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1. Kein ärztliches Attest bei kurzer Krankheitsdauer
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Meldet sich ein Arbeitnehmer für drei bis fünf Tage krank, sollte er kein ärztliches Attest mehr vorlegen müssen. Der Praxisbesuch allein zum Ausstellen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könnte dadurch entfallen. Es stünde selbstverständlich weiterhin jedem Patienten frei, schon am ersten Tag einen Arzt aufsuchen, vor allem wenn er schwerer erkrankt ist.
Eine Flexibilisierung sollte auch erwogen werden, wenn das Kind erkrankt. Aktuell müssen erwerbstätige Eltern schon ab dem ersten Krankheitstag die ärztliche Bescheinigung bei Erkrankung ihres Kindes vorlegen. Durch den Verzicht auf die Bescheinigung bei kurzer Krankheitsdauer könnten vor allem in Zeiten mit hohem Infektionsgeschehen sowohl die Kinderarztpraxen als auch die Eltern entlastet werden.
Allein der Wegfall von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Erkrankungen von weniger als vier Tagen – das sind etwa 35 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle – würde die Praxen jährlich um etwa 1,4 Millionen Stunden entlasten. Die Bürokratiekosten würden um etwa 102 Millionen Euro sinken.
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2. Kein Konsiliarbericht bei Überweisung zur Psychotherapie
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Wenn Patienten eine ärztliche Überweisung für eine psychotherapeutische Behandlung erhalten haben, sollte auf einen Konsiliarbericht verzichtet werden.
Mit dem Konsiliarbericht bestätigt ein Arzt, dass keine Kontraindikationen gegen die Aufnahme einer Psychotherapie bestehen. In der Regel enthält er jene Informationen, die auch auf der Überweisung stehen.
56 Prozent der Patientinnen und Patienten, die im Jahr 2022 eine Therapie bei einem psychologischen Psychotherapeuten begonnen haben, konnten eine hausärztliche Überweisung vorweisen. Ohne den Konsiliarbericht hätten etwa 140.000 Stunden beziehungsweise 8,7 Millionen Euro eingespart werden können.
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3. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vollständig digitalisieren
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Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte komplett digitalisiert werden. Ärzte müssen ihren Patienten momentan noch einen Papierausdruck aushändigen, obwohl die Daten elektronisch an die Krankenkassen und von dort an den Arbeitgeber übermittelt werden. Dies kostet den Praxen unnötig Zeit.
Aus Sicht der KBV könnte der Versichertendurchschlag in der elektronischen Patientenakte (ePA) abgelegt werden. Diese würde so nicht nur für jüngere Versicherte attraktiv werden, auch Arztpraxen würden ohne den Papierausdruck entlastet werden.
Das Ausstellen einer papiergebundenen Patientenbescheinigung dauert etwa zehn Sekunden. Sollten 80 Prozent der Versicherten eine ePA haben, würde das die Praxen jährlich um etwa 322.000 Stunden entlasten. Die Bürokratiekosten würden um etwa 24 Millionen Euro pro Jahr sinken.
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4. Zulassungsverfahren verschlanken
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Um das Zulassungsverfahren zu beschleunigen, sollte sich der Zulassungsausschuss auf die wesentlichen Punkte beschränken. Hierfür ist es erforderlich, dass der Ausschussvorsitzende formale Entscheidungen allein treffen darf.
Der Zulassungsantrag selbst sollte vereinfacht werden, indem Unterlagen nicht mehrmals eingereicht werden müssen. Beispielsweise könnten Unterlagen, die für den Eintrag ins Arztregister vorgelegt wurden, auch für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung genutzt werden.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP ist vorgesehen, dass die zuständige Landesbehörde alle Entscheidungen des Zulassungsausschusses bestätigt. Das lehnt die KBV ab.
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5. Anfragen von Krankenkassen und Behörden reduzieren
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Für Sachverhalte, zu denen Praxen sowohl von Krankenkassen als auch anderen Stellen befragt werden, sollte es einheitliche Formulare geben. Das und eine digitale Übermittlung der Informationen würde den Praxen viel Zeit bei der Beantwortung ersparen.
Um die Zahl der Anfragen zu reduzieren, sollten bestimmte Informationen weitergeleitet werden können. Beispielsweise könnte die Krankenkasse bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit oder Schwerbehinderung die Informationen für andere Behörden zur Verfügung stellen. Diese müssten dann nicht noch einmal eine separate Anfrage an die Praxis stellen.
Einzelne Krankenkassen stellen Anfragen auch zu Verordnungen, die keine hohen Kosten verursachen. Eine Geringfügigkeitsgrenze für solche Anfragen würde sicherstellen, dass der Aufwand für die Beantwortung im Verhältnis zum Nutzen der Anfrage für die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung stehen.
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6. Software zur Qualitätssicherung zertifizieren
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Software, die Praxen zur verpflichtenden Teilnahme an der datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nutzen, muss auch zertifiziert sein. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen sollte gesetzlich mit der Zertifizierung beauftragt werden.
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die technischen Anforderungen nicht richtig oder unvollständig von den Softwareherstellern umgesetzt werden. Dokumentationen können deshalb nur fehlerhaft, unvollständig und/oder gar nicht übermittelt werden. Das kostet den betroffenen Praxen viel Zeit.
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7. Digitalisierung von Formularen an der Versorgung orientieren
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Bei der Digitalisierung von Formularen sollten Leistungsbereiche Vorrang haben, bei denen bereits jetzt ein hoher Nutzen erzielt werden kann. Ein Beispiel dafür sind die Krankenhausentlassbriefe. Auch die digitale Übermittlung von Konsiliarberichten oder Anzeigen zur Akutbehandlung wäre sinnvoll, zumal damit die Psychologischen Psychotherapeuten, für die es bislang kaum Anwendungen gibt, von der Digitalisierung profitieren könnten.
Die Digitalisierung der Verordnungen von häuslicher Krankenpflege, außerklinischer Intensivpflege und Soziotherapie sollte hingegen zeitlich zurückgestellt werden. Diese Leistungen werden vor allem Patienten verordnet, die wenig technikaffin sind. Zudem ist vorgesehen, dass der Versicherte diese Verordnungen unterschreibt. Dafür gibt es bislang noch keine digitale Lösung.
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8. Vorgaben für Videosprechstunde vereinfachen
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Die bei Videosprechstunden gesetzlich vorgegebene doppelte Begrenzung von Leistungen und Behandlungsfällen sollte aufgehoben werden. Stattdessen sollte die Selbstverwaltung nur noch die Fallzahl, die maximal per Videosprechstunde möglich ist, festlegen dürfen.
Aus dem politischen Raum gibt es hierzu positive Signale: Nach dem aktuellen Kabinettsentwurf zum Digital-Gesetz soll die Vorgabe für die Begrenzungsregelungen demnächst gestrichen werden. Der Bewertungsausschuss würde damit in die Lage versetzt, einfachere Regelungen für die Videosprechstunde umzusetzen.
Zudem sollten Videosprechstunden auch außerhalb der Praxisräume möglich sein. Eine solche Neuregelung könnte die Verwaltungsbelastung für Praxen reduzieren und zusätzliche Behandlungszeiten schaffen.
Auch hier sieht der Kabinettsentwurf zum Digital-Gesetz eine entsprechende Änderung der Zulassungsverordnung vor.
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9. Gebühr für unbegründete Abrechnungsprüfungen
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Krankenkassen sollten eine Gebühr zahlen, wenn ihre Anträge auf Abrechnungsprüfung unbegründet und deshalb abgelehnt werden. Eine solche Regelung gibt es bereits im Krankenhausbereich. Mit der Gebühr ließen sich unnötige Prüfungen und der damit einhergehende bürokratische Aufwand vermeiden.
Zusätzlich sollte die Geringfügigkeitsgrenze erhöht werden.
Wenn dadurch die Hälfte der Abrechnungsprüfungen entfallen könnte, würde dies den Bürokratieaufwand um etwa 647.000 Stunden und die Bürokratiekosten um etwa 47 Millionen Euro pro Jahr reduzieren.