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PraxisNachrichten: Hinterher ist man immer schlauer

Gassen empört über Ignoranz der Politik - Protest gegen Sparpläne hält unvermindert an

29.09.2022 - Mit Empörung hat KBV-Chef Dr. Andreas Gassen auf die Ignoranz der Politik gegenüber den Problemen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten reagiert. Den Politikern der Ampelkoalition sei „nicht bewusst oder vollkommen egal, dass gerade die Axt an die ambulante Versorgung gelegt wird“, sagte Gassen nach der Anhörung zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages am Mittwoch.

Mit fast 700 Millionen Behandlungsfällen jährlich sowie über einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte stemmten die niedergelassenen Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten den Großteil der Versorgung, betonte Gassen. Doch für die Politik scheine dies keine schützenswerte Struktur zu sein: „Kein Wort zu den Problemen, die die aktuelle Preisentwicklung für die Praxen bedeutet. Dass man stattdessen die Neupatientenregelung streichen will, gerät angesichts der Forderung der Kassen nach Nullrunden für Praxen für die kommenden zwei Jahre fast zur Nebensache.“ 

Gassen stellte klar, würden die Pläne der Ampelkoalition unverändert umgesetzt, müssten sich die Menschen „wohl von der von ihnen hochgeschätzten wohnortnahen ambulanten Versorgung verabschieden“.

Enormer Vertrauensverlust bei den Niedergelassenen

Unterdessen hatte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Montag mit hochrangigen Vertretern des deutschen Gesundheitswesens auf einem Gipfeltreffen in München die Korrektur des geplantes GKV-Gesetzes gefordert. 

Der bisherige Entwurf sei nicht tragbar, betonte Holetschek nach dem Treffen und war sich darin mit den anderen Teilnehmern einig. Schließlich habe Lauterbach versprochen, dass die Versicherten keine Leistungskürzungen zu befürchten hätten. Eine Streichung der Neupatientenregelung hätte jedoch längere Wartezeiten in den Arztpraxen zur Folge.

Gassen, der ebenfalls an dem Treffen teilgenommen hatte, sprach in diesem Zusammenhang von einem drohenden enormen Vertrauensverlust bei den Niedergelassenen, wenn die erst 2019 unter großem Zuspruch des Ministers eingeführte Neupatientenregelung nun auf dessen Drängen wieder gestrichen würde. „Wir brauchen sichere und verlässliche politische Rahmenbedingungen, keine willkürlich anmutenden Schnellschüsse.“

Dass die Neupatientenregelung entgegen der Aussage von Lauterbach wirkt, zeigen aktuelle Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Danach war die Zahl der Neupatientenfälle im ersten Quartal 2022 mit 27,1 Millionen so hoch wie noch nie seit Einführung der Regelung im Mai 2019. Auch 2021 war die Zahl mit insgesamt 101,1 Millionen deutlich höher als 2020 (92,8 Millionen) und höher als 2019 (99,2 Millionen). 

Niedergelassene gewähren seit Jahrzehnten Dauerrabatt

Harsche Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung hatten in der vergangenen Woche auch die Delegierten der Vertreterversammlung der KBV geübt. Die Ärztinnen und Ärzte fühlten sich von Kassen und Politik im Stich gelassen, betonte Gassen und warnte vor weiteren Spar- und Kürzungsmaßnahmen in der ambulanten Versorgung auf Kosten der Patientinnen und Patienten. 

Seit Einführung der Budgetierung in der vertragsärztlichen Versorgung vor knapp 30 Jahren, „gewähren wir den Krankenkassen einen Dauerrabatt auf unsere ärztliche und psychotherapeutische Arbeit“. Dieser summiere sich mittlerweile auf etwa 100 Milliarden Euro. 

KBV prüft rechtliche Schritte gegen OW-Beschluss 

In diesem Zusammenhang wurden die Regelungen zur Steigerung des Orientierungswertes (OW) als „aus der Zeit gefallen“ bezeichnet. „Wir rennen unserem Inflationsausgleich immer hinterher“, kritisierte Gassen und kündigte die Prüfung rechtlicher Schritte gegen den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses an. Denn auch alle Arztpraxen seien von enorm steigenden Energiekosten betroffen. Das decke die karge Erhöhung des Orientierungswertes nicht im Ansatz ab, kritisierte er und hob hervor: Zweifelsfrei seien Praxen „Teil der systemrelevanten kritischen Infrastruktur“.

Wenn es keinen Ausgleich gäbe, müsse man klar sagen, dass die Versorgung nicht mehr sichergestellt werden könne, sagte Gassen. Der Sicherstellungs-Pakt sei unter anderen Bedingungen geschlossen worden und werde nun von der Politik einseitig aufgekündigt. Dieser Auftrag könne so nicht mehr erfüllt werden, wenn nicht ein Richtungswechsel eintrete.

KBV-Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister stellte klar: „Wir wollen die Versorgung sicherstellen und die Menschen versorgen. Dies funktioniert aber nicht, wenn man uns die Mittel dazu entzieht.“

Hofmeister kündigte an, dass KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen noch in diesem Jahr auf einer Klausurtagung über die Zukunft der Sicherstellung beraten wollen. Dabei wird es auch um das Verfahren zur Anpassung des Orientierungswertes gehen, das aus Sicht des KBV-Vorstands dringend überarbeitet werden muss.

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