Informationen zur neuen Heilmittel-Richtlinie
Ob Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie: Die Vorgaben zur Verordnung von Heilmitteln sind über die Jahre immer komplexer geworden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Heilmittel-Richtlinie deshalb grundlegend überarbeitet. Die neuen Vorgaben gelten seit 1. Januar 2021.
Die KBV stellt verschiedene Serviceangebote zur Verfügung, um Arztpraxen zu helfen, sich möglichst einfach mit den neuen Regelungen vertraut zu machen.
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Die Broschüre „Heilmittel“ aus der Reihe PraxisWissen stellt die wichtigsten Neuerungen kompakt und anschaulich vor, unter anderem den Verordnungsfall, die orientierende Behandlungsmenge oder das neue Formular 13. Zudem enthält das Serviceheft Praxisbeispiele zu jedem Verordnungsbereich und Tipps zum Verordnen.
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Ergänzend zur Servicebroschüre „Heilmittel“ wurde ein Video in der Reihe Fit für die Praxis erstellt, das die wichtigsten Kernpunkte in wenigen Minuten zusammenfasst.
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Der neue Heilmittelkatalog wird in Kürze auch in der App KBV2GO! enthalten sein. Nach dem Herunterladen der App auf das Smartphone kann der Heilmittelkatalog dort angeklickt und mobil genutzt werden. Er bietet eine komfortable Suchfunktion.
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Im Fortbildungsportal der KBV können Ärzte an zwei Fortbildungen zum Thema Heilmittel teilnehmen: „Heilmittel: Grundsätze und Rahmenbedingungen“ sowie „Anwendung der Heilmittel-Richtlinie“. Beide Fortbildungen sind mit jeweils drei CME-Punkten zertifiziert.
Hinweis:
Das Fortbildungsportal ist ein Angebot für Vertragsärzte und -psychotherapeuten im Sicheren Netz der Kassenärztlichen Vereinigungen. Um sich anmelden zu können, muss der Praxiscomputer mit dem Sicheren Netz verbunden sein, zum Beispiel über die Telematikinfrastruktur. Die Anmeldung im Fortbildungsportal erfolgt mit persönlichen Zugangsdaten, die die KV vergibt. Gegebenenfalls ist eine Freischaltung für das Fortbildungsportal erforderlich.
Verordnen von Heilmitteln
zur Videoseite 3:51
Fit für die Praxis - Verordnen von Heilmitteln
Zum 1. Januar 2021 wurde das Verordnen von Heilmitteln vereinfacht – und das gilt für Krankengymnastik, Logopädie und Ergotherapie. Näheres dazu erfahren Sie in diesem Video.
Seit Januar 2021 gibt es nur noch ein Verordnungsformular für alle Heilmittel: das neue Formular 13. Dieses löst die alten Formulare 13, 14 und 18 ab.
Im neuen Formular 13 sind die Felder so angeordnet, dass sie sich am Arbeitsablauf in der ärztlichen Praxis orientieren. Ärzte kreuzen zunächst an, ob sie Physiotherapie, Podologie, Ergotherapie, Ernährungstherapie oder Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie verordnen. Anschließend geben sie die weiteren erforderlichen Daten an, unter anderem Diagnose, Leitsymptomatik, Heilmittel und Therapiefrequenz.
Viele Formularfelder entfallen, weil die Angaben nicht mehr benötigt werden, etwa Erst- und Folgeverordnung oder Begründung für Verordnungen außerhalb des Regelfalls. Auch die Felder für das Tonaudiogramm sowie den Trommelfell- und Stimmbandbefund entfallen. Diese werden nur selten befüllt, da die Grafiken in der Regel direkt aus dem Messgerät heraus erstellt werden. Sofern die entsprechenden Befunde künftig erforderlich sind, können sie als Freitext angegeben oder der Verordnung beigefügt werden.
Folgende Angaben sieht das neue Formular 13 vor:
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Ärzte kreuzen an, ob sie Physiotherapie, Podologie, Ergotherapie, Ernährungstherapie oder Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie verordnen.
Die Angabe soll dem Patienten helfen, den richtigen Therapeuten zu finden.
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Wie bisher werden die Diagnosegruppe (gemäß Heilmittelkatalog) und die behandlungsrelevante Diagnose im Format ICD-10 angegeben.
In der Verordnungssoftware wird der Diagnoseklartext dann automatisch eingefügt und kann bei Bedarf ergänzt werden.
Wie bisher kann eine weitere Diagnose angegeben werden. Sie ist nur dann notwendig, wenn ein besonderer Verordnungsbedarf geltend gemacht werden soll, bei dem die Angabe eines zweiten ICD-10-Codes Voraussetzung ist.
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Weiterhin Pflicht ist die Angabe der Leitsymptomatik.
Künftig sind dafür gesonderte Ankreuzfelder vorgesehen. Damit können entweder eine oder mehrere buchstabenkodierte Leitsymptomatik(en) nach Heilmittelkatalog ausgewählt werden. In diesem Fall wird die Verordnungssoftware wieder den Klartext automatisch auf das Formular hinzufügen.
Alternativ kann eine patientenindividuelle Leitsymptomatik, die für die Heilmittelbehandlung handlungsleitend ist, formuliert und im Freitextfeld angegeben werden. Voraussetzung ist, dass diese Leitsymptomatik der jeweiligen Diagnosegruppe zugeordnet werden kann und mit den im Heilmittelkatalog aufgeführten Regelbeispielen vergleichbar ist.
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Zukünftig können bis zu drei vorrangige sowie ein ergänzendes Heilmittel gleichzeitig verordnet werden, wofür jeweils gesonderte Felder bestimmt sind.
Die Verordnungssoftware bietet entsprechend der angegebenen Diagnosegruppe die verordnungsfähigen Heilmittel (gemäß Heilmittelkatalog) zur Auswahl an.
Dabei kann die Behandlungszeit festgelegt werden, zum Beispiel 45 Minuten bei der manuellen Lymphdrainage (MLD-45) oder 30 Minuten bei der Sprachtherapie (Sprachtherapie-30). Zudem wird definiert, ob die Maßnahme als Einzeltherapie (KG) oder als Gruppentherapie erfolgen soll (KG Gruppe).
Wie bisher sind den Heilmitteln die Behandlungseinheiten zuzuordnen, wobei die Anzahl den Wert gemäß Heilmittelkatalog nicht überschreiten darf.
Bei Verordnung mehrerer Heilmittel sind die Einheiten entsprechend aufzuteilen. Die Höchstmenge eines ergänzenden Heilmittels richtet sich nach den verordneten Behandlungseinheiten des vorrangigen Heilmittels.
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Die Therapiefrequenz wird von der Software künftig als Therapiespanne (in der Regel „1-3 x wöch.“) vorbelegt.
Sie ist jedoch wie bisher nur eine Empfehlung und dient zur Orientierung. In medizinisch begründeten Fällen können Ärzte davon abweichen, ohne dass eine zusätzliche Dokumentation erforderlich ist. Heilmitteltherapeuten sind an die ärztlich angegebene Therapiespanne gebunden und dürfen davon nur nach Abstimmung mit dem verordnenden Arzt abweichen.
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Bezüglich der Verordnung eines Hausbesuches sind keine Änderungen erfolgt. Bei Anforderung eines Therapieberichts entfällt ein Ankreuzfeld, indem bei Verzicht auf einen Therapiebericht keine Kennzeichnung mehr erfolgen muss. Die Angabe von Therapiezielen bleibt für die Vertragsärzte freiwillig.
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Mit der Änderung der Heilmittel-Richtlinie verlängert sich die Gültigkeit der Verordnung von 14 auf 28 Tage.
Das Feld zur Angabe eines späteren Behandlungsbeginns entfällt. Gleichzeitig kann es aber medizinisch notwendig werden, dass die Behandlung früher begonnen wird. In diesem Fall ist das Feld „dringlicher Behandlungsbedarf“ anzukreuzen.
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Die Rückseite der Verordnung wurde ebenfalls überarbeitet. Sie enthält aber nach wie vor nur Angaben, die für Therapeuten, Patienten oder Krankenkassen relevant sind.
Ab 2021: weitere wichtige Änderungen
Neben dem neuen Formular 13 gelten seit Januar 2021 vereinfachte Vorgaben zur Heilmittelverordnung:
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Systematisch sind drei Begriffe wichtig:
- der Verordnungsfall
- die orientierende Behandlungsmenge
- das Verordnungsdatum.
Bezugsgröße ist nicht mehr der Regelfall, sondern der Verordnungsfall. Er bezieht sich auf den verordnenden Arzt, die Erkrankung seines Patienten und das Verordnungsdatum.
Ärzte müssen damit nicht mehr in Erfahrung bringen, wieviel Heilmittel andere Kolleginnen oder Kollegen demselben Patienten verordnet haben.
Ein Verordnungsfall endet sechs Monate nach dem Verordnungsdatum – sofern der Arzt in dieser Zeit keine weitere Verordnung aufgrund derselben Erkrankungen für denselben Patienten ausstellt.
Für jede Diagnosegruppe ist im Heilmittelkatalog eine sogenannte orientierende Behandlungsmenge angegeben. Mit ihr soll das Behandlungsziel erreicht werden. Sofern medizinisch notwendig, können Ärzte weitere Verordnungen ausstellen. Eine Begründung ist nicht mehr auf der Verordnung notwendig, sondern nur noch in der Patientenakte zu dokumentieren.
Allerdings: Wie bisher gibt es für jede Verordnung Höchstmengen. Diese dürfen Ärzte nur in Ausnahmefällen überschreiten – etwa bei einem langfristigen Heilmittelbedarf oder bei einem besonderen Verordnungsbedarf.
Sowohl die orientierende Behandlungsmenge als auch die Höchstmenge je Verordnung finden Ärzte im Heilmittelkatalog – ebenso wie die jeweils empfohlene Therapie-Frequenz. Der Heilmittelkatalog steht in Kürze auch in der App KBV2GO! zur Verfügung.
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Insgesamt ist der Heilmittelkatalog übersichtlicher. Die Diagnosegruppen wurden zusammengefasst, vor allem im Bereich Physiotherapie.
Innerhalb der Diagnosegruppen wird nicht mehr unterschieden zwischen kurzfristigem oder mittelfristigem beziehungsweise langfristigem Behandlungsbedarf.
Was ebenfalls entfällt: das Aufrechnen der Verordnungsmengen von Vor-Verordnungen für verwandte Diagnosegruppen. Und: Ärzte brauchen nicht mehr formell zu wechseln zwischen verwandten Diagnosegruppen.
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Auf der Verordnung können neuerdings mehrere Leitsymptomatiken angegeben oder bis zu drei vorrangige Heilmittel zugleich verordnet werden.
Auch können Ärzte die Verordnung als dringlich markieren.
Besteht kein dringlicher Behandlungsbedarf, behält die Verordnung nun länger ihre Gültigkeit: nämlich 28 Tage lang, früher waren es nur 14 Tage. Das soll Patienten mehr Zeit geben, den richtigen Heilmitteltherapeuten zu finden und einen Termin zu vereinbaren.
Die fünf Heilmittelbereiche
Die Heilmittel-Richtlinie nennt fünf Heilmittelbereiche. Im Heilmittelkatalog werden die Maßnahmen konkretisiert.
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Physiotherapie ist eine der ältesten Heilformen der Menschheit. Sie kann präventiv, kurativ und rehabilitativ bei einem breiten Spektrum von Erkrankungen eingesetzt werden.
Beispiele:
- Krankengymnastik
- Manuelle Therapie
- Massagen
- Thermotherapie (Kälte und Wärme)
- Manuelle Lymphdrainage
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Hierbei handelt es sich um Maßnahmen wie Hornhautabtragung und Nagelbearbeitung zur Behandlung von Schädigungen der Haut und der Zehennägel bei nachweisbaren Gefühlsstörungen der Füße mit oder ohne Durchblutungsstörungen. Die Schädigungen dürfen nicht so schwer sein, dass sie ärztlich behandelt werden müssen. Podologie ist verordnungsfähig beim diabetischen Fußsyndrom sowie seit Juli 2020 auch beim Fußsyndrom bei Neuropathien und beim Fußsyndrom bei Querschnittsyndromen.
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Ergotherapie unterstützt und begleitet Menschen, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist es, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken.
Beispiele:
- Motorisch-funktionelle Behandlung
- Sensomotorisch-perzeptive Behandlung
- Psychisch-funktionelle Behandlung
- Hirnleistungstraining und neuropsychologisch orientierte Behandlung
Seit Januar 2021 können Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auch Ergotherapie verordnen – allerdings nur bei psychischen Erkrankungen sowie bei bestimmten Erkrankungen des zentralen Nervensystems und bei Entwicklungsstörungen.
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Ziel ist es, die Kommunikationsfähigkeit, die Stimmgebung, das Sprechen, die Sprache und den Schluckakt bei krankheitsbedingten Störungen wiederherzustellen.
- Stimmtherapie soll Probleme bei der Stimmbildung (Phonation) im Kehlkopf beheben oder mildern. Es geht darum, dass die Stimme wieder belastbar wird.
- Sprechtherapie behandelt Redeflussstörungen wie Stottern und Poltern, sowie neurologisch bedingte Sprechstörungen (Sprechapraxie, Dysathrie) in ihren verschiedenen Ausprägungen.
- Sprachtherapie umfasst Maßnahmen zur Anbahnung sprachlicher Äußerungen und zum Aufbau eines Sprachverständnisses. Die Lautsprache soll ausgebildet oder erhalten werden.
- Schlucktherapie wird üblicherweise bei Dysphagie (Schluckstörung) angewandt. Das Spektrum reicht von motorischen Übungen einzelner Muskelpartien, Massagen, thermischer Stimulation sowie Anbahnung von Schluckmanövern über Veränderungen der Körperhaltung beim Essen bis hin zur Kostanpassung.
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Ernährungstherapie kann zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur verordnet werden bei Patienten mit seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen (beispielsweise Phenylketonurie, Harnstoffzyklusdefekte oder Formen der Glykogenose) und Mukoviszidose (Cystische Fibrose). Voraussetzung ist, dass eine Ernährungstherapie als alternativlose medizinische Maßnahme gilt, da ansonsten Tod oder schwere Behinderung drohen. In Deutschland betrifft das schätzungsweise etwa 23.000 Menschen.