Logo-KBV

KBV Hauptnavigationen:

Sie befinden sich:

 

Reden

Bericht von Dr. Thomas Kriedel an die Vertreterversammlung

Rede des KBV-Vorstandsmitglieds am 12. Juni 2020

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,

auch ich freue mich außerordentlich, Sie alle hier zu sehen: höchstpersönlich und nicht nur virtuell. Wir alle haben in den letzten Monaten gemerkt, dass das persönliche Gespräch durch nichts vollständig zu ersetzen ist, auch nicht durch digitale Kommunikationsmittel. Das gilt für unseren Austausch im KV-System; das gilt mindestens genauso für den Kontakt zwischen Arzt oder Psychotherapeut und Patient.

Aber wir haben auch gemerkt: Digitale Anwendungen können vieles erleichtern, zumal wenn der direkte Austausch nicht möglich ist. Sie können Brücken bauen, wenn man anders nicht zueinanderkommt. Ich bin überzeugt, dass viele Ärzte und Psychotherapeuten die Digitalisierung und ihre Möglichkeiten in Zeiten von Corona besser kennengelernt haben. Deshalb wollte ich den Fokus meiner Rede heute eigentlich auf die Chancen richten, die sich dadurch ergeben. Und dann kam die Nachricht von einem gravierenden Störfall in der Telematikinfrastruktur (TI).

Was dort passiert ist, zwingt mich leider dazu, andere Töne anzuschlagen. Zunächst der Sachstand: Was wissen wir? Am 27. Mai ging bei der gematik die Meldung über eine Störung in der zentralen TI ein. Auslöser war ein Fehler im Zuge einer Aktualisierung im Verschlüsselungssystem. Die Folge davon ist, dass die betroffenen Konnektoren keine Verbindung mehr zu den Servern der TI aufbauen können. 

Deshalb ist der automatische Online-Abgleich der Versichertenstammdaten (VSDM) beim Einlesen der elektronischen Gesundheitskarten (eGK) in den Praxen nicht mehr möglich. Betroffen sind alle Konnektoren von T-Systems, von Secunet und von RISE sowie ein kleiner Anteil von Konnektoren der CompuGroup Medical. Insgesamt geht es um bis zu 80.000 Konnektoren. Lange Zeit war nicht klar, wie genau sich der Fehler in der Praxis äußert beziehungsweise wie Ärzte erkennen können, ob sie betroffen sind oder nicht.

Bei vielen kann die eGK der Versicherten zwar noch eingelesen werden und es wird ein Prüfnachweis erzeugt, aber kein VSDM durchgeführt. Bei anderen wird der Vorgang des Einlesens abgebrochen, ohne dass ein Prüfnachweis erfolgt. Bei wieder anderen ist der Konnektor komplett offline und kann keinerlei Verbindung in die TI herstellen, also zum Beispiel auch nicht für den e-Arztbrief. Wichtig ist, dass laut Auskunft der gematik aber zu keiner Zeit ein Sicherheitsproblem für die TI selbst bestand. Es geht um die Verfügbarkeit.

Wir als KBV – und Gesellschafter der gematik – haben erst zwei Tage nach Auftritt der Störung überhaupt von dem Problem erfahren. Bis dahin hielt die gematik es nicht für nötig, uns oder die Ärzte und Psychotherapeuten selbst zu informieren. Offensichtlich war bei der gematik zunächst niemandem die Tragweite des Problems für die Praxen bewusst. Das kann man den Technikern vielleicht nicht vorwerfen, aber den Verantwortlichen schon. Fehler sind nie hundertprozentig zu vermeiden, das ist so. Aber der Umgang damit, der lässt sich sehr wohl beeinflussen. Und hier hat die gematik, das muss man so klar sagen, versagt.

Sie konnte in den ersten Tagen auch auf mehrfaches Nachfragen unsererseits auf viele, für die Praxen drängende Fragen keine zufriedenstellenden Antworten liefern. Etwa: Woran erkennt eine Praxis, ob sie betroffen ist? Und wenn ja, was soll sie tun? Sind Anwendungen im Sicheren Netz der KVen weiterhin erreichbar, nicht zuletzt für die Quartalsabrechnung? Wird beim Einlesen der Karte ein Prüfnachweis erzeugt? Kann die eGK vom Praxisverwaltungssystem gelesen werden?

Die gematik hat am 29. Mai eine Pressemitteilung verschickt und eine sogenannte Statusseite freigeschaltet, auf der sie online nach und nach Fragen beantwortet. Aus meiner Sicht waren die ersten Inhalte aber nicht geeignet, technischen Laien wirklich weiterzuhelfen. Das ist im Lauf der Zeit besser geworden. Klar war zunächst lediglich, dass die Praxen das Problem nicht selbst beheben können. Der einzige Tipp, den es frühzeitig gab, lautete: Wenden Sie sich an Ihren IT-Dienstleister.

Doch wer soll für den Aufwand bezahlen? Auf diese Frage gibt es fast drei Wochen nach Beginn der Störung keine zufriedenstellende Antwort! Zwar hat die gematik selbst gesagt, dass Praxen für die Reparatur der Konnektoren nicht bezahlen müssen. Es wurde aber auch niemand benannt, der die Kosten übernimmt.
Die Folge war natürlich, dass entweder die Praxen keine Dienstleister beauftragten, weil sie Sorge hatten, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Oder umgekehrt, dass die IT-Firmen den Auftrag nicht annehmen, solange nicht klar ist, an wen sie die Rechnung schicken. 

Klar ist: Die Ärzte und Psychotherapeuten trifft keine Schuld an der Störung, sie haben jedoch in der Folge mit mannigfaltigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Deshalb muss ihnen schnell und unbürokratisch geholfen werden. Dazu gehört auch die Garantie, dass sie nicht für den Schaden bezahlen müssen.

Wir haben uns deshalb Anfang Juni mit einem Schreiben an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gewandt. Darin habe ich darum gebeten, die Frage der Kostenübernahme zeitnah zu klären. Außerdem habe ich betont, dass die Ärzte nicht sanktioniert werden dürfen, wenn sie aufgrund der technischen Störung das VSDM nicht durchführen können, und auch hier um eine rechtssichere Klarstellung des BMG gebeten. 

In der Gesellschafterversammlung der gematik am vergangenen Mittwoch habe ich deshalb auf folgende Regelung gedrungen: Praxen sollen von jeglicher Kostendiskussion mit Dienstleistern im Zusammenhang mit einem Ausfall der TI freigestellt werden. Dies gilt auch für die Rechnungstellung. Die Abrechnung des Dienstleisters hat grundsätzlich über Dritte zu erfolgen. Die Praxen sind in diesen Prozess nicht zu involvieren. Etwaige Schadenersatzansprüche gegenüber dem technischen Betreiber der TI sind durch die gematik zu prüfen.

Dieser Antrag hat in der Gesellschafterversammlung nicht die erforderliche Mehrheit bekommen. Stattdessen wurde argumentiert, dass die Dienstleister vor Ort eine monatliche Pauschale bekämen, mit der auch die Behebung solcher Schäden wie dem jetzigen – auch wenn sie von anderen verursacht wurden – beglichen sei. Das wird zu unschönen Diskussionen in der Praxis führen. Und deshalb muss über den Umfang der Pauschale zentral entschieden werden.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung lautet nun wie folgt: Der Dienstleister vor Ort soll das Problem in der jeweiligen Praxis auf eigene Kosten beheben. Nur wenn der dafür nötige Aufwand über das „Normalmaß“ hinausgeht, könnte gegebenenfalls eine Kostenerstattung über die gematik erfolgen. Dabei handelt es sich jedoch immer um eine Einzelfallentscheidung. 

Ganz offensichtlich hat die gematik keinerlei Vorkehrungen für derartige Worst-Case-Szenarien getroffen. Dass all das nicht dazu beiträgt, die Akzeptanz der TI zu erhöhen, liegt auf der Hand. Auch unabhängig von der Kostenfrage muss sich die gematik Versäumnisse vorhalten lassen: Sie hat zu spät und anfangs nicht ausreichend informiert. Sie hat nicht verständlich genug informiert.

Sie hat zu wenig selbst zur Aufklärung beigetragen beziehungsweise musste erst dazu gedrängt werden. Ich hoffe, dass hier ein Lernprozess für die Zukunft stattfindet. Die gematik ist eben nicht mehr nur ein Software-Entwickler, sondern verantwortlich für den reibungslosen Betrieb der TI. Damit hat sie auch politische Verantwortung, dass die Versorgung funktioniert. Und wer diese Rolle ernst nimmt, muss in einer Krise angemessen reagieren und auch kommunizieren! 

Das Stichwort Krise bringt mich wieder zum Ausgangspunkt meiner Rede zurück. Ich hatte davon gesprochen, dass die Digitalisierung im übertragenen Sinne Brücken bauen kann. Eine solche Brücke hat in der Corona-Krise einen massiven Ausbau erfahren: die Videosprechstunde. Während noch im Januar und Februar weniger als 2.000 Anzeigen dafür bei den KVen eingingen, waren es allein im März annähernd 20.000! KBV und GKV-Spitzenverband haben hierfür schnell pragmatische Übergangslösungen geschaffen und den Rahmen der Abrechenbarkeit erweitert. Sie in Ihren KVen haben den Rahmen regional teils noch weiter gefasst.

Klar ist aber auch: Video- und Telefonsprechstunde sind nur bei bereits bekannten Patientinnen und Patienten sinnvoll und nur als Ergänzung, nicht als Ersatz des persönlichen Kontakts zwischen Arzt und Patient oder zwischen Therapeut und Patient. Das hat Stephan Hofmeister ja bereits ausgeführt. 

Die Videosprechstunde erfreut sich eines steigenden Zuspruchs, auch von Seiten der Versicherten. Einer Befragung von rund 10.000 Bürgerinnen und Bürgern, dem sogenannten E-Patient Survey, zufolge sind die Nutzer der Videosprechstunde allerdings überwiegend jünger als 40 Jahre, häufig Akademiker und leben in Ballungszentren. Sie entsprechen also eben nicht dem Bild des Nutzers, welches die politischen Befürworter der Fernkonsultation gerne zeichnen, nämlich: der ältere chronisch kranke Patient auf dem Land.

Das Hauptproblem ist dabei nach wie vor ein technisches: Verbindungsprobleme und mangelnde oder fehlende Datenleitungen. Wer die umfassende Digitalisierung in den Praxen fordert und dabei aufs Tempo drückt, der muss konsequenterweise auch beim flächendeckenden Breitbandausbau Gas geben!

Wie die Vertragsärzte und -psychotherapeuten selbst den Stand der Digitalisierung bewerten, das erfragen wir in unserem jährlichen PraxisBarometer Digitalisierung. Die Fragebögen für die diesjährige Befragung sind kürzlich an die Praxen rausgegangen.

Wie gesagt: Ich rechne damit, dass durch die Corona-Problematik viele Ärzte und Psychotherapeuten den Wert der Digitalisierung jetzt anders einschätzen als noch vor einem Jahr. Aber wir können ihre Belange nur dann angemessen vertreten, wenn wir über eine fundierte Datenlage zum Stand der Digitalisierung und der Akzeptanz in den Praxen verfügen. Ich danke schon jetzt allen, die an unserer Befragung teilnehmen.

Die Zeit der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie hat auch dazu geführt, dass Rufe laut wurden, die e-AU und das e-Rezept sollten schneller eingeführt werden als geplant. Hierbei werden häufig zwei Dinge verwechselt: Das digitale Ausstellen von Dokumenten – auf Basis eines zuvor erfolgten persönlichen Kontakts – ist etwas anderes als die Fernbehandlung per Telefon oder Video. Der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt ist und bleibt aus medizinischer Sicht der Goldstandard; Telefon- und Videogespräche sind allenfalls eine nützliche Ergänzung.

Hinzu kommt, dass es nach jetzigem Stand die reine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (e-AU) und das reine e-Rezept vorerst nicht geben wird: Ein Beleg muss zunächst zusätzlich auf Papier ausgedruckt werden. Das erscheint bequem für alle anderen, aber eben nicht für die Praxen! 

Einen ganz anderen praktischen Wert haben da die Medizinischen Informationsobjekte, kurz MIOs, der KBV. Die Hälfte unserer Hausaufgaben haben wir schon fast erledigt: das Zahnbonusheft und den e-Impfpass. Dieser durchläuft derzeit die Phase der Benehmensherstellung und wird dann vom Vorstand beschlossen. Bis Ende des Jahres werden alle vier MIOs fertig sein, die uns aufgegeben wurden – also auch der Mutterpass und das U-Heft. Das läuft so gut, dass uns der Gesetzgeber mit dem PDSG bereits weitere MIOs ins Hausaufgabenbuch geschrieben hat. Denn wir haben bewiesen: Wir halten Wort. Wir liegen im Zeitplan und werden für unser transparentes und kooperatives Vorgehen allseits gelobt.

Viele Fachgesellschaften und Verbände wollen uns Ideen oder sogar Entwürfe für Spezifikationen für MIOs zuliefern. Das freut uns, denn unser gesamtes Verfahren ist darauf angelegt, eine möglichst breite Expertise einzubinden.

Auch an anderer Stelle liefern wir den Beweis für die digitale Leistungsstärke der ärztlichen Selbstverwaltung: Für e-Arztbriefe und andere Anwendungen gehen wir in Kürze mit einem eigenen neuen Kommunikationsdienst an den Markt. Aus der „Kommunikation der Leistungserbringer“, KOM-LE, hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich die „Kommunikation im Medizinwesen“ gemacht, kurz KIM. Dabei hat er uns die Möglichkeit eingeräumt, einen eigenen Dienst für die vertragsärztliche Versorgung anzubieten.

Unter dem Namen kv.dox werden wir nach derzeitiger Planung noch im Sommer den Praxen unser Angebot unterbreiten können. Wir setzen dabei auf einen einfachen Ein- beziehungsweise Umstieg sowie eine einfache Handhabung und einen fairen Preis. Wer bislang KV-Connect nutzt, kann darauf vertrauen, dass alle darin enthaltenen Anwendungen nach und nach auch bei kv.dox integriert sein werden.

Voraussetzung für das Versenden des e-Arztbriefes sind neben dem KIM-Dienst zwei Dinge: erstens der elektronische Heilberufsausweis. Diesen sollten die Praxen jetzt beantragen. Und zweitens das Software-Update zum e-Health-Konnektor. Dieses wird nach jetzigem Stand frühestens im Juli vom ersten Hersteller zur Verfügung stehen. Mittlerweile sind die ersten Feldtests gestartet, von dem wir erwarten, dass er den Nachweis der Praxistauglichkeit erbringt. 

Was ist für die Praxen in den kommenden Monaten zu tun? Der Zeitplan ist weitgehend unverändert; an einigen Stellen haben wir wegen der Corona-Krise darauf gedrungen, Dinge zu verschieben.
Das gilt etwa für die IT-Sicherheitsrichtlinie, die wir Ihnen in der gestrigen Info-Veranstaltung vorgestellt und mit Ihnen diskutiert haben. Ergebnis dieser Diskussion ist eine Resolution der Vertreterversammlung, die wir Ihnen gleich zur Abstimmung vorlegen werden.

Darin halten wir fest, dass die VV erst dann über einen Antrag zur IT-Sicherheitsrichtlinie nach § 75b SGB V abstimmen wird, wenn der Gesetzgeber eine aufwandsgerechte Finanzierung für die Aufwände sichergestellt hat, die den Arztpraxen aus der Richtlinie entstehen.

Eine solche finanzielle Unterstützung entspricht im Übrigen auch dem Ziel des Konjunkturpakets der Bundesregierung, das mein Kollege Stephan Hofmeister bereits ansprach. Darin ist eine solche Investitionsförderung in Sachen Cyber Security explizit genannt – allerdings nur für die Krankenhäuser. Hierauf sollten auch die Niedergelassenen einen Anspruch haben!

Ich könnte noch viele weitere einzelne Digitalisierungsbaustellen der kommenden Wochen, Monate und Jahre mit Ihnen durchdeklinieren: e-AU, e-Rezept, Komfortsignatur, digitale Gesundheitsanwendungen – die sogenannten Apps auf Rezept –, Identitätsmanagement bei der Videosprechstunde, Konnektoren und sonstige TI-Komponenten, elektronische Patientenakte und so weiter.

Aber das ist so ein bisschen wie mit dem sprichwörtlichen Wald und den einzelnen Bäumen. Deshalb ist es immer wieder wichtig, den Fokus zu erweitern und den Wald im Ganzen zu betrachten. Worauf es uns dabei ankommt – ankommen muss –, sind immer wieder die gleichen Kernpunkte: die Sinnhaftigkeit und der tatsächliche Nutzen digitaler Anwendungen als Ausgangsbasis in Balance mit dem Dreiklang Datenschutz, Datensicherheit und Praktikabilität und neben der haftungsrechtlichen und technischen Absicherung auch die finanzielle durch eine umfassende Kostenerstattung.

Das sind unsere Prüfsteine, das sehen wir als unseren Auftrag an. Und damit sind wir bislang gut gefahren. Denn klar ist: Sobald eine Digitalisierungsbaustelle fertig ist, wird es fünf neue geben. Beispielsweise die Komfortsignatur für e-Rezept, e-AU und die MIOs. Oder auch die Apps auf Rezept. Hier ist noch zu viel unklar: Wer informiert die Patienten über Funktionalität und Zweck der Apps? Wird es so etwas wie einen digitalen Beipackzettel geben? Wie läuft der Verordnungsprozess? Wer prüft die Aussagen der Hersteller? Keine dieser Fragen darf offenbleiben, wenn die Ärzte das von ihnen erwartete Engagement tatsächlich aufbringen sollen.

 
Meine Damen und Herren, 

den Praxen wurde und wird wahrscheinlich auch noch in den kommenden Monaten einiges abverlangt werden, nicht nur durch die Folgen der Corona-Krise. Und das in einer ohnehin wirtschaftlich und mental belastenden und belasteten Zeit. Deshalb ist für meine Vorstandskollegen und mich eines ganz klar:

Die Praxen dürfen gerade jetzt nicht mit den nächsten Digitalisierungsschritten überfordert werden, weder finanziell noch beim Arbeitsaufwand! Bedingt durch politische oder industrielle Vorgaben werden mehrere technische Zwischenschritte zu gehen sein. Schon das allein bedeutet zusätzlichen Aufwand und Unterbrechungen im Praxisbetrieb. Umso wichtiger ist, dass die Praxen die Kosten für jeden einzelnen Schritt erstattet bekommen – und nicht erst nach erfolgreichem Abschluss.

Mit Sorge beobachten wir die neue Tendenz, Preise gesetzlich vorzugeben, etwa im PDSG für das erstmalige Befüllen der elektronischen Patientenakte. Besser aus unserer Sicht ist es, hier den bewährten Weg im Bewertungsausschuss zu gehen oder über Verhandlungen zum Bundesmantelvertrag, um den Aufwand in den Praxen realitätsnäher abzubilden. 

Auch das Androhen von Sanktionen statt positiver Anreize kritisieren wir nach wie vor. Denn eines gilt unverändert: Ohne die Praxen findet Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht statt! 

Die hinter uns liegenden Wochen haben gezeigt, wie schnell Dinge bewerkstelligt werden können, wenn es drauf ankommt. Sie haben uns aber auch eine weitere wichtige Erfahrung beschert: nämlich, dass man Dinge vereinfachen kann, ohne dass alles zusammenbricht. Auch aus dem Bereich Qualitätssicherung gibt es erfreuliche Beispiele. Kassen, KVen und KBV haben hier gemeinsam an einem Strang gezogen, einvernehmlich und ohne viel Gezerre.

So konnten wir uns beispielsweise darauf verständigen, die vorgeschriebenen quartalsbezogenen Kontrolluntersuchungen, ärztlichen Dokumentationspflichten sowie Schulungen für Patienten in den Disease-Management-Programmen auszusetzen, sofern dies im Einzelfall medizinisch vertretbar ist. Alternativ kann auch eine telemedizinische Konsultation erfolgen.

Dies gilt bis 30. September. Mindestens bis Ende Juni können die KVen noch Qualitätssicherungs-Maßnahmen aussetzen oder variieren, um auf die corona-bedingte Sondersituation zu reagieren. Dies betrifft unter anderem Dokumentationsprüfungen durch Stichproben, Geräteprüfungen, die Einhaltung von Mindestmengen sowie Fortbildungen.

So haben Ärzte und Psychotherapeuten etwa ein Quartal länger Zeit, Nachweise für fachliche Fortbildungen zu erbringen. Dafür hatten wir uns beim BMG eingesetzt. Auch die erforderliche Punktzahl konnte durch Beschluss der VV gesenkt werden. All das sind Beispiele dafür, dass Regelungen flexibel gestaltet werden können, wenn alle mitmachen.

Wenn es alleine nach uns als KBV ginge, würden wir dieses Momentum gerne nutzen, um insbesondere in dem für Praxen und alle Beteiligten sehr aufwendigen Bereich der Qualitätssicherung ein paar Dinge kritisch zu hinterfragen. Ich bin mir allerdings bewusst, dass das ein ziemlich dickes Brett ist. Aber wir bleiben dran. Wenn die Corona-Krise schon einen Schub für die Digitalisierung gebracht haben soll, dann bitte auch für die Entbürokratisierung!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 
mir ist bewusst, dass die aktuellen Probleme in der TI Wasser auf die Mühlen der Digitalisierungsskeptiker sind. Wir als KBV tragen in diesem Fall keine Verantwortung. Aber ich mag mir gar nicht vorstellen, was die Konsequenz eines TI-Ausfalls in der Zukunft sein könnte. Dazu nur eine Zahl von den Apothekern: Künftig werden pro Stunde rund 100.000 Rezepte in der TI übertragen – oder eben nicht! Leider kann niemand eine Garantie abgeben, die Fehler in Zukunft komplett ausschließt.

Aber eines ist klar: Wir brauchen dringend einen Mechanismus, um auf derartige Krisen schnell reagieren zu können. Und hier bedarf es einer Organisation, die sich der Tragweite des Betriebs der TI bewusst ist und die Verantwortung auch selbstständig annimmt. 

Die Sache ist ernst. Wir haben deshalb eine Resolution entworfen, mit der wir als KBV und KVen ein klares Signal setzen wollen. Denn: Es kann nicht sein, dass die Ärzte mit so einem gravierenden Problem tage- oder gar wochenlang alleine gelassen werden und sehen müssen, wie sie zurechtkommen.

Das heißt: Wir brauchen eine Ausfallsicherung, damit die Versorgung auch in technischen Störfällen uneingeschränkt weitergehen kann. Wir brauchen grundsätzlich eine sofortige Information der Praxen, wie sie akut vorgehen müssen, idealerweise ohne zusätzlichen Aufwand. Und es muss klar sein, dass die Praxen nicht finanziell belangt werden für Fehler, die sie nicht verursacht haben. 

Zusammenfassend: Versäumnisse der gematik dürfen nicht auf dem Rücken der Ärzte und Psychotherapeuten ausgetragen werden!

Meine Damen und Herren,
ich möchte aber auch betonen: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Chancen der Digitalisierung ihre Risiken überwiegen – im Sinne der vorhin erwähnten Brückenfunktion. 

In diesem Sinne werden wir Ihnen gleich einige technische Richtlinien zum Beschluss vorlegen. Unter anderem bitten wir Sie, einer Aktualisierung der Zertifizierungsrichtlinie der KBV zuzustimmen. Diese erlaubt es der KBV, PVS-Prüfungen nicht nur als Präsenztermin in Berlin, sondern auch per Videokonferenz durchzuführen. Erste Tests mit PVS-Herstellern sind sehr vielversprechend gelaufen. Ein sinnvoller Schritt, nicht nur in Pandemiezeiten.

Das waren heute lange Ausführungen, aber die aktuelle Lage – insbesondere bei der Thematik TI-Infrastruktur – scheint mir dies zu rechtfertigen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 

Vielen Dank.
 

Es gilt das gesprochene Wort.