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Reden

Bericht von Dr. Thomas Kriedel an die Vertreterversammlung

2. Dezember 2022

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

auch ich begrüße Sie herzlich hier in der letzten Vertreterversammlung in diesem Jahr und in dieser Zusammensetzung.

Als wir diese Legislaturperiode gemeinsam angetreten sind, gingen viele davon aus, dass die meisten Menschen zum Jahreswechsel 2022/23 eine elektronische Patientenakte (ePA) haben würden: mit so nützlichen Medizinischen Informationsobjekten (MIOs) wie dem Impfpass. Und dass die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) sowie das elektronische Rezept (eRezept) in weiten Teilen zum selbstverständlichen Praxisalltag zählen würden.

Und dass die Telematikinfrastruktur (TI) ein freudig vor sich hin surrendes Gesundheitsnetz wäre mit zahlreichen Playern – in steter Weiterentwicklung auf Höhe der Zeit; ohne zusätzliche Belastungen für die Praxen. Doch sechs Jahre später müssen wir feststellen: Das ist mitnichten der Fall.

Andreas Gassen hat es bereits angerissen. Wir können zwar in Superlativen von der TI und allem, was daran hängt, sprechen – aber größtenteils in negativen. Nicht nur die elektronische Patientenakte (ePA) ist in ihrer bisherigen Verfassung ein Flop. Auch der elektronische Medikationsplan. Der Notfalldatensatz. Das eRezept. Vom Konnektoren-Debakel ganz zu schweigen.

Und die eAU? Sie verursacht im Jahr einen Mehraufwand von 1,25 Millionen Stunden in den Praxen – im Gegensatz zum bisherigen Ausstellen einer klassischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. 1,25 Millionen Stunden! Man stelle sich einmal vor, wie viele Arzttermine die Politik damit den Patientinnen und Patienten wegnimmt!

Stephan Hofmeister hat ja bereits zum Dauerthema Arztzeitmangel ausgeführt. Und damit dürfte auch noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein: Zum Jahreswechsel sollen noch die annähernd vier Millionen großen und kleinen Arbeitgeber in das Abenteuer eAU einsteigen. Nur die wenigsten von ihnen wissen dem Vernehmen nach davon, noch werden sie organisatorisch wie technisch in der Lage sein, die eAU elektronisch vom Kassenserver abzurufen.

Oft werden die erforderlichen Schulungen erst nach dem Starttermin angeboten. Gelingt der Start des Arbeitgeberverfahrens nicht, heißt das möglicherweise noch mehr Aufwand in den Praxen. Ob eine weitere Million an Stunden? Wer weiß das schon? Wir wissen nämlich bedauerlicherweise recht wenig darüber, wie die Chancen für einen gelungenen Start des Arbeitgeberverfahrens stehen.

Deshalb haben wir beim Bundesarbeitsministerium sowie dem Arbeitgeberverband darauf gedrängt, einen reibungslosen Start sicherzustellen. Denn schon jetzt erkennen wir neben dem Zusatzaufwand einen erhöhten Aufklärungsbedarf der Patientinnen und Patienten, der natürlich die Praxen belastet. Hier kommen Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Krankenkassen ihren Informationspflichten nicht ausreichend nach.

An dieser Stelle eine ärgerliche Randnotiz: Viele Krankenkassen weigern sich, eNachrichten – also sichere E-Mails via KIM – von Praxen anzunehmen. Sie fordern überall Digitalisierung und machen selbst nicht mit. Das kann doch nicht sein. Das ist doch der ganze erklärte Sinn der TI: der effiziente und sichere digitale Austausch von Informationen innerhalb des Gesundheitswesens. Digitalisierung ist keine Einbahnstraße!

Jetzt aber zurück zur eAU: Da wollen wir, dass sie sehr bald schon komplett digital wird – also alle einbezogen werden, auch etwa die Jobcenter und Schulen. Und dass auch der Nachweis für die Patientinnen und Patienten digital wird. Das war ja stets mit der ePA-Einführung angedacht. Aus den Praxen, also von den Anwendern der ersten Stunde, hören wir immer wieder: „Wir wollen voll digitalisieren!“, „Bitte keine Zwitterlösungen mit paralleler Papierbürokratie“.

Aber die ersten Andeutungen im Strategieprozess des BMG lassen darauf schließen, dass analoge und digitale Varianten parallel weiterlaufen sollen, wenn beide gleichwertige Ergebnisse zeigten. Als Ersatzverfahren in Ausnahmesituationen wie Stromausfall oder technischer Störung gewiss sinnvoll. Aber als Dauereinrichtung tragen solche Parallelstrukturen weder zur Effizienz bei noch zum Bürokratieabbau – geschweige denn zu mehr Arztzeit und somit mehr Versorgungszeit.

Wir sind also auch hier weit entfernt von positiven Superlativen. Im Gegenteil. Zum Ende des Jahres 2022 müssen wir konstatieren: Die Digitalisierung à la Spahn steckt in einer Sackgasse fest. Unter Lauterbach scheint das BMG nun die Lust an der Spahnschen Digitalisierung von Formularen verloren zu haben. Sie war ein Irrweg. Sie funktioniert vielfach nicht, sie bringt keinerlei Versorgungsvorteile und sie kostet durch eine bemerkenswert fahrlässige Trial-and-Error-Taktik – kaschiert durch den Euphemismus „Agilität“ – Millionen von Sprechstunden und Versichertenbeiträgen.

Was mich stutzig macht: Es waren durchaus auch Politikprofis beteiligt. Und doch wurden ganz schwerwiegende Anfängerfehler gemacht, die zum Teil unter der jetzigen Ägide fortgesetzt werden: Die einen wurden gegängelt anstatt sie zu motivieren, die anderen hingegen wurden an keiner Stelle in die Pflicht genommen; man hat sich erpressbar gemacht zum Vorteil der Industrie; und dann geht die Politik hin und beschwert sich über eine Selbstverwaltung, die blockiere. 

Da hilft auch kein Verweis auf das so erfolgreiche Ausland. Es geht an der Realität vorbei, sich einzelne kleine Staaten wie Estland und Israel herauszupicken und so zu tun, als ob die ganze Welt digitalisiert sei, nur Deutschland nicht – und das dann auch noch der Selbstverwaltung anzulasten. Wenn man die fehlende Akzeptanz in der Zielgruppe bemängelt, dann muss man ganz einfach die Attraktivität der Produkte überdenken. Das ist simpelste Logik. Es spricht Bände, dass die per freier Nachfrage wählbare Digitalisierung in den Praxen und anderswo seit Jahren geräuschlos und problemlos wächst, im Gegensatz zur staatlich oktroyierten TI und allem, was da dranhängt.

Wenn diese haltlosen Vorwürfe nicht endlich aufhören und wenn die Ärzte und Psychotherapeuten nicht endlich brauchbare Produkte erhalten, dann werden sie wirklich anfangen, sich zu widersetzen. Die Stimmung ist gelinde gesagt mies; das kann selbst eine vorweihnachtliche Besinnlichkeit nur vorübergehend überdecken. Und zwar, weil alle Versprechen und Hoffnungen auf eine Mehrwert bringende Digitalisierung immer und immer wieder gebrochen und zunichtegemacht wurden.

Unter Lauterbach hat das BMG einen Kurswechsel ausgerufen; es entwickelt derzeit eine neue Strategie nach dem Motto „Die TI ist tot, lang lebe die TI!“ So wolle man die Konnektoren hinter sich lassen, schließlich sei die TI schon jetzt veraltet, erklärte der Minister vor zwei Tagen beim Digital Health Congress der bitkom. Stattdessen wolle er auf Cloudlösungen und Smartphones auch in den Praxen setzen. Auch von digitalen Zwillingen aller Versicherten spricht er immer wieder – noch recht unkonkret.

Klar ist: Die ePA soll dabei den Dreh- und Angelpunkt bilden. Auf den ersten Blick mag das schlüssig wirken. Das BMG und die gematik laufen aber Gefahr, die TI damit zu überfordern. Sie wollen aus der ePA die berühmte „Eier legende Wollmilchsau“ machen, die alle gleichsam satt und warm macht. Wenn wir dort wie angedacht alles reinpacken, dann wird die ePA an einer nie beherrschbaren Komplexität scheitern.

Nicht nur Informationen für die Patienten, sondern auch die Behandlungsdaten für den interkollegialen Austausch und zudem noch die Datennutzung für Forschung und Industrie. Dann ist am Ende niemand zufrieden. Die Ökonomie lehrt uns, dass man für das Erreichen unterschiedlicher Ziele unterschiedliche Instrumente einsetzen muss. Das heißt im Umkehrschluss: Das BMG muss sich ein klares Ziel setzen.
Möglicherweise liegt hier aber auch ein Missverständnis vor.

Man könnte die bisherigen Äußerungen nämlich auch so verstehen, dass sämtliche Verknüpfungen von Anwendungen mit der ePA gar nicht so sehr der unmittelbaren Versorgungsverbesserung dienen sollen, sondern allein der Datensammlung zur Sekundärnutzung – also für Forschung und Entwicklung. Auch die Industrie scharrt schon mit den Hufen. Und der jetzige Bundesgesundheitsminister will mit Daten die Gesundheitsversorgung komplett anders steuern. Möglicherweise mit massivem Einfluss der Krankenkassen. 

Das wäre ein klares Ziel. Das birgt in der Tat großes Potenzial für medizinischen Fortschritt. Perspektivisch. Das bringt aber in Summe wenig, wenn dafür die medizinische Versorgung schon jetzt überladen und überlastet oder gar kaputtgemacht wird.

Ein weiterer wichtiger Aspekt: Zur medizinischen Versorgung gehört auch ein ganzheitlicher Schutz der Persönlichkeitsrechte, dazu zählt neben anderen Rechten auch jenes auf den Datenschutz. Nicht zuletzt mit psychotherapeutischen Daten in den falschen Händen kann die Gesundheit nachhaltig Schaden nehmen. Nicht auszudenken, welchen Horror die Betroffenen in Australien und weiterhin in Finnland durchleben, wo Versichertendaten und Therapieprotokolle gestohlen und missbraucht wurden.

Die Datenschützer von Bund und Ländern haben das jüngst in ihrer Petersberger Erklärung thematisiert und ein Missverständnis zurechtgerückt: Datenschutz bremst die Nutzung von Daten keineswegs aus. Nein. Vielmehr gelte der Grundsatz „Je höher der Schutz der betroffenen Person durch geeignete Garantien und Maßnahmen, desto umfangreicher und spezifischer könnten die Daten genutzt werden.“ Aber auch die Datenschützer erleiden offenbar dasselbe Schicksal wie Selbstverwaltung und Praxen. Auch ihnen schieben Politik und gematik gerne den Schwarzen Peter zu, um davon abzulenken, dass sie selbst das Digitalisierungsspiel schlicht nicht beherrschen.

Und schließlich stellt sich die Frage, ob eine veraltete, nie wirklich im Vollbetrieb erprobte Infrastruktur das Fundament für ein solch schwergewichtiges Konstrukt wie die neue ePA tragen kann. Der Abschied vom Konnektor allein wird möglicherweise nicht ausreichen – und der wird nach bisheriger Planung auch nicht rechtzeitig für die neue ePA kommen. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob die TI die Volllast schultern kann, wenn Rezepte und AUs komplett digital laufen.

Oder ob sie nicht schon unter dieser Last zusammenbricht?
In einer äußerst lesenswerten Jahresbilanz des Fachmagazins c´t kommt der Autor zu dem Schluss: „Je früher Minister Karl Lauterbach und seine Expertengremien erkennen, dass die Telematische Infrastruktur diesen Aufgaben nach fast 20 Jahren falscher Planung nicht gewachsen ist, desto eher kann der überfällige Neuanfang beginnen.“

Bisher schien ein solcher Neuanfang ein absolutes Tabu zu sein. Möglicherweise ändert die neue BMG-Strategie alles? Dann jedenfalls erwarten wir, dass die überholten und ineffizienten Papier-Digital-Zwitter ein Ende haben.
Aktuell bleibt uns nur, uns im sehr begrenzten Rahmen der zugestandenen Möglichkeiten einzubringen und mit der Praxiserfahrung möglichst konstruktiv mitzugestalten.

Denn eines können wir zweifelsohne über die Opt-out-ePA sagen: Man kann nicht überschätzen, wie gravierend sich die Neukonstruktion der ePA auf die Versorgungsprozesse auswirken wird – nicht allein, aber auch mit dem geplanten Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz. Und mit dem ebenfalls geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS). Und so stellen sich unzählige Fragen – von denen ich hier nur einige herausgreifen will:

Beispielsweise, welche Teile der Praxisakten sollen in die ePA? Auch Gesprächsprotokolle von psychotherapeutischen Sitzungen? Wir wollen an der Definition mitarbeiten, was mit medizinischer Dokumentation gemeint ist.

Wie lässt sich das weitgehend automatisiert, aber nicht unkontrolliert an Arzt oder Patient vorbei, bewerkstelligen? Und zwar von allen Primärsystemen und Modulen, diskriminierungsfrei und sektorenübergreifend?

In welchen Abstufungen sollen die Versicherten noch Einfluss auf ihre ePA nehmen können? Wie werden sie dazu aber auch befähigt? 

Und in welchem Verhältnis steht das zur angekündigten Befüllungspflicht? Und wie soll diese überhaupt im Detail aussehen?

Wie lässt sich die für den Behandlungserfolg essenzielle Arzt-Patienten-Beziehung bewahren? 
Wie wird sichergestellt, dass eine Filterfunktion zuverlässig alles anzeigt, was für den jeweils akuten Fall medizinisch relevant ist? Und weglässt, was dafür irrelevant ist? 

Wer ist für die Lauterbachsche Vision der Predictive Medicine zuständig beziehungsweise dazu berechtigt? Wer erhält welche Zugriffsrechte? Welchen Zugriff und welche Nutzungsbefugnis sollen die Krankenkassen auf die ePA-Inhalte bekommen? Stichwort Versorgungssteuerung.

All das ist noch unbeantwortet. Und ich hätte noch etliche mehr Fragen auf Lager. Aber sowohl die gesamtgesellschaftliche Debatte als auch die Fachdiskussion zu ePA und Opt-Out werden (bewusst?) gemieden. Ein Großteil der Bevölkerung ahnt vermutlich gar nicht, dass die Opt-Out-ePA in den Köpfen der Bundesregierung längst gesetzt ist.

Die ePA ist bei Weitem nicht das einzige Beispiel, aber doch das prägnanteste dafür, wie sich die Digitalisierung längst nicht auf IT und Telematik beschränkt. Sie wird integraler Bestandteil von Medizin und Versorgung – und das in den kommenden Jahren immer stärker. So muss alles rund um Digitalisierung allgemein und Telematikinfrastruktur im Besonderen klar im Fokus sämtlicher berufspolitischer Überlegungen stehen. Ich denke, darüber herrscht in diesem Saal uneingeschränkt Einigkeit.

Auch darüber, dass es in den kommenden Jahren nicht einfacher werden dürfte. Ganz im Gegenteil. Etwa bezogen auf eine Vereinfachung, auf die wir ganz konkret setzen: beim eRezept. Der gematik und dem BMG schwebt vor, nicht wie vereinbart den Roll-out stufenweise fortzusetzen, sondern das eRezept mit einem Big Bang bundesweit einzuführen, also mit einem Urknall, an einem einzigen Stichtag.

Auch wir sind ungeduldig, allen voran die verordnenden Praxen. Aber die bisherigen Roll-out-Erfahrungen lehren uns: Wer zu schnell rast, geht ein höheres Crash-Risiko ein. Eine Massenanwendung wie das eRezept, so schlagartig eingeführt, das kann in der Tat zu einem Big Bang in den Praxen führen, aber einem chaotischen. Das müssen wir vermeiden, um endlich gemeinsam einen echten TI-Erfolg verbuchen zu können, der die Praxen für ihr Engagement belohnt.

Andreas Gassen und Stephan Hofmeister haben bereits das fehlende Miteinander mit dem BMG geschildert und auch die schleichende Strömung der abnehmenden Debattenkultur. Beides zeigt sich in der Digitalisierung in Form eines „Augen zu und durch“. Obwohl nein: Bei genauer Betrachtung lässt man in BMG und gematik die Augen sogar offen. Sehenden Auges wollen sie durchpeitschen, was sie ausgerufen haben – selbst, wenn die Fakten längst belegen, dass kein Durchkommen ist.

Zudem stiften sie leider mehr als nur einmal große Verwirrung durch unbedachte Äußerungen in aller Öffentlichkeit – nur, um sie kurz darauf wieder zurückzuziehen oder per Twitter zu korrigieren; und das praktiziert nicht nur der Minister so. Wer sich so häufig missverstanden und falsch zitiert fühlt, sollte die Klarheit der eigenen Aussagen überdenken.

Jüngstes Beispiel: die MIOs. Wie Sie längst wissen, geht es mit denen selbstverständlich weiter – gerade mit Blick auf die ePA. Nur wird ihr Zeitplan neu auf die neuen Pläne justiert.

Möglicherweise ist diese Form der Politik und der Öffentlichkeitsarbeit auch schlicht Ausdruck einer hoch pokernden Arroganz der Macht. Beispielsweise hatten wir von der gematik Kopien des nicht vertraulichen Schriftverkehrs mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie dem Bundesdatenschutzbeauftragten gefordert. Das haben uns gematik und BMG stumpf verweigert. Zugleich will man uns per Beschluss dazu verdonnern, ausschließlich positiv über eRezept und eAU zu sprechen. Das ist ein Affront! 

Wir sind in entscheidenden Fragen am BMG gescheitert in der Gesellschafterversammlung der gematik. Sie verdient diesen Namen auch längst nicht mehr. Auch darüber herrscht hier Einigkeit. Über die Folgen der 51-Prozent-Mehrheit des BMG habe ich schon so oft gesprochen. Die Frage ist: Quo vadis, Beteiligung? Wenn die gematik in die berühmte digitale Gesundheitsagentur umgewandelt wird. Und wie geht es dann mit der TI weiter? Erleben wir echte Beteiligung oder nur „pro forma“?

Und wie wird das alles finanziert? Auch das wird eine entscheidende Frage für eine erfolgreiche Digitalisierung sein. Auch hier brauchen wir – wie bei den Finanzierungsverhandlungen – eine neue Systematik. Das haben Sie in Ihrer Resolution im Mai und wir immer wieder in der Öffentlichkeit gefordert: die Bereitstellung und Finanzierung der Infrastruktur als staatliche Aufgabe.

Dieser Systemwechsel muss bald kommen. Was aber nicht sein darf: dass die Praxen auch noch auf Jahre finanziell in Vorleistung gehen und mit monatlichen Stotterbeträgen abgespeist werden. Aber auch hierzu haben wir uns schon vielfach geäußert: Wir fordern verbindliche Preisverhandlungen zwischen Industrie und Kassen.
Wie groß der Wunsch in den Praxen nach gut gemachter Digitalisierung ist, belegt ein Projekt, das mit Ihnen in dieser Legislaturperiode dieser Vertreterversammlung an den Start gegangen ist und nun die erste Runde abschließt: die KBV-Zukunftspraxis.

Das Interesse und Engagement der Praxen war von Anfang an enorm. Und sogar während der Pandemie sind sie drangeblieben. Das Konzept hat sich bewährt: Neuerungen werden im Praxisbetrieb getestet – in engem Austausch zwischen Nutzern und Anbietern, um das volle Optimierungspotenzial auszuschöpfen. Die Ergebnisse werden wir in Kürze veröffentlichen. Ein paar Erkenntnisse möchte ich aber schon einmal ansprechen: Von den zehn ausgewählten haben fünf den Praxistest durchlaufen; etwa eine automatische, interaktive Telefonassistenz.

Oder der vielfache Wunsch nach einem Cloud-basierten Praxisverwaltungssystem mit reduziertem IT-Aufwand in den Praxen. Da sind im Betrieb bereits Entlastungen spürbar, jedoch überwiegen leider noch die Nachteile durch den hohen Wechselaufwand; es wird aber weiterentwickelt. 

Aus den Zukunftspraxen sind die folgenden Erfolgsfaktoren für Digitalisierung zu identifizieren:
Digitale Anwendungen müssen vorhandene Probleme lösen, keine neuen Probleme auslösen.
Sollten Probleme auftauchen, müssen die Anbieter gut erreichbar sein und sie schnell sowie effektiv beheben.
Digitale Anwendungen müssen sich nahtlos in Praxisabläufe sowie Praxisverwaltungssysteme einfügen, und ihre Bedienung muss zeitgemäß sein.

Kurzum: Die entscheidenden Faktoren sind Nutzen, Mehrwert und Einfachheit. Dann engagieren sich Ärzte und Psychotherapeuten mitsamt ihren Teams ganz besonders dafür, digitale Neuerungen in ihrem Alltag einzusetzen.
Somit bestätigen die Ergebnisse der KBV-Zukunftspraxis abermals, was wir mittlerweile unzählige Male angeführt haben gegenüber gematik, Politik und Industrie.

Die PVS-Industrie soll per Gesetz stärker an die Kandare genommen werden, auch verbunden mit Aufgaben und Optionen für die KBV. Wir werden uns genau anschauen, ob der Gesetzesvorschlag sich dazu eignet, die Industrie endlich zu unseren Partnern zu machen, oder ob es sich als stumpfes Schwert oder gar Danaer-Geschenk erweist. 

Ihnen wünsche ich jedenfalls echte Geschenke und wunderbare – erholsame – Festtage im Kreise Ihrer Lieben! Ich danke Ihnen für den stets regen Austausch und die gute Zusammenarbeit in diesem und den zurückliegenden Jahren; auch wenn meine Berichtsthemen meist alles andere als erfreulich sein mussten. Und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank
 

(Es gilt das gesprochene Wort.)