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PraxisNachrichten: Hinterher ist man immer schlauer

Aussetzen der Neupatientenregelung

Hofmeister: Dies wäre ein "eklatanter Bruch des Vertrauens" – Ärzteschaft warnt vor Abschaffung der Neupatientenregelung

14.07.2022 - Der Protest der Ärzteschaft gegen die geplante Streichung der Neupatientenregelung hält an. Der Vorstand der KBV fordert die Politik eindringlich auf, die Pläne fallen zu lassen. „Sparen im ambulanten Bereich ist das falsche Ende“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender.

In einem Video-Interview warnte Hofmeister vor einem „eklatanten Bruch des Vertrauens“, sollte der Gesetzgeber die Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) tatsächlich streichen. Eigentlich, fuhr er fort, könne es sich nur um ein Missverständnis handeln, denn Bundesgesundheitsminister Lauterbach „war einer der vehementesten Forderer des TSVG und dort insbesondere der Neupatientenregelung“.

Die Ärzteschaft sei zutiefst erbost, sagte Hofmeister. „Man hat uns insgesamt mit dem TSVG eine bittere Pille verkauft. Da sind eine Menge Dinge drin, die wir wirklich den Praxen zumuten mussten.“ Im Gegenzug habe man den Ärztinnen und Ärzten zugesichert, dass sie „die Dinge, die sie dort leisten aber wenigstens vollständig bezahlt“ bekommen. Und dieser Teil solle jetzt zumindest anteilig zurückgeschraubt werden.

Nicht ausgezahltes Honorar in zweistelliger Milliardenhöhe

Hofmeister wies darauf hin, dass die Ärztinnen und Ärzte durch die Budgetierung im ambulanten Bereich bereits seit Jahren und Jahrzehnten ihren Teil zum Erhalt des Gesundheitswesens beitragen. Das nicht ausgezahlte Honorar, was ihnen nach der Gebührenordnung zustünde, habe sich inzwischen mindestens auf einen zweistelligen Milliardenbetrag summiert.

„Längere Wartezeiten, wesentlich schwerer zu findende Arzttermine“ seien die Folgen, auf die sich Patientinnen und Patienten einstellen müssten, sollte die Regelung wegfallen, wies Hofmeister hin. Die Praxen könnten diese Leistungen auf Dauer nicht mehr erbringen – auch weil das Geld fehle, um Personal anständig bezahlen zu können. Denn qualifiziertes Personal zu finden und zu halten sei ein zunehmendes Problem.

Resolution von KBV, KVen und Berufsverbänden  

Vor den Folgen des Wegfalls der Neupatientenregelung warnen auch die Unterzeichner einer Resolution, mit der sich KBV, Kassenärztliche Vereinigungen und rund 50 Berufsverbände am Mittwoch an die Politik gewandt haben.

„Mit dem Inkrafttreten des TSVG haben die Ärztinnen und Ärzte – im Vertrauen auf den Bestand dieser Regelungen – die Abläufe in den Praxen umgestellt. Der angekündigte Wegfall der Neupatientenregelung würde nicht ohne massive Folgen – wie etwa längere Wartezeiten auf Termine – bleiben“, heißt es darin.
Am Mittwoch fand auch die Anhörung der Verbände zum Referentenentwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages statt.

Die KBV hatte bereits im Vorfeld ihre klare Ablehnung zum Ausdruck gebracht. In ihrer Stellungnahme wies sie darauf hin, dass durch die beabsichtigte Streichung „das Vertrauen der Ärzteschaft in die Stabilität der Normsetzung des Gesetzgebers erschüttert wird“ und die vom Gesetzgeber mit dem TSVG gewollten Anpassungen in der Versorgung zunichtegemacht würden.

Der Referentenentwurf zum Gesetz steht noch unter dem Vorbehalt des Finanz- und Wirtschaftsministeriums und wird erst nach der parlamentarischen Sommerpause weiter beraten.

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz will Lauterbach die Neupatientenregelung zum 1. Januar 2023 ersatzlos streichen. Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte sie mit dem TSVG vor drei Jahren eingeführt mit dem Ziel, dass auch Patientinnen und Patienten, die keinen „festen“ Hausarzt oder Orthopäden haben, schneller einen Termin bekommen. Ärztinnen und Ärzte erhalten dazu die Behandlung neu aufgenommener Patienten in voller Höhe vergütet.

KBV weist Sparvorschläge der Kassen entschieden zurück

Dem GKV-Spitzenverband gehen die Pläne des Ministers nicht weit genug. Er fordert zusätzlich die Streichung der Regelung zu den offenen Sprechstunden in Facharztpraxen sowie eine Nullrunde für den Orientierungswert für die Jahre 2023 und 2024. Für den KBV-Vorstand sind die Sparvorschläge ein weiterer Beleg dafür, wie weit die Krankenkassen von der medizinischen Versorgung und den Problemen ihrer Versicherten entfernt sind.

„Gerade in der gegenwärtigen Zeit, wo viele Bürger Zukunftsängste plagen, ob infolge von Corona, Krieg oder Klimakrise, braucht es ein stabiles und verlässliches Gesundheitssystem“, betonte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen und fügte hinzu: „Statt nach Nullrunden und Honorarkürzungen mit den dadurch zwangsläufig für die Patientinnen und Patienten verbundenen spürbaren Leistungskürzungen, wie aktuell den Wegfall der offenen Sprechstunde, zu rufen, sollten sich die Krankenkassen vielmehr überlegen, wie sie dieses wertvolle Gut für ihre Versicherten auf Dauer erhalten und stärken können.“

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Zentrale Maßnahmen

Die drei zentralen Maßnahmen sind ein erhöhter Steuerzuschuss von zwei Milliarden Euro, ein Bundesdarlehen in Höhe von einer Milliarde Euro sowie eine Erhöhung des Zusatzbeitrages um 0,3 Beitragspunkte.

Außerdem sollen die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenversicherung und des Gesundheitsfonds auf das gesetzliche Minimum reduziert werden: Vier Milliarden Euro würden so bei den Kassen frei, 2,4 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds.

Drei weitere Milliarden sollen durch Effizienzsteigerungen „ohne Leistungskürzungen“, wie Lauterbach betonte, eingespart werden. Eine Maßnahme betrifft die Neupatientenregelung.

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