausnahmsweise Mal nicht politisch zu verantworten, ist die fast schon pathologische Weigerung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung, für die Versorgung der Versicherten insgesamt das erforderliche Geld zur Verfügung zu stellen und das seit Jahren. Um es ganz deutlich zu sagen, ein Verhandlungsangebot von Null ist ja kein Angebot, und das wird auch nicht dadurch besser, dass man es jedes Jahr mit immer neuen phantasievollen Erläuterungen garniert. Null ist eben nichts, das kein Angebot. Wir brauchen nicht verhandeln. Das ist kürzt die Sache an der Stelle enorm ab. Die Dreistigkeit, mit der der GKV-Spitzenverband, aber zum wiederholten Mal mit dieser totalen Verweigerungshaltung in sogenannte Verhandlungen einsteigt, zeigt nicht nur eine tiefe Missachtung der ärztlichen und psychotherapeutischen Arbeit, sondern auch gegenüber der Rolle der Selbstverwaltung, die man an der Stelle tatsächlich langsam hinterfragen muss.

Der wäre nämlich per Gesetz gemeint, zur Festlegung von Preisen für ärztliche und psychotherapeutischen Leistungen verpflichtet sind. Und wie ich bereits sagte, der Begriff Honorarverhandlungen trifft es ja gar nicht. Es geht ja nicht um den ärztlichen Lohn. Das ärztliche Gehalt, den ärztlichen Gewinn, sondern es geht um den Erhalt der Struktur der ambulanten Versorgung und um die Finanzierung von Leistungen für immerhin 73 Millionen Menschen. Aber das Thema Versorgung liegt dem GKV SV nicht so wirklich am Herzen, hat man den Eindruck, und das beweist er auch immer wieder. Denn ansonsten müsste auch der GKV SV anerkennen, dass die Praxen an allen Ecken und Enden zu kämpfen haben. Ein paar Zahlen: die Kosten für den Praxisbetrieb sind in den Jahren 17 bis 20 um im Durchschnitt 13% gestiegen. Das ist ein Anstieg von 142.000,00 Euro Durchschnittskosten auf 160.000,00 Euro Durchschnittskosten. Und das bei einer Inflation, die eigentlich in diesem Zeitraum bei nur 3,7 % lag und im laufenden Jahr 22 ist mit weiteren 12.700,00 Euro mehr Kosten pro Praxisinhaber zu rechnen. Der größte Ausgabenblock sind natürlich Gehälter für Personal und viele andere Glückseligkeiten, wie beispielsweise Telematik, Infrastruktur, wo wir mit immer neuen, nicht funktionierenden Gimmicks beglückt werden. In der Pandemie, aber nicht nur dort, haben zum Beispiel die technischen Fachangestellten mit den Praxen Herausragendes geleistet. Und die finanzielle Anerkennung dafür ist berechtigt, aber sie muss von den Praxen aus eigener Tasche bezahlt werden, weil für die Mitarbeiter in den Praxen gab es keinen Bonus. Die meisten Praxen haben das getan, erstmal, weil sie wissen, was sie an ihren Mitarbeitenden haben. Zweitens, weil sie irgendwie die Versorgung hinbiegen müssen, aber es ist doch ein no brainer, um es mal im neuen Deutsch zusagen, bei weniger Personal heißt weniger Termine für Patienten, das ist eine relativ einfache Gleichung. Da fällt mir der Bundeswirtschaftsminister ein, der für uns alle ja noch mal verständlich erklärt hat, was diese ganzen Herausforderungen für Betriebe bedeuten. Die gehen nicht insolvent, nein die Praxen, die werden auch nicht insolvent gehen, sie machen vielleicht einfach keine Versorgung mehr. Aber dann ist das ja auch nicht mehr so bedrohlich. Es kann einem ja an der Stelle tatsächlich langsam angst und bange werden, wenn man sich die politische Rahmensetzung in diesem Land anguckt und diejenigen die dieses umsetzen. Und weil das nicht genug ist, haben wir erst eine Pandemie und jetzt gibt es einen Krieg in Europa, und jetzt könnte man noch meinen, mit kindlicher Naivität, in Zeiten wie diesen wäre der gesellschaftliche Zusammenhalt und die sogenannte Daseinsfürsorge eines Staates für die elementaren Bedürfnisse der Bevölkerung, und dazu gehört ja wohl unzweifelhaft die Gesundheitsversorgung, das wichtigste Ziel der verantwortlichen Akteure.

Stattdessen legt man die Axt genau an diese Struktur an, die das soziale Netz im Prinzip noch zusammenhält. Die Niedergelassenen an dieser Stelle ganz klar: Kommt das Gesetz so wie geplant, werden wir gezwungen sein, Termine und Sprechstunden zurückzufahren mit entsprechenden versorgungsrelevanten Konsequenzen. Für die Patientinnen und Patienten wird das zu längeren Wartezeiten und zu Problemen führen, überhaupt einen Termin zu bekommen, insbesondere in Regionen mit wenig Praxen und zu den vielen Unsicherheiten dieser Zeit kommt dann noch eine weitere, eigentlich vermeidbare hinzu. Meine Damen und Herren, dieser Staat gibt Milliarden Euro für Corona-Bürgertestung aus, eine Strukturförderung für die organisierte Kriminalität, es werden Milliarden für eine dysfunktionale Telematik Infrastruktur ausgegeben, und ob dieses Irrsinns nicht genug wäre, werden wir deshalb demnächst noch ganz neue ambulante Strukturen erleben: Gesundheitskioske, möglicherweise eine Geschäftsidee für die, die ihre Testzentren zu machen müssen, die können dann ins Kiosk umschwingen. Das ist ein Stück wie aus dem Tollhaus, aber für den Erhalt der wohnortnahen ärztlichen, psychotherapeutischen Versorgung, die ihresgleichen sucht im europäischen und auch im weltweiten Ausland, ist kein Geld vorhanden. Sie ist quasi der Streichposten. Und man kann, glaube ich, davon ausgehen, dass die jetzigen Sparpläne nur ein müder Aufgalopp sind, denn Herr Lauterbach hat ja selber schon gesagt, dieses Stabilisierungsgesetz wird bestenfalls ein Anfang sein und für ein Jahr reichen und insofern können wir davon ausgehen, dass jetzt die ambulante Versorgung Stückchen für Stückchen abgewrackt wird. Und das muss man glaube ich, auch dann klar und deutlich so sagen.

Natürlich hat man das KV-System auch gesetzlich in einen Rahmen gezwängt, der es bezüglich der Möglichkeiten Protest etc. zu organisieren sehr eng macht. Sie erinnern sich alle, es gab die Gesetzgebung basierend 31. 1995, wo wir uns mal geeinigt haben, dass die Praxen auf ihr Streikrecht verzichten. Dafür wurde ihnen aber auch das Monopol der ambulanten Versorgung zugestanden. Wenn wir uns das heutzutage anschauen, dann sind wir auch nicht die einzigen, die ihren Vertragsteil noch einhalten.
Das muss man an der Stelle deutlich sagen, wenn die grundlegende Bedingung für einen solchen Vertrag wegfallen, wenn wir keine Möglichkeit mehr haben, diesen Auftrag zu erfüllen, kann eine stabile Grundlage mehr für Praxen da ist, zu planen, wirtschaften zu können, dann müssen wir und das ist das Mindeste, was wir als Körperschaft tun können, den Alarmknopf drücken und sagen: Hier läuft etwas gewaltig schief! Hier besteht eine reale, unmittelbar drohende Gefahr, dass der Versorgungsauftrag für die Menschen in Deutschland nicht mehr erfüllbar sein wird. Ich sage der Sicherstellungsauftrag wird damit verunmöglicht. Das wird gar nicht funktionieren können. Die Ampel-Parteien haben sich das Ziel der Stärkung der ambulanten Versorgung in den Koalitionsvertrag geschrieben. Das ist schon bemerkenswert. Jetzt sind sie offensichtlich dabei, gemeinsam zum Totengräber eben genau dieser Versorgung zu werden. An der Stelle würde ich an Stefan Hofmeister übergeben.

Dr. Stephan Hofmeister (Stellvertr. Vorsitzender der KBV)

Dr. Stefan Hofmeister
Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, auch draußen an den Bildschirmen, ich begrüße Sie hier im Saal zum Livestream und zur heutigen Veranstaltung. Andreas Gassen hat das eben gesagt, wir erleben unsichere Zeiten, betrifft Europa, betrifft die ganze Welt, und das betrifft auch uns hier in Deutschland spürbar. Das betrifft viele gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche. Jede Bürgerin, jeder Bürger wird dazu aufgerufen, einen Beitrag zu leisten, damit wir durch diese Krise oder Krisen, im Plural muss man ja schon sagen, kommen. Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung muss gespart werden, und als Streikposten muss wieder einmal die ambulante Versorgung herhalten.

Das hat Andreas Gassen schon gesagt. Eine neue Idee hat man nicht. Uns Ärztinnen und Ärzten wird gerne vorgeworfen: Wir jammern auf hohem Niveau, und wir gehörten doch zu den Privilegierten und sollten nicht gleich den Untergang des Abendlandes beschwören, sobald es ums Geld geht. Das ist ein perfider Vorwurf, und genau das ist der Punkt! Es geht hier nicht um unser Geld, sondern es geht um die Frage, welchen Wert?

Wortwörtlich, wie im übertragenen Sinne die gesundheitliche Versorgung der Menschen hierzulande hat und um die Frage, ob und wie Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeuten und Psychotherapeuten befähigt werden, diese Versorgung aufrecht zu erhalten. Es geht um den Erhalt der Struktur der ambulanten Ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung. Bei den Krankenhäusern scheint das der Politik immer einzuleuchten. Das ist eine Struktur.

Was sie immer vergisst ist, dass wir über 110.000 kleine hoch agile mobile und, die in Corona bewiesen, extrem flexible Strukturen haben. Das ist ein ganz großer Bienenstock, der wunderbar zusammen funktioniert.

Die Diskussion um die Neupatientenregelung ist dabei nur ein Kulminationspunkt oder wie vorhin schon in der Zuschrift der Kollegin an Minister Lauterbach gehört: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Doch auch hier begegnen wir wieder der Öffentlichen Darstellung, dass es ja nur um zusätzliches Geld für die Ärzte gehe, auf welches diese gerade in der angespannten Finanzlage jetzt doch wirklich mal verzichten können.

Und ich schiebe hier etwas ein, wenn es darum geht, dass wir in einer Wirtschaftskrise von ungeheurem Ausmaß Solidarbeitrag gut verdienen wollen, dann stehe ich hier und sage: Dann macht das über einen Solidarzuschlag, über eine temporäre Steuererhöhung, ich denke allerdings an die Sektsteuer von Kaiser Wilhelm, dann macht es ehrlich, aber nicht so. Das ist getriggert durch die entsprechende Verlautbarung des GKV Spitzenverbandes mit der Rede von Bonuszahlungen oder Prämien, auch ich erwähne das nochmal, eine Unverschämtheit, denn uns sind weder Bonusregelungen noch Prämien für irgendwas gewährt worden. Auch wenn sie das im Raum schon alle wissen, sage ich es noch mal: Die neue Patienten Regelung oder EGV stellt lediglich sicher, dass die Arbeit die sie mit den Patientinnen und Patienten haben, zu dem vollständigen Satz der vereinbarten Gebührenordnung bezahlt wird, ohne Rabatt. Eine solche Einlassung in einer Pressemitteilung des GKV-Spitzenverbandes ist also unwahr und unverfroren. Und ich komme nicht drum herum, es ist ja fast wie Kabarett oder Heute Show, den Minister noch mal aus seiner Rede als Abgeordneter zu zitieren. Ist auch ein schönes Deutsch. „Das ist eine Bezahlung, die höher ist, aber richtig ist, weil es entspricht den Kosten.“ Auf diese Aussage haben wir uns als KBV, Sie als KV und meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie als diejenigen, die die Versorgung leisten, verlassen und werden wieder mal enttäuscht! Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem die ambulanten Praxen mit ihren Teams, nicht die Funktionäre hier auf dem Pult, ganz klar sagen: Es geht nicht mehr! Und das werden auch die Patientinnen und Patienten spüren. Und das Irrste ist an der Situation, ist das weiß doch auch jeder Landrat und jeder Regionalpolitiker und Bürgermeister, die kommen doch zu uns, zu Ihnen und beklagen sich, dass es nicht mehr läuft. Und ich habe gestern in einer Pressekonferenz das Beispiel genommen als Arzt, wenn ein Mensch Durchblutungsstörungen im Bein hat, dann amputiert ich nicht zuerst das Bein, sondern dann versuche ich die Durchblutung zu verbessern.
Das Letzte, was ich mache, ist die Durchblutung zu drosseln, weil ich dann amputieren muss. Und das ist das, was hier passiert.

Wir stehen an einem Punkt, an dem dieses ambulante System, um das uns viele in der Welt beneiden und ohne das wir nicht so durch die Pandemie gekommen wären, auf der Kippe steht. Auch ich möchte gerne drei der vielen Zuschriften zitieren, die uns erreicht haben. Es sind Zitate von hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die auf den ersten Blick von der Rücknahme der Neupatientenregelung gar nicht finanziell betroffen sind und daher umso beeindruckender. Und ich nutze das auch, um sowohl den vielen Landesverbänden des Haushalts Verbandes, als auch unserem BFA-Hausärzte als auch der Psychotherapeutenkammer zu danken, dass sie sich hier völlig solidarisch auch für eine Regelung einsetzen, die sie primär und auf den ersten Blick nicht betreffen. Alle mit dem Argument: Das geht uns alle an, so kann man mit uns nicht umgehen. Und liebe Politik, das Auseinanderdividieren klappt nicht mehr wie früher, merken Sie sich das!

Erstes Zitat und hören Sie genau hin. „Ich bin die jüngste allgemeinärztliche Kollegin in einer sehr ländlich gelegenen Kleinstadt in Oberschwaben. Die letzten Monate habe ich mehrfach überlegt, meine Praxis zu schließen.“ Die jüngste, allgemein ärztliche Kollegin, das ist der Nachwuchs, den wir haben. „Habe ich überlegt, meine Praxis zu schließen, da ich mich davor fürchte, irgendwann der einzige Arzt“, die gendert nicht mal, „zu sein, und nicht Last Man Standing.“ Auch schön. „Lieber der erste, der die Fahne schmeißt, solange es noch geht und ich nicht zwangsverpflichtet werde. Wir lehnen täglich die Neuaufnahme von Patienten ab, die Patienten sind verzweifelt, aber wir können nicht mehr. Wir haben jetzt die Impfung völlig eingestellt. Die Abstriche, die Kindervorsorge, die Hautkrebsvorsorge. Wir schaffen es kaum auch nur die Patienten zu versorgen, die Schmerzen haben oder akut schwerkrank sind.
Und die Erschöpfung der Kraft und Ressourcen war vor Corona schon da und Corona hat den letzten Tropfen rausgequetscht. Jetzt ist Ende. Hilfe.“ Zitat Ende.

Ein anderer Kollege schreibt folgendes: „Mit der Abschaffung der Neupatientenregelung wird es für mich als Alleinversorger in meinem Dorf, welches mitten in der Heide liegt und deren nächst erreichbare Krankenhäuser mindestens 20 Kilometer entfernt sind, nicht mehr möglich sein, meine Patienten zeitnah weiter zu vermitteln.
Das gefährdet die Gesundheit der mir anvertrauten Menschen.“ Zitat Ende.

Eine weitere Kollegin schreibt an Minister Lauterbach: „Ich praktiziere seit vielen Jahren als Hausärztin im äußersten Nordosten von Sachsen, fast an der Grenze zu Polen. Mittlerweile ist die Region total unterversorgt, weniger als 75%. Die wenigen verbliebenen Kolleginnen und Kollegen sind wie ich Anfang Mitte 60, viele 1000 Patienten finden keinen Hausarzt mehr. Das Signal, welches Sie mit der Streichung der Neupatientenregelung setzen, ist für unseren Berufsstand verheerend. Unter diesen Umständen werde ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bald das Handtuch werfen. Ich habe einfach keine Lust mehr, mich aufzuopfern, den Mangel auszugleichen und dann auch noch drauf zu zahlen.“ Zitat Ende.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das sind Originalzitate von denen, die da draußen arbeiten, nicht von einem gut bezahlten Funktionär in Berlin, darauf möchte ich noch mal hinweisen. Diese Ausführungen verdeutlichen etwas, was wohl für die allermeisten Praxen landauf und landab gilt. Sie versuchen seit Jahren, mit ihren Teams bestmöglich ihre Arbeit zu machen und für ihre Patientinnen und Patienten da zu sein, trotz aller Knüppel, die ihnen immer wieder zwischen die Beine geworfen werden. Das hohe ärztliche Berufsethos und das Verantwortungsgefühl für die Patienten, die sich uns anvertrauen, lässt uns scheinbar keine andere Wahl. Das ehrt uns auch. Wenn aber immer mehr Praxis, Inhaberin und Inhaber sagen, „wir tun uns das nicht mehr an“, und wenn der ärztliche Nachwuchs ebenfalls sagt, „das tun wir uns nicht an“, und wenn auch die dringend erforderlichen nicht ärztlichen Teammitglieder in den Praxen zunehmend verloren gehen, dann öffnet die Politik hoffentlich endlich die Augen.

Und dann muss sie vielleicht erkennen, dass die Wartezimmer voll und die Sprechzimmer zunehmend leer sind. Und, meine Damen und Herren, die Anstellung löst das auch nicht, denn Angestellte, Ärzte und Ärztinnen, wenn wir sie gewinnen, müssen ja auch irgendwo arbeiten und von irgendwas bezahlt werden. Das heißt, diese Sackgasse führt nirgends hin. Hier wird die Struktur der ambulanten ärztlichen Versorgung in Deutschland zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger und von Patientinnen und Patienten ausgehöhlt, ja geradezu abgewrackt. Und jeder kann es beobachten! Hatte schon gesagt, fast jedem Landrat oder Bürgermeister ist das klar, und es ist klar, dass sich die Situation prekär entwickelt. Und jetzt soll genau dieser Struktur Geld weggenommen und eingespart werden, wo doch im Gegenteil intensiv investiert werden müsste, um das Versorgungsniveau für die Patientinnen, Patienten einigermaßen erhalten zu können und den Trend, den wir zweifelsfrei haben, umzukehren. Das ist das, was jeder vernünftige Mensch tun würde. Und wenn nicht, dann gibt es in Zukunft vielleicht noch einen Gesundheitskiosk, den die Patienten aufsuchen können oder ein Tele-Arzt, der irgendwo ein Callcenter sitzt. Spätestens dann werden die Bürgerinnen und Bürger sich an die Politiker wenden und fragen: Was habt ihr da gemacht? Und wenn die Politik dann auf KBV und KVen zeigt und uns vorwirft, wir wären unserem Sicherstellungsauftrag nicht nachgekommen, dann werden wir zumindest sagen können, dass wir unter anderem an dem heutigen Tag, aber auch sonst schon oft, genau davor gewarnt haben.

Dr. Thomas Kriedel (Mitglied des Vorstands der KBV)

Dr. Thomas Kriedel
Mitglied des Vorstandes

Ganz kurz vielleicht nur das Thema Digitalisierung TI. Heute hat uns das in jedem Brief, den wir bekommen haben, auch als Thema erreicht. Sie haben es eben auch angesprochen, Ich will den ganzen Vortrag reduzieren. Sie alle haben in den Praxen damit zu tun, dem täglichen Ärger der Digitalisierung. Darüber müssen wir gar nicht reden. All die Kollegen draußen, die zuschauen, die wissen das ganz genau.

Und was ich sagen will, es ist eigentlich völlig unzumutbar, um nicht ein anderes Wort zu gebrauchen. Es wird das Honorar gekürzt, es werden Kosten nicht mehr ausgeglichen. Gleichzeitig müssen Sie auch noch Ihre Praxiszeiten indirekt reduzieren, indem Sie selbst als Praxisinhaber und Ihre Mitarbeiter gezwungen sind, es mit einer dysfunktionalen TI zu arbeiten und die umzusetzen. Wenn Sie das nicht tun, können Sie überhaupt nicht mehr Patienten versorgen und insofern nur das Wort an den Minister, an die Politik:

Lassen Sie uns die Zeit, mindestens ein Moratorium, und setzen Sie dann eine funktionale TI auf. Die Ärzte warten darauf, sie wollen die Praxen besser führen. Sie wollen den Vorteil haben, den Digitalisierung bringen kann, aber nicht so auf dem Niveau, wie es heute ist. Vielen Dank.

Dr. Klaus Reinhardt (Präsident der Bundesärztekammer)

Dr. Ulrich Casser (Dezernent der KBV)

Dr. Ulrich Casser
Dezernat Vergütung und Gebührenordnung

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte diese thematische Einführung recht kurz und einfach halten, aber angesichts des Themas, es geht um nichts Geringeres als die Finanzierung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung von GKV-Versicherten. Und Sie wissen das genauso gut wie ich, dass es ein sehr komplexes Gefüge. Einfach geht da eigentlich gar nicht. Deswegen sehen Sie es mir nach, wenn ich auf Zahlen und auch Berechnungen zurückgreifen muss, durch die ich gerne führen möchte.

Es sind heute zwei Themen herauszugreifen, die derzeit gerade in Bearbeitung, Verhandlung und Diskussion sich befinden. Das ist zum einen die Aufhebung der Neupatientenregelung. Herr Dr. Gassen hat es gerade gesagt, die uns das TSVG, das Terminservice- und Versorgungsgesetz aus dem Jahre 2019 zum 01.09.2019, also gerade mal drei Jahre her, beschert hat, die nun aufgehoben werden sollen.

Und das zweite Thema sind die Auswirkungen der derzeitigen Preisentwicklungen in Deutschland, die die Kosten auch in den Vertragsarztpraxen in die Höhe treiben und damit für die Zukunft im nächsten Jahr insbesondere für die Finanzierung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung von GKV-Versicherten Auswirkungen haben werden. Darüber würde ich Sie gerne thematisch einführen. Zunächst zur Neupatientenregelung. Was ist das TSVG überhaupt? Das hat uns das ja beschert im Jahre 2019, in Ergänzung zu dem, was Sie eben im Einspieler vom damaligen MdB Lauterbach gehört haben, hier das, was die Regierung dazu gesagt hat, die begleitenden Informationen vom damaligen Bundesgesundheitsminister. Es geht darum, die Wartezeiten für GKV-Versicherter in Arztpraxen zu verkürzen und das mit einem finanziellen Anreiz zu versehen.

Das ist das erste Statement als politisches Ziel, was in der Pressemitteilung seinerzeit in Begleitung zu diesem gesetzgeberischen Vorhaben verlautbart wurde. Als Größenordnung, die wir erwarten durften, für diesen finanziellen Anreiz ist bundesweit ein Volumen von 800 Millionen Euro vom damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Öffentlichkeit gesagt worden. Und daran wollen wir nun versuchen, das zu messen. Was ist aber die TSVG? Was sind die TSVG-Regelungen? Ich habe hier eine Tabelle vorbereitet, die links in der Spalte die vier Regelungen, die das TSVG aufgerufen hat, noch mal skizziert. Das erste ist die Neupatientenregelung, die heute in der Diskussion und Beratung steht. Für die Behandlung und Untersuchungen von Neupatienten in der Arztpraxis sollen extrabudgetäre Vergütungen gezahlt werden.

Darüber hinaus die offene Sprechstunde, zu dem grundversorgende Fachärzte verpflichtet wurden, diese anzubieten in einem Umfang von mindestens fünf Stunden die Untersuchungen und Behandlungen von GKV-Versicherten, die in dieser Zeit stattfinden, auch diese sollen extrabudgetär vergütet werden. Dafür sind alle Vertragsärzte, nicht nur diejenigen die die offene anbieten müssen, per Zulassungsverordnung als gesetzgeberische Maßnahme verpflichtet wurden, ihr Sprechstundenangebot insgesamt auf 25 Stunden anzuheben, auch das eine Regelung des TSVG.

Der dritte Aspekt ist die Hausarzt-Terminvermittlung. Der Hausarzt erhält für eine Terminvermittlung im fachärztlichen Versorgungsbereich eine zusätzliche Pauschale und die Untersuchung und Behandlungen, die der Facharzt bei diesen Patienten dann durchführt, wird der Facharzt extra budgetär vergütet und schließlich für die Termine, die die Termine-Servicestelle vermittelt, auch diese Untersuchungen und Behandlungen die in solchen vermittelten Terminen durchgeführt werden, werden extrabudgetär vergütet. Was heißt aber nun extrabudgetäre Vergütung? Vor allen Dingen heißt das nicht, dass das ein Bonus ist, so wie es gestern von der GKV bezeichnet worden war, sondern hier erhalten die Vertragsärzte die Bezahlung der Untersuchungen und Behandlungen, die der Bewertungsausschuss, also ein Gremium aus gesetzlicher Krankenversicherung und KBV kalkuliert hat.

Das was wir im Bewertungsausschuss also festgestellt haben, als Kostengröße für diese Untersuchungen und Behandlungen, die sollen so bezahlt werden, wie wir es ausgerechnet haben. Das ist der Hintergrund des TSVG, das ist der finanzielle Anreiz. Offenbart einmal mehr, dass die Versorgung innerhalb eines Budgets nicht dazu geeignet ist, die Kosten in der Arztpraxis zu decken, denn die Regel ist es in der vertragsärztlichen Versorgung, dass eben weniger bezahlt wird als das, was vergütet wird und daraus ergibt sich auch der finanzielle Anreiz.

Und den sehen Sie hier auf dieser Tabelle auch von seinen Anteilen her. Die erste Zahlenspalte zeigt das Volumen auf ein Jahr hochgerechnet aus den aktuellsten Zahlen die uns vorliegen, zur diesen Abrechnungen der TSVG-Regelungen, dass was also an die Vertragsärzte geflossen ist, 4,4 Milliarden Euro in einem Jahr. Der Hauptanteil 88%, das sind die 4,8 Milliarden Euro. Die 3,8 Milliarden Euro, die Sie hier in dieser Tabelle sehen, gehen auf die Neunpatientenregelung. Das ist also das Hauptinstrument dieses TSVG, um die Wartezeiten in Arztpraxen zu verkürzen bei GKV-Versicherten. Der Anreiz ist aber nicht in dieser Höhe, also in diesen 4,4 Milliarden Euro gegeben, sondern es wird verrechnet, was für die Neupatienten üblicherweise vergütet wird oder auch für die anderen Konstellationen.

Das sehen Sie in der zweiten Spalte, fachtechnisch ausgedrückt mit dem Begriff Bereinigung. Das wird also verrechnet mit dem, was Sie in der ersten Spalte sehen. Der finanzielle Anreiz, der zusätzlich in der Vergütung der Vertrags ärztlichen Versorgung ankommt, ist das, was Sie in der letzten Spalte sehen. Das ist die Differenz dieser beiden Zahlen, und das ist die Zahl, die wir mit dem vergleichen müssen, was der Bundesgesundheitsminister mit den 800 Millionen Euro als zusätzliche Vergütung gemeint hat.

Und Sie sehen hier 533 Millionen sind insgesamt aus der TSVG-Regelung bisher nach den aktuellen Zahlen hervorgegangen. Das hat sich also noch gar nicht in diesen drei Jahren komplett entfalten können. Drei Jahre ist auch keine lange Zeit. Insoweit ist da noch Ausbaupotenzial und das zu erwartende Potenzial ist noch längst nicht erreicht. Es sind noch 300 Millionen, die hier aufgeholt werden müssten, damit diese Regelungen auch ihre Potenzial entfalten können.

Eine erste Korrektur ist mit dem Arzneimittelgesetz erfolgt. Die Bereinigung ist aufgrund der pandemischen Entwicklung und der geringeren Inanspruchnahme in dieser Zeit in Vertragsarztpraxen korrigiert worden. Die Zahl 533 die Sie hier sehen und 415 viele Neupatienten, die sind eher überschätzt. Das wird korrigiert. Die Bereinigung wird höher werden, die Differenz dementsprechend kleiner, sodass wir damit schon einen Abbau dieser Vergütung in einem ersten Gesetzgebungsverfahren, was mittlerweile auch Gesetz und Recht ist, durchgeführt ist.

Nun kommt aber das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und das soll die Neupatientenregelung, also den Haupttreiber, das Hauptinstrument dieser TSVG-Regelung wieder abschaffen. Die Begründung dazu sehen Sie hier auf dieser Folie. Die bislang vorliegenden Zahlen lassen nicht darauf schließen, nach Aussage der Begründung im Regierungsentwurf zu diesem Finanzstabilisierungsgesetz, dass es zu einer Verbesserung der Versorgung der Patienten gekommen ist.

Also es wird behauptet hier, dass die Wartezeiten nicht verkürzt wurden. Es ist auch zu erwähnen, dass neben der Aufhebung der Neupatientenregelung zusätzlich auch ein Schlupfloch, was der Gesetzgeber entdeckt hat, was sich dann ergeben könnte, indem man die Neupatienten in die offene Sprechstunde überführt und dann die extrabudgetäre Vergütung erzielt, ist auch zugemacht worden. Der Gesetzentwurf sieht auch die unbefristete Bereinigung der Regelung der offenen Sprechstunde vor, was bedeutet, wenn mehr Bedarf dort generiert wird, wird das zusätzlich bereinigt, es ist also aus der MGV zu finanzieren und damit keine zusätzliche Vergütung und nimmt damit natürlich den Anreiz Patienten in offenen Sprechstunden zu behandeln.

Die Kritik an diesem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in diesem Punkt ist es, dass die Behauptung, die Regelung bei den Neupatienten hätte nichts gebracht, ist tatsächlich eine Behauptung. Dazu gibt es keine Studien. Es liegt nichts vor, was einer in vernünftigen Evaluation entgegenkommt. Den Aufwand, den das vertragsärztliche System dafür betrieben hat, sich umzustellen, eben Neupatienten vermehrt zu behandeln und frühzeitig zu behandeln. Dieser Aufwand ist nicht bemessen, das ist nicht erhoben. Und darüber hinaus gibt es auch die Evaluation dessen, was auf der Vergütungsseite passiert ist, mit dem was ich hier gerade dargestellt habe. Nur in dieser Form, der zusätzliche Anreize gegeben wird, ist bei 415 Euro auf der Basis der Abrechnung, aber von einer Evaluation kann man hier nicht sprechen.

Unser Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung hat im Juli bereits mal ausgewertet, was man aus den Abrechnungen ablesen kann, die sich aus dieser Regelung ergeben haben und hat genau das Gegenteil festgestellt von dem, was in der gesetzlichen Begründung steht, nämlich, dass die Behandlung zusätzlicher Neupatienten vermehrt stattgefunden hat. Die Datengrundlage war das vierte Quartal 2021 und das wurde verglichen mit der vorpandemischen Zeit viertes Quartal 2019.

Es sind deutlich mehr Neupatienten behandelt worden und auch die Behandlung für diese Patienten ist im Umfang gesteigert worden. Das ist eher ein Hinweis dafür, dass das Gesetz auch erfolgreich war und dafür auch der Aufwand betrieben wurde und dementsprechend auch bezahlt werden musste. Das ist der Ausdruck von diesen 415 Millionen Euro, die dafür zur Verfügung gestellt worden sind. Der zweite kritikwürdige Punkt ist, man hat es hier mit einer Vertragsärzteversorgung zu tun.

Ein recht komplexes großes Versorgungssystem für die Versorgung von 70 Millionen GKV-Versicherten in Deutschland. Das soll umgebaut werden. Das bedeutet ein Aufwand und dafür ist es wirklich gerechtfertigt und das hat der Gesetzgeber damals auch 2019 wahrgenommen und auch umgesetzt. Dieser Aufwand muss auch bezahlt werden. Was macht man jetzt aber mit der Aufhebung der Neupatientenregelung? Man entzieht diese Grundlage.

Der Aufwand wurde betrieben, aber man entzieht die Grundlage. Man wickelt das ja rück ab, sodass das Geld auch nicht mehr zur Verfügung steht, und das ist wirklich kritikwürdig, weil der Aufwand betrieben worden ist, aber die Kosten werden nicht beglichen, sondern sie werden wieder abgezogen. Und das bedeutet, auch vor dem Hintergrund dieses Punktes, tatsächlich für die Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung im nächsten Jahr das die Gesamtvergütung abgesenkt wird, um diese 415 Millionen Euro, Stand heute.

Das ist der erste Punkt, zu dem ich referieren möchte, thematisch einführen möchte. Der andere Punkt ist die Preisentwicklung in Deutschland, die hohe Inflation, die in allen gesellschaftlichen Bereichen derzeit wirkt und ihre Auswirkungen zeigt, und die selbstverständlich auf der Türschwelle der Arztpraxis nicht halt. Wie wirkt sich das in den Arztpraxen aus? Die Möglichkeit, die wir in der gemeinsamen Selbstverwaltung haben, diese Preisentwicklung aufzugreifen, ist die Festlegung, die jährliche Festlegung des sogenannten Orientierungswertes, der die Preise für die Untersuchungen und Behandlungen von Jahr zu Jahr anpasst.

Wir befinden uns gerade in den Verhandlungen im Bewertungsausschuss, um diesen Orientierungswert für das nächste Jahr festzulegen. Das Aufgreifen dieser Preisentwicklung ist hier in dieser Grafik sehr schön aufbereitet und stellt auch die Herausforderung dar, in der wir uns in diesem Jahr befinden für die Festlegung dieses Orientierungswertes in den Verhandlungen. Im Bewertungsausschuss betrachten wir für die Festlegung des Orientierungswertes die Inflation in dem vorletzten Jahr, welches dem Jahr vorgibt, wo wir den Wert festzulegen haben, im Jahr 2019 also für die Festlegung der Orientierung des Jahres 2019, die Verhandlungen dazu haben wir 2018 geführt, haben wir uns die Inflation 2017 angeschaut. Das ist ganz links die rote Säule, die lag bei 1,5. Der Orientierungswert wurde mit 1,58% aufgehoben. Man kann also sagen, die allgemeine Inflation ist hier aufgegriffen worden und schlägt sich im Orientierungswert auch nieder.

So zieht sich das in den Jahren durch. Im letzten Jahr hatten wir eine sehr, sehr geringe Inflation vor Augen. Das ist die Inflation des Jahres 2020. Sie lag nur bei 0,5%. Der Orientierungswert ist mit 1,275% weiterentwickelt. Die Begründung dafür ist in den Kosten der Degression oder der Progression zu sehen. Ein gesetzlicher Rahmen, den wir vorgegeben haben, dazu komme ich gleich noch mal das, was man hier an der Folie aber sehr schön sieht, ist die Herausforderung, die wir in diesem Jahr haben.

Wir betrachten im Bewertungsausschuss, die Inflation zwei Jahre vorher für den neuen Orientierungswert 2023. Die ist schon deutlich höher als in der Vergangenheit, sechs Mal so hoch wie im Jahr zuvor mit 3,1% und die aktuelle Inflation, die wir in diesem Jahr erleben, liegt noch mal doppelt darüber. 6,7% ist die Inflation des ersten Halbjahres 2022 aktuell. Im August/September weiß das Statistische Bundesamt den Verbraucherpreisindex, was das Maß für die allgemeine Inflation ist mit 7,9% aus und das gilt es in diesem Jahr zu berücksichtigen und entsprechend ist auch die Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Bewertungsausschuss vorbereitet worden. Diese Vorbereitung und diese Verhandlungen basieren vor einem gesetzlichen Rahmen. Wir im Bewertungsausschuss müssen einmal im Jahr jährlich bis zum 31. August den Orientierungswert anpassen, neu festlegen. In diesem Jahr, aufgrund der großen Herausforderungen, die wir haben, haben wir diesen Termin nicht gehalten, befinden uns noch im Verfahren und der Abschluss steht hoffentlich in diesem Monat an!

Des Weiteren gibt es Kriterien für die Weiterentwicklung des Orientierungswertes. Zunächst ist das die Berücksichtigung dieser Preisentwicklung in Form von Kostenentwicklung, die Investitions- und Betriebskosten in der Arztpraxis haben einen Zug zu halten in die Festlegung der Anpassung des Orientierungswertes. Daneben gibt es aber auch die Kostendegression bei Fallzahlsteigerung, ich komme gleich dazu, und schließlich die Möglichkeit zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven.

Und gestatten Sie mir, dass ich mit diesem letzten Punkt beginne. Wirtschaftlichkeitsreserven entstehen dann, wenn sich die Medizin weiterentwickelt und der Aufwand für die Untersuchung oder Behandlung von Patienten wird dadurch weniger aufwendig. Dadurch entstehen Wirtschaftlichkeitsreserven, aber ich habe jetzt schon den Bezug klar zu den einzelnen Untersuchungen Behandlung gelegt. Der Orientierungswert äußert den Preis oder verändert den Preis für alle Leistungen.

Wenn ich also in einem in einer Leistung eine Wirtschaftlichkeitsreserve in einem Fachgebiet erwirtschaften kann, eventuell, weil wir diesen medizinischen Fortschritt haben, dann kann das natürlich nicht bedeuten, dass andere Fachgebiete darunter leiden müssen, dass der Orientierungswert diese Wirtschaftlichkeit, die nur in einem Fachgebiet stattfindet, weitergibt. Das haben wir auch gutachterlich mal bestätigen lassen, unser ZI hatte ein Gutachten im Jahre 2015 bei Professor Schreyer zu diesem Thema aufgenommen und da geht die klare Empfehlung hervor, dass die Wirtschaftlichkeitsreserven Betrachtung nicht als Instrument beim Orientierungswert anzusetzen ist, sondern im EBM bei den einzelnen Leistungen, und das ist die Sichtweise der KBV, die wir in den Verhandlungen vertreten. Bei der Festlegung der Orientierungswertes spielen Wirtschaftlichkeitsreserven keine Rolle und der Gesetzgeber hat das im Paragraph §87, sie haben eben den Rahmen gesehen, auch sehr schön ausgeführt. Wirtschaftlichkeitsreserven sind beim OW zu berücksichtigen, soweit sie nicht im EBM berücksichtigt sind und wenn sie im EBM berücksichtigt sind, das ist unser Begehren auch das machen wir auch ständig. Wir haben eine EBM Reform 2019 durchgeführt, dann kann es beim OW keine Rolle spielen.

Der zweite Aspekt Kostendegression bei Fallzahlsteigerung je mehr Fälle wir behandeln, desto weniger Aufwand haben wir für die einzelne Untersuchung, weil ein großer Anteil der Kosten in den Arztpraxen fixe Kosten sind. Die verteilen sich dann auf mehr Patienten.
Der Gesetzgeber hat uns vorgeschrieben, diese sogenannte Kostendegression auch bei der Festsetzung des Orientierungswertes zu berücksichtigen. Das gilt aber auch andersherum, wenn wir weniger Untersuchungen und Behandlungen durchführen und abrechnen, dann werden die Kosten für die einzelnen Untersuchungen/Behandlungen teurer und auch das gilt es zu berücksichtigen bei der Festlegung des Orientierungswertes. Und das war der Effekt, den wir im letzten Jahr bei der Festlegung des Orientierungswertes erleben durften.

Wir hatten, wenn Sie sich erinnern, an die Säulen Grafik 0,5 Inflation, aber 1,275 Orientierungswert weit über der allgemeinen Inflation. Das resultiert aus diesem Aspekt, denn wir haben die Inflation des Jahres und die Menge des Jahres 2020 betrachtet. Das war das Pandemiejahr. Da ist die Menge deutlich zurückgegangen, insoweit trat die Kostenprogression ein und wir haben Anpassung des Orientierungswertes vorgenommen, als die allgemeine Inflation ist zum Ausdruck gebracht hat.

In diesem Jahr ist das andersherum. 2020 auf 2021 hat das Leistungsniveau in der Menge wieder zugelegt. Hier wirkt also eine Kostendegression. Dieser Aspekt spielt also bei der Festlegung des Orientierungswertes eine dämpfende Rolle im Hinblick auf die Festlegung des Orientierungswertes, ist uns gesetzlich im Rahmen so vorgegeben.

Komme ich nun aber zum wichtigsten Punkt bei der diesjährigen Festlegung des Orientierungswertes, dass die Berücksichtigung der aktuellen Preisentwicklung in Form der hohen Investitions- und Betriebskosten einer Arztpraxis. Was brauche ich für den Betrieb einer Arztpraxis? Ich brauche einen Arzt, brauche Personal, Räume, medizinisches Gerät, Strom, Licht, Wärme, Energie und darüber hinaus Versicherung, Fremdkapital eventuell und medizinischen Bedarf, und so weiter und so fort.

Für die Kalkulation der Preise, da sind wir beim Orientierungswert, benötigen wir das Pendant in den Kosten. Das ist der Aufwand für die ärztliche Tätigkeit beim Arzt. Das sind die Personalgehälter die ich zahle für das Personal, die Miete für die Räumlichkeiten, und so weiter. Wir haben hier auf der Tabelle Ihnen aufgelistet, welchen Anteil wir jeweils in einer Arztpraxis für diese Investitions- und Betriebskosten sehen, wenn sich die Personalkosten deutlich weiterentwickeln, mit einer hohen Kostenrate, wie es durch die Tarifvereinbarungen 2019 geschehen ist, dann ist das nur 1/5 dessen, was wir dann für die Gesamtweiterentwicklung des Orientierungswertes berücksichtigen müssen.
Nur 22,6% des gesamten Kostenrahmens in der Kalkulation sind eben auf Personal zurückzuführen. Sie sehen hier die große Zahl 60% ärztliche Tätigkeit. Das ist ein Ergebnis der EBM-Reform, der letzten, wo wir die ärztlichen Leistungen deutlich aufgewertet haben und das drückt sich natürlich auch so in unseren Grafiken und Statistiken aus. Was zu sagen ist, diese Kosten entwickeln sich sehr unterschiedlich. Das sehen Sie nun auf der nächsten Folie.

Sehr viele Zahlen, aber ich versuche Sie da durchzuführen. Ich hatte ja einleitend gesagt, es ist nicht immer einfach, sich mit der Finanzierung des vertragsgesetzlichen Systems zu beschäftigen. Deswegen sehen Sie es mir nach, dass ich diese Folie jetzt hier zeige.

Wir haben in der ersten Zahlenspalte, die überschrieben ist mit 2020, 2021 die Kostenentwicklung im Jahr 2021 aufgelistet. Das ist das, was der Bewertungsausschuss in seinem Routineverfahren zur Anpassung des Orientierungswertes benutzt, und die sind sehr differenziert für zum Beispiel sonstige Kosten, Materialkosten. Es ist der Verbraucherpreisindex, also das Maß für die allgemeine Inflation festgelegt, lag damals bei 3,1%.

Sie hatten eben gesehen, im aktuellen Jahr 2022, erstes Halbjahr, ist das eine Verdopplung dieser Kostenentwicklung, und unseres Erachtens ist das ein Aspekt, der berücksichtigt werden muss und wir in diesem Jahr von dem Regelverfahren abweichen müssen. Neben der Inflation und der Preisentwicklung 2021, müssen wir auch das erste Halbjahr 2022 berücksichtigen. Das haben wir dem Bewertungsausschuss vorgeschlagen. Für die Anpassung des Orientierungswertes, indem wir dieses halbe Jahr mit einpreisen.

Wir lassen uns dabei natürlich einen Puffer, damit wir im nächsten Jahr nicht in die Verlegenheit kommen, einen Orientierungswert für das Jahr 2024 festzulegen, der dann in die gegenteilige Richtung nach unten geht. Zwei Aspekte, die ich auf dieser Folie noch ansprechen möchte: die Personalkosten. Ich habe es gerade schon gesagt 2019 wurde der Tarifvertrag für die medizinischen Fachangestellten neu verhandelt. Für das Jahr 2021 wurde eine Steigerung ab 1. April 2021 um 6% vereinbart.

Dies gilt es nun geltend zu machen, deswegen greifen wir in unserer Kalkulation auch auf dieses Routineverfahren das Bewertungsausschuss an dieser Stelle zurück und machen diese 6,6% Steigerung geltend. Eine deutliche Steigerung die es den Vorjahren nicht gab. In einem aktuellen Zeitraum ist das deutlich geringer. Das ergibt sich aus dem Tarifvertrag, der über mehrere Jahre abgeschlossen war. Aber wir, das ist die letzte Zahlenspalte, berücksichtigen bei unserem Vorschlag für die Anpassung des Orientierungswertes diese 6,6% vor.

Der zweite Punkt, den ich hier noch ansprechen möchte, ist die Entwicklung des Aufwandes für die ärztliche Tätigkeit. Hier verwenden wir als KBV die Tarifgehälter in Krankenhäusern als Vergleichsmaßstab, denn wir als Vertragsärzte haben keinen Tarifvertrag an dem man das ablesen kann. Also verwenden wir dieses als Vergleichsinstrument. Das war im Jahr 2021 mit 2,1% weiterentwickelt worden. Wir haben aber nun diese hohe Inflation und selbstverständlich sind Vertragsärzte mit dem, was sie aus der Praxis an Ertrag erzielen, auch dadurch gebeutelt, dass sie einen Kaufkraftverlust haben und wir gleichen den in unserem Vorschlag dadurch aus, dass wir die allgemeine Inflation, aktuelle Inflation des ersten Halbjahres 2022 bei diesen Parametern ansetzen und verwenden. Ja, wenn man das so tut, wie ich es hier beschrieben habe, ist unsere Forderung, die wir in den Bewertungsausschuss eingebracht haben, bei nahezu 6% zur Anpassung des Orientierungswertes resultiert aus der mit dem Ausgleich des Kaufkraftverlustes des Arztes mit 6,7%, der sich mit 60% in diesen 6% wiederfindet und zu 40% die übrigen Kosten, die mit einer Veränderungsrate von 4,7 in unserem Verfahren beschrieben wird. Da geht ein sowohl, wie eben beschrieben, die hohe Preisentwicklung, die Inflation, als auch der dämpfende Effekt aus der Kostendegression bei Fallzahlsteigerung in diesem Jahr 2021. Soweit zu unserer Forderung im Bewertungsausschuss. Auf der anderen Seite der GKV-Spitzenverband. Herr Dr. Gassen hat es in der Einleitung gesagt, hier wird eine Nullrunde vorgeschlagen.

Der GKV-Spitzenverband hat uns eröffnet, dass er keine Anpassung des Orientierungswertes, der in diesem Jahr gilt, für das nächste Jahr vornehmen möchte. Die Begründung ist einerseits damit gegeben, dass die Berücksichtigung der aktuellen Preisentwicklung nicht in die Methodik des Bewertungsausschusses passt. Die Ärzte sollen nach dieser Methodik noch ein Jahr warten, bis dieser Inflationsausgleich kommt. Das ist die Auffassung des GKV-Spitzenverbandes an dieser Stelle und sie verweisen darüber hinaus auf Wirtschaftlichkeitsreserven.

Unsere Position dazu hatte ich Ihnen ausführlich beschrieben. Der GKV-Spitzenverband hat für die Begründung der Wirtschaftlichkeitsreserven, die Kostenstrukturanalysen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 2019 im Vergleich zu 2015 hervorgehoben, auf der Aggregationsebene alle Ärzte, machen Sie uns da eine Rechnung auf, die Wirtschaftlichkeitsreserven bedeuten könnten. Diese Daten sind von 2019 vor der pandemischen Zeit, für die aktuelle Situation überhaupt nicht brauchbar und ich meine auch, dass der GKV-Spitzenverband hier den rechtlichen Rahmen verlässt. Wir haben die jährliche Anpassung zu tun, die Rechtsbegriff dafür ist die Vorjahresanknüpfung und wenn man auf Daten von 2015 und 2019 zurückgreift, ist das nicht im Vorjahr passiert, sondern altes Geschehen von damals was hier nicht zu berücksichtigen ist.

Auch das ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Schließlich und zum Schluss sagt der GKV-Spitzenverband: Wir haben gar kein Geld. Es steht ein Defizit von 17 Milliarden Euro im nächsten Jahr für die GKV-Finanzierung im Raum. Die Schätzungen gehen in diese Richtung, insoweit bleibt uns auch kein Spielraum für die Anpassung des Orientierungswertes. Für dieses 17 Milliardenloch gibt es aber gerade, als Regierungsentwurf ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.

Aus meiner Sicht vermengt der GKV-Spitzenverband hier zwei Themen miteinander, die nicht zueinander gehören. In der Konsequenz aus beiden Aspekten, die ich Ihnen nun dargestellt habe, kommen wir für das Jahr 2023 für die Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung von GKV-Versicherten tatsächlich bei den Forderungen 0% Anpassung im Orientierungswert, Abzug durch die Aufhebung des Finanzstabilisierungsgesetz, um eine Kürzung der Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Versorgung im mittleren dreistelligen Millionenbetrag und das angesichts dieser krisenhaften Entwicklung, die wir derzeit in Deutschland und in der Welt erleben, und diese krisenhafte Entwicklung macht an der Türschwelle der Arztpraxis keinen Halt. Ist das schon ein bedrohliches Szenario? Und das gilt es heute zu diskutieren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Dr. Petra Reis-Berkowicz ( Vorsitzende der KBV-VV)