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Stand 06.12.2024

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Positionspapier der KBV zur Bundestagswahl 2025 - Unsere Gesundheit erlaubt keinen Stillstand

Forderungen der KBV zur Bundestagswahl zur 21. Legislaturperiode – zum Erhalt des Sozialstaates und einer modernen und zeitgemäßen ambulanten medizinischen Versorgung

Die Amtszeit der abgelaufenen Legislaturperiode der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hat im Ergebnis von 3,5 Jahren einen Stillstand des Gesundheitswesens für die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung und damit einen Stillstand für die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten bedeutet. Bereits zu lange ignoriert die Politik die zunehmenden Probleme in der ambulanten Gesundheitsversorgung bzw. versucht, diese teilweise unlösbaren Probleme auf Dritte abzuwälzen. Eine Gesundheitspolitik für eine moderne und zeitgemäße ambulante medizinische Versorgung bedeutet auch, dass sich Politik ehrlich um eine Problemlösung bemühen muss.

Insbesondere vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung, dem stetig zunehmenden Fachkräftemangel sowie der damit einhergehenden Belastung des Gesundheitswesens insgesamt bekennen wir uns zu einer nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitswesens sowie der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Missachtung der strukturellen Finanzierungsprobleme der GKV muss beendet werden.

Wir stehen als Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die die Interessen der 187.000 vertragsärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vertritt, zur gemeinsamen und ärztlichen Selbstverwaltung; insbesondere und ausdrücklich mit unseren Partnern der gesetzlichen Krankenkassen, der Krankenhäuser sowie der Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie Apotheken. Die Organisation der medizinischen Versorgung gehört in die Hände der Selbstverwaltung. Die strukturelle Missachtung der Selbstverwaltung durch die Politik muss beendet werden.

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Die KBV ist der Dachverband der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Sie organisiert mit diesen gemeinsam die flächendeckende wohnortnahe ambulante Gesundheitsversorgung und vertritt die Interessen der vertragsärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auf Bundesebene.

Wir sind für die ambulante medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands nah. Wir bleiben für Sie nah. Die Zukunft der Medizin ist ambulant. Mit 187.000 Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten organisieren wir die ambulante Medizin in rund 100.000 Praxen wohnortnah. Dafür stehen wir als Praxenland Deutschland.

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1. Selbstverwaltung als tragende Säule des Gesundheitswesens

Das Prinzip der Selbstverwaltung ist eine tragende Säule des deutschen Gesundheitssystems. Es stellt einen gesellschaftlichen Wert dar, der sich nicht an ökonomischen Interessen orientiert.

Selbstverwaltung bedeutet, dass sich diejenigen untereinander organisieren, die sich täglich mit Gesundheit beschäftigen: also Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Rahmen ihrer Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), gesetzliche Krankenkassen mit ihren Versicherten und die Krankenhäuser. Sie gewährleisten gemeinsam durch ständigen Austausch in demokratischen Prozessen die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Dabei organisieren sich die genannten Gruppen in bundesweiten Verbänden. Diese sind im Gemeinsamen Bundesausschuss (G­BA) vertreten.

Die Selbstverwaltungspartner beobachten mit Sorge zunehmende politische Eingriffe in die Selbstverwaltung. Die Freiheit der ärztlichen und psychotherapeutischen Berufsausübung wurde in den vergangenen Jahren zunehmend eingeschränkt. Überbordende Bürokratie, eine unzureichende Finanzierung und immer mehr staatliche Regelungen gefährden die freie Berufsausübung von Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die ausschließlich dem Wohl ihrer Patientinnen und Patienten verpflichtet sind.

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Eine gute und nachhaltige ambulante Versorgung basiert auf einem starken und zugleich sensiblen Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin, Arzt, Psychotherapeutin und Psychotherapeut sowie ihren Patientinnen und Patienten. Dieses besondere Vertrauensverhältnis muss zum Wohl der Patientinnen und Patienten erhalten und geschützt bleiben. Elementare Voraussetzungen hierfür sind das Prinzip der freiberuflichen Berufsausübung und eine funktionierende Selbstverwaltung. Nur ein klares, uneingeschränktes Bekenntnis zu einer dezentralen ambulanten Gesundheitsversorgung sichert den Schutz dieses überaus sensiblen Arzt-Patienten-­Verhältnisses. Freiberuflichkeit – nicht nur, aber auch in Verbindung mit der Selbstständigkeit – ist ein elementares Grundprinzip der freiheitlichen Gesellschaft.

Es geht um die freie medizinische oder auch psychotherapeutische Entscheidung. Die Zuwendung zu Patientinnen und Patienten ist durch keine Interessen Dritter gestört. Erst dadurch ist die vertrauliche Arzt-Patienten­-Beziehung möglich. Deshalb bedarf es des Schutzes der ärztlichen und psychotherapeutischen Therapiefreiheit mit Verantwortung. Das heißt zum Beispiel, dass ein Arzt oder eine Ärztin nach bestem Wissen und Gewissen gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin entscheidet, welche Therapie im Einzelfall die richtige ist, und dafür verantwortlich ist.

Das Prinzip einer unabhängigen Berufsausübung vor dem Hintergrund einer eigenständigen Selbstverwaltung ist grundlegend für eine freie Gesellschaft.

Die Selbstverwaltung ist ein Grundprinzip der deutschen Sozialversicherung. Die Selbstverwaltung nimmt Aufgaben des öffentlichen Interesses wahr, die andernfalls durch den Staat direkt erfüllt werden müssten. Die Organe der Selbstverwaltung sind durch den Gesetzgeber mit der Sicherung der Versorgung im Bedarfsfall beauftragt.

Die Selbstverwaltung ist dabei ein krisenfestes und zugleich handlungsfähiges Element der Organisation des Gesundheitswesens; auch wenn die Bundesregierung sich in der Krise befindet.

Gesetzgeberische und politische Eingriffe in die Organisation der Selbstverwaltung behindern diese Handlungsfähigkeit im erheblichen Maße. Zugleich führen diese Eingriffe zu einem strukturellen Aufbau von Bürokratie und gefährden damit die Handlungsfähigkeit. Der Selbstverwaltung ist daher Vorrang vor gesetzgeberischen und politischen Eingriffen einzuräumen. Selbstverwaltung benötigt Freiheit, um wirken zu können, und weniger gesetzliche Vorgaben, um wirksam zu sein.

Wir fordern...

einen „gemeinsamen Pakt für Selbstverwaltung“ als Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip im deutschen Gesundheitswesen. Gemeinsam mit unseren Partnern in der gemeinsamen Selbstverwaltung engagieren wir uns für eine nachhaltig finanzierte gesetzliche Krankenversicherung (GKV), eine Versorgung nach dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse sowie den fortlaufenden Abbau von Bürokratie. Gesetzgeberische und politische Eingriffe in die Ausgestaltung der gemeinsamen Selbstverwaltung sind zu vermeiden.

2. Das Gesundheitswesen braucht eine verlässliche Gesundheitspolitik

Die tragenden Strukturprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind das Solidaritäts­ und das Sachleistungsprinzip sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die beste Versorgung ist wohnortnah, wirtschaftlich und patientenorientiert.

Eine verlässliche Gesundheitspolitik muss daher Strukturreformen unter Berücksichtigung dieser Prinzipien sachgerecht und ausgewogen sowie miteinander verzahnt angehen.

Wir stehen zum medizinisch sinnvollen Grundsatz von „ambulant vor stationär“ sowie zur Aus­ und Weiterbildung unseres medizinischen Nachwuchses. Wir bieten unseren Sachverstand und unsere Expertise der Gesundheitspolitik an, um sachgerechte und an den Strukturprinzipien orientierte Lösungen für Versorgungsprobleme zu finden.

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Wir machen damit die ambulante Gesundheitsversorgung zukunftsfest.

Die Zukunft der Medizin ist ambulant. Hierauf muss die Gesundheitspolitik das Gesundheitswesen ausrichten und daher die ambulante medizinische Versorgung nachhaltig stärken, um für die Patientinnen und Patienten, aber auch den Nachwuchs an Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten attraktiv zu bleiben.

Schluss mit weiteren Behörden im Gesundheitswesen: Die Schaffung von neuen Instituten und/oder Behörden durch die Gesundheitspolitik ist zu vermeiden. Weitere Institute und Behörden erhöhen weder die Qualität der Strukturprinzipien in der GKV noch bedeuten sie ein Ende des Aufbaus von Verwaltung und Bürokratie im Gesundheitswesen.

Wir fordern...

eine nachhaltige Unterstützung von freiberuflich-selbstständigen Strukturen in der ambulanten Versorgung und ein Ende der politischen Misstrauenskultur gegenüber den ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Ein Bekenntnis zum tragenden Organisationsprinzip „ambulant vor stationär“ im deutschen Gesundheitswesen ist dabei essenziell. Für die Aus- und Weiterbildung in der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung sind gesetzliche Maßnahmen zur Sicherstellung der zukünftigen ambulanten medizinischen Versorgung zu ergreifen. Die ambulante Weiterbildung in den Praxen ist zu fördern. Die seit 2013 erarbeitete Reform der Approbationsordnung der Ärztinnen und Ärzte ist umzusetzen.

3. Sicherung einer angemessenen Finanzierung als Investition in die Zukunft des Gesundheitswesens

Die gesetzlichen Grundlagen für die Finanzierung des Gesundheitswesens bedürfen einer Neuausrichtung als eine zukunftsorientierte Investition in die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Nicht zuletzt die älter werdende sogenannte Generation der „Babyboomer“­Jahrgänge wird den Druck auf die Sozialsysteme – und damit auch auf die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) – weiter erhöhen. Zugleich wird der Gesundheitsfonds sachfremd für die Finanzierung von Investitionen und Ausgaben herangezogen. Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt verharrt auf dem Niveau von 2014, während die übrigen Sozialausgaben im gleichen Zeitraum um rund 48 Prozent angestiegen sind. Eine angemessene und vollständige Finanzierung von Gesundheit ist öffentliche Daseinsvorsorge und darf nicht gefährdet werden.

Die Finanzierung des Gesundheitswesens sowie der GKV muss nachhaltig erfolgen. Die fortlaufende Missachtung einer zukunftssicheren Finanzierung der GKV durch die Politik muss beendet werden. Die Ausgaben für sogenannte versicherungsfremde Leistungen aus dem Gesundheitsfonds – also Leistungen, die nicht zum Sachzweck einer gesetzlichen Krankenversicherung als Absicherung gegen Krankheit gehören – werden derzeit nicht durch gesetzliche Steuerzuschüsse gegenfinanziert. Diese sachfremden Ausgaben haben daher erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland insgesamt, weil diese Ausgaben die Lohnnebenkosten in erheblichem Maße für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Arbeitgeber – und damit auch unsere Praxen – belasten.

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Wir bekennen uns zu zukunftssicher finanzierten Systemen im Sozialstaat; diese bedürfen aber zugleich auch einer sachgerechten Finanzierungsgrundlage, verbunden mit einer Prioritätensetzung der Ausgaben.

In Deutschland werden zum Beispiel – im internationalen Vergleich – zu viele Eingriffe noch ausschließlich stationär durchgeführt zu deutlich höheren Kosten. Mehr als vier Millionen Operationen können ambulant erbracht werden und damit die Ausgaben der stationären Versorgung abfedern. Die damit einhergehende Verlagerung der Weiterbildungsmöglichkeiten in den ambulanten Bereich ist integraler Bestandteil des Grundsatzes „ambulant vor stationär“. Die laufende schleichende Verlagerung zu ambulanter Versorgung ohne Finanzierung ist durch eine angemessene und vollständige Finanzierung der Ambulantisierung zu ersetzen. Dadurch wird die ambulante Versorgung auf den Patienten fokussiert gefördert und im Gesundheitssystem werden auf Dauer Kosten gespart. Deutschlands Krankenhäuser werden von vielen unnötig stationär behandelten Fällen somit entlastet. Die eingesparten Mittel in Höhe von bis zu acht Milliarden Euro stehen als benötigte Finanzierung der ambulanten Gesundheitsversorgung zur Verfügung.

Zudem darf die Finanzierung des medizinisch­technischen Fortschritts nicht zulasten der zuwendungsorientierten Medizin in den Praxen der Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gehen. Hier brauchen wir eine klare Prioritätensetzung.

Wir fordern...

  • eine Analyse der GKV­Finanzen in den ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung. Wir schlagen einen Runden Tisch zur Priorisierung der Verwendung der Finanzmittel mit allen Beteiligten der Selbstverwaltung vor.
  • einen konsequenten Abbau der sachfremden Verwendung von Finanzmitteln der GKV, um Beitragsmittel der gesetzlich Versicherten für die ambulante Versorgung der Bürgerinnen und Bürger freizusetzen. Die versicherungsfremden Leistungen durch die GKV sind aus dem Leistungskatalog der GKV zu streichen bzw. alternativ vollumfänglich durch steuerliche Zuschüsse zu finanzieren.
  • die Schaffung von gleichen Zugangsvoraussetzungen und gleicher Vergütung für Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Krankenhäuser für eine erfolgreiche Ambulantisierung.

4. Gute Medizin braucht gute Rahmenbedingungen und praxistaugliche Digitalisierung

Für mehr Versorgung und weniger Bürokratie

Wir ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sichern das stabile Fundament einer qualitativ hochwertigen medizinischen Patientenversorgung – das hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt. Wir gestalten täglich millionenfach die ambulante medizinische Versorgung in Zusammenarbeit mit unserem Praxispersonal, den Medizinischen Fachangestellten (MFA) und weiteren Gesundheitsberufen im Team. Darauf sind wir stolz.

Die Ressource Zeit im Gesundheitswesen ist kostbarer denn je; bei Ärztinnen und Ärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie unseren Praxisteams. Gesetzgeber und Selbstverwaltungspartner müssen gemeinsam auf schlankere und moderne Prozesse hinarbeiten. Wir brauchen endlich Rahmenbedingungen, die sowohl Zeit für Patientinnen und Patienten als auch Freiräume für Innovation in der Versorgung generieren.

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Wir stehen zu einer patientenzentrierten, nutzbringenden und anwenderorientierten Digitalisierung und digitalen Vernetzung unseres Gesundheitswesens, die – wie auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) – wichtige Beiträge zur Bewältigung aktueller Herausforderungen leisten können. Die ambulante vertragsärztliche und ­psychotherapeutische Versorgung ist der mit Abstand am stärksten digitalisierte und digital vernetzte Bereich in unserem Gesundheitswesen – dazu leisten wir mit unseren Teams mit Engagement und erheblichen Eigenmitteln unseren Beitrag.

Grundlage unserer Tätigkeit bleibt jedoch unverändert die persönliche Nähe und Beziehung zwischen den ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen und den von ihnen versorgten Menschen.

Wir fordern...

  • konsequentes Umsteuern von Sanktionen hin zu Anreizen. Überzogene Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen, die nicht der guten Versorgung dienen, belasten die Praxen und ihre Teams. Als Sofortmaßnahme müssen die gesetzlichen Regelungen zu Regressen für verordnete Leistungen korrigiert und mit einer Bagatellgrenze, die unsinnige Prüfungen verhindert, versehen werden.
  • einen respektvollen Umgang mit unseren wertvollen Ressourcen durch deutliche Verschlankung von bürokratischen Prozessen, um mehr Zeit für Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Wir brauchen eine am Nutzen für Patientinnen und Patienten und Praxen orientierte Digitalisierung. Hierfür bedarf es stabiler und sicherer technischer und finanzieller Rahmenbedingungen. Im Interesse einer guten Medizin ist unsere Expertise einzubeziehen.
  • die Umsetzung eines Bürokratieentlastungsgesetzes in der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung sowie die gemeinsame Erarbeitung von Eckpunkten für ein Praxiszukunftsgesetz analog dem Krankenhauszukunftsgesetz in den ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung.

5. Mehr Steuerung und Orientierung in unserer Versorgung

Demografischer Wandel, medizinischer Fortschritt und ver­ änderte Sozialstrukturen bedingen eine beständig steigende Nachfrage nach ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen. Dem steht ein zunehmender Fachkräftemangel entgegen. Zudem begrenzen Maßnahmen der Ausgabenkontrolle heute schon Versorgungsleistungen in einschneidender Weise durch Budgets für die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, Zulassungsbeschränkungen für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten oder durch Verordnungsbudgets, für deren Überschreitung die Praxen im Einzelfall haften müssen. Zunehmend beobachten wir eine Fehlinanspruchnahme des ärztlichen Bereitschaftsdienstes und der Krankenhausnotaufnahmen. Hier muss vordringlich steuernd eingegriffen werden, um den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) erfüllen zu können.

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Um eine bessere Lenkung dieser Inanspruchnahme zu gewährleisten, muss eine verbindliche Steuerung über ein einheitliches Ersteinschätzungssystem mit sich daraus ableitender Steuerung in die medizinisch richtige Versorgungsebene etabliert werden.

Versicherte, die Einrichtungen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes oder der Krankenhausnotaufnahmen ambulant aufsuchen wollen, werden zunächst individuell medizinisch eingeschätzt, dadurch werden Fehlinanspruchnahmen reduziert und Versorgungswege verkürzt.

Hierzu müssen die mit der Rufnummer 116117 bereits verfügbaren Instrumente gestärkt, den Versicherten mehr Orientierung im Gesundheitssystem gegeben und gleichzeitig Patientinnen und Patienten schneller an den richtigen Versorgungsort geleitet werden.

Wir fordern...

  • eine Patientensteuerung, die sich nach medizinischen Erfordernissen der Patientinnen und Patienten bemisst.
  • für die Vermittlung von Terminen auf Grundlage von §75 Abs. 1a und 1b SGB V die verbindliche Anwendung eines einheitlichen Ersteinschätzungsverfahren, das für die Bestimmung der Behandlungsdringlichkeit und der angemessenen Versorgungsebene geeignet ist.
  • Verbindlichkeit und Mitverantwortung der Versicherten.
  • eine Vorhaltefinanzierung sowie eine vollständige Finanzierung der Leistungen, um einen diskriminierungsfreien Zugang für alle gesetzlich Versicherten zu gewährleisten.

6. Leistung im Gesundheitswesen muss sich lohnen

Das Festhalten an versorgungsfeindlichen Elementen – wie der Budgetierung vertragsärztlicher und ­psychotherapeutischer Vergütungen – behindert nachhaltig das Freisetzen von Effizienz in der vertragsärztlichen Versorgung. Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die mehr leisten, werden hierfür nicht belohnt. So können die Herausforderungen des demografischen Wandels nicht gelöst werden.

Budgetierung überschreibt die Effizienz vertragsärztlicher und ­psychotherapeutischer Versorgung, da damit die Praxen der wirtschaftlichen Eigenverantwortung beraubt werden.

Effizientes Handeln hat unter einem ausgeschöpften Budget keine Auswirkungen auf die Vergütung der Praxen. Damit wird durch die seit mehr als 30 Jahren andauernde Budgetierung das Potenzial der effizienten eigenverantwortlichen Patientenversorgung nicht genutzt und kann dem gegenwärtigen Ressourcenmangel der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung nicht entgegenwirken. Darüber hinaus findet aufgrund der Budgetierung der innovative und medizinische Fortschritt nur sehr zögerlich Einzug in die Behandlung von GKV­Versicherten. Die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung erfordert eine Finanzierung ohne Budgets.

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Die Budgetierung der vertragsärztlichen und ­psychotherapeutischen Vergütung sollte in der abgelaufenen 20. Legislaturperiode zunächst für die hausärztliche Versorgung beendet werden, um die hausärztliche Versorgung zu stärken.

Das zu begrüßende politische Vorhaben konnte nicht abgeschlossen werden. Für die kinder­ und jugendärztliche Versorgung sowie die kinder­ und jugendpsychiatrische Versorgung konnte die Budgetierung zum Teil beendet werden, um Versorgungslücken zu schließen.

Neben der dringend notwendigen Abschaffung der Budgets in der hausärztlichen Versorgung sind auch für alle weiteren Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die Budgets abzuschaffen, um die Leistungsfähigkeit der ambulanten medizinischen Versorgung in ihrer Effizienz zu steigern.

Wir brauchen eine bedarfsgerechte Finanzierung für eine zukunftsfähige ambulante Patientenversorgung. Der gesetzliche Rahmen zur Anpassung der Finanzierung ist zu eng und führt im Vergleich zum stationären Versorgungsbereich und zur gesamtwirtschaftlichen Situation in Deutschland zu unangemessenen Ergebnissen. Eine tragfähige Finanzierung muss die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung auch in Krisenzeiten sicherstellen. Insbesondere der Inflationsausgleich muss hierbei vollumfänglich berücksichtigt werden. Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um das Verzeichnis ambulanter Untersuchungen und Behandlungen kontinuierlich in Richtung einer modernen Versorgung unter ärztlicher Teamleitung mit mehr Elementen von Delegation und Teammodellen anzupassen.

Wir fordern...

  • eine nachhaltige Ausrichtung der ambulanten medizinischen Versorgung nach dem Leistungsgrundsatz: „Wer mehr leistet, muss auch besser bezahlt werden.“ Versorgungsfeindliche Elemente im ambulanten Vergütungssystem sind zum Wohle der Versorgung zu beseitigen. Jede ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und notwendige medizinische Leistung muss vollständig vergütet werden. Budgetgrenzen sind für alle ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten innerhalb der ersten 100 Tagen einer neuen Bundesregierung abzuschaffen.
  • den Werterhalt der ärztlichen und psychotherapeutischen Leistung durch die Berücksichtigung und den vollumfänglichen Ausgleich von Kostensteigerungen und der Wirkung von Inflation.

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