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Stand 30.11.2023

Bürokratieabbau

KBV fordert Entlastungen bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Im November hat das Bundesgesundheitsministerium ein Eckpunktepapier zum Abbau von Bürokratie im Gesundheitswesen vorgelegt. Aus Sicht der KBV ein „positives Zeichen“, allerdings erscheint vieles davon noch unkonkret. Insbesondere beim Thema Regresse seien Änderungen dringend notwendig, sagt KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner in einem Video-Interview.

Eckpunkte zum Bürokratieabbaugesetz

Das Bundesgesundheitsministerium sieht als Eckpunkte für das geplante Bürokratieabbaugesetz in der ambulanten Versorgung bislang vor:

Ärztliche Bescheinigung bei Erkrankung des Kindes

Zukünftig sollen Eltern erst ab dem vierten Tag der Erkrankung ihres Kindes eine Krankschreibung vorlegen müssen. Bislang ist die Bescheinigung schon am ersten Tag verpflichtend für den Anspruch auf Krankengeld. Ein Arztbesuch ist zu diesem Zeitpunkt häufig (noch) nicht notwendig und erfolgt in erster Linie aufgrund der Dokumentationspflicht gegenüber Krankenkasse und Arbeitgeber. Mit der Änderung sollen sowohl Eltern als auch Kinder- und Jugendärzte entlastet werden.

Zulassungsverfahren

Ärztinnen und Ärzte sollen eine vertragsärztliche Zulassung elektronisch beantragen können statt wie bisher papiergebunden. Das BMG will hierzu die Zulassungsverordnung überarbeiten. Auch Sitzungen und Beschlüsse des Zulassungsausschusses und des Berufungsausschusses sollen durch das elektronische Versenden von Unterlagen vereinfacht werden. Zudem soll der Zeitraum verlängert werden, in dem die genehmigungsfreie Vertretung eines Arztes möglich ist.

Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen

Bagatellgrenzen: Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen ärztlich verordneter Arzneimittel und Heilmittel sollen die Bagatellgrenzen erhöht werden. Dasselbe gilt bei der Beantragung von Abrechnungsprüfungen; hier liegt die Bagatellgrenze derzeit bei 30 Euro je Betriebsstätte, Quartal und Krankenkasse. Mit der Erhöhung der Bagatellgrenzen sollen unnötige Prüfungen und der damit einhergehende bürokratische Aufwand vermieden werden.

Beratung: Die Ausschlussfrist für die Festsetzung von Beratungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungen, beispielsweise wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens, soll von vier auf zwei Jahre verkürzt werden. Für die Festsetzung eines Regresses gilt schon heute eine Ausschlussfrist von zwei Jahren.

Beschwerdeausschuss: Die Teilnahme an Sitzungen des Beschwerdeausschusses, beispielsweise bei mündlichen Anhörungen, soll für die Beteiligten zukünftig auch über Videokonferenz möglich sein. Das BMG will hierzu die Wirtschaftlichkeitsprüfungs-Verordnung ändern.

Verordnungsformulare

Überweisungen: Das BMG strebt eine vollständige Digitalisierung der vertragsärztlichen Überweisungen an. Die Übermittlung soll wie jetzt schon bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über KIM (Kommunikation im Medizinwesen) in der Telematikinfrastrukur erfolgen.

Weitere Formulare: Verordnungsformulare, die nicht in der Vordruckvereinbarung des Bundesmantelvertrags-Ärzte vorgesehen sind, sollen reduziert werden. Auch soll es weniger kassenindividuelle Vordrucke für einen bestimmten Sachverhalt geben.

Psychotherapie

Das Antragsverfahren für psychotherapeutische Kurzzeittherapien soll vereinfacht werden. Für die insgesamt 24 Therapieeinheiten sollen Patienten zukünftig nur noch einen Antrag stellen müssen.

Zudem soll der Konsiliarbericht, der zusätzlich zur ärztlichen Überweisung für eine psychotherapeutische Behandlung vorgeschrieben ist, vereinfacht werden oder entfallen.

Bürokratieabbau – Vorschläge der KBV

Die KBV hat konkrete Vorschläge gemacht, wie der bürokratische Aufwand in den Arztpraxen reduziert werden kann.

1. Kein ärztliches Attest bei kurzer Krankheitsdauer

Meldet sich ein Arbeitnehmer für drei bis fünf Tage krank, sollte er kein ärztliches Attest mehr vorlegen müssen. Der Praxisbesuch allein zum Ausstellen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könnte dadurch entfallen. Es stünde selbstverständlich weiterhin jedem Patienten frei, schon am ersten Tag einen Arzt aufsuchen, vor allem wenn er schwerer erkrankt ist.

Eine Flexibilisierung sollte auch erwogen werden, wenn das Kind erkrankt. Aktuell müssen erwerbstätige Eltern schon ab dem ersten Krankheitstag die ärztliche Bescheinigung bei Erkrankung ihres Kindes vorlegen. Durch den Verzicht auf die Bescheinigung bei kurzer Krankheitsdauer könnten vor allem in Zeiten mit hohem Infektionsgeschehen sowohl die Kinderarztpraxen als auch die Eltern entlastet werden.

Allein der Wegfall von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Erkrankungen von weniger als vier Tagen – das sind etwa 35 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle – würde die Praxen jährlich um etwa 1,4 Millionen Stunden entlasten. Die Bürokratiekosten würden um etwa 102 Millionen Euro sinken.

2. Kein Konsiliarbericht bei Überweisung zur Psychotherapie

Wenn Patienten eine ärztliche Überweisung für eine psychotherapeutische Behandlung erhalten haben, sollte auf einen Konsiliarbericht verzichtet werden.

Mit dem Konsiliarbericht bestätigt ein Arzt, dass keine Kontraindikationen gegen die Aufnahme einer Psychotherapie bestehen. In der Regel enthält er jene Informationen, die auch auf der Überweisung stehen.

56 Prozent der Patientinnen und Patienten, die im Jahr 2022 eine Therapie bei einem psychologischen Psychotherapeuten begonnen haben, konnten eine hausärztliche Überweisung vorweisen. Ohne den Konsiliarbericht hätten etwa 140.000 Stunden beziehungsweise 8,7 Millionen Euro eingespart werden können.

3. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vollständig digitalisieren

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte komplett digitalisiert werden. Ärzte müssen ihren Patienten momentan noch einen Papierausdruck aushändigen, obwohl die Daten elektronisch an die Krankenkassen und von dort an den Arbeitgeber übermittelt werden. Dies kostet den Praxen unnötig Zeit.

Aus Sicht der KBV könnte der Versichertendurchschlag in der elektronischen Patientenakte (ePA) abgelegt werden. Diese würde so nicht nur für jüngere Versicherte attraktiv werden, auch Arztpraxen würden ohne den Papierausdruck entlastet werden.

Das Ausstellen einer papiergebundenen Patientenbescheinigung dauert etwa zehn Sekunden. Sollten 80 Prozent der Versicherten eine ePA haben, würde das die Praxen jährlich um etwa 322.000 Stunden entlasten. Die Bürokratiekosten würden um etwa 24 Millionen Euro pro Jahr sinken.

4. Zulassungsverfahren verschlanken

Um das Zulassungsverfahren zu beschleunigen, sollte sich der Zulassungsausschuss auf die wesentlichen Punkte beschränken. Hierfür ist es erforderlich, dass der Ausschussvorsitzende formale Entscheidungen allein treffen darf.

Der Zulassungsantrag selbst sollte vereinfacht werden, indem Unterlagen nicht mehrmals eingereicht werden müssen. Beispielsweise könnten Unterlagen, die für den Eintrag ins Arztregister vorgelegt wurden, auch für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung genutzt werden.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP ist vorgesehen, dass die zuständige Landesbehörde alle Entscheidungen des Zulassungsausschusses bestätigt. Das lehnt die KBV ab.

5. Anfragen von Krankenkassen und Behörden reduzieren

Für Sachverhalte, zu denen Praxen sowohl von Krankenkassen als auch anderen Stellen befragt werden, sollte es einheitliche Formulare geben. Das und eine digitale Übermittlung der Informationen würde den Praxen viel Zeit bei der Beantwortung ersparen.

Um die Zahl der Anfragen zu reduzieren, sollten bestimmte Informationen weitergeleitet werden können. Beispielsweise könnte die Krankenkasse bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit oder Schwerbehinderung die Informationen für andere Behörden zur Verfügung stellen. Diese müssten dann nicht noch einmal eine separate Anfrage an die Praxis stellen.

Einzelne Krankenkassen stellen Anfragen auch zu Verordnungen, die keine hohen Kosten verursachen. Eine Geringfügigkeitsgrenze für solche Anfragen würde sicherstellen, dass der Aufwand für die Beantwortung im Verhältnis zum Nutzen der Anfrage für die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung stehen.

6. Software zur Qualitätssicherung zertifizieren

Software, die Praxen zur verpflichtenden Teilnahme an der datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nutzen, muss auch zertifiziert sein. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen sollte gesetzlich mit der Zertifizierung beauftragt werden.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die technischen Anforderungen nicht richtig oder unvollständig von den Softwareherstellern umgesetzt werden. Dokumentationen können deshalb nur fehlerhaft, unvollständig und/oder gar nicht übermittelt werden. Das kostet den betroffenen Praxen viel Zeit.

7. Digitalisierung von Formularen an der Versorgung orientieren

Bei der Digitalisierung von Formularen sollten Leistungsbereiche Vorrang haben, bei denen bereits jetzt ein hoher Nutzen erzielt werden kann. Ein Beispiel dafür sind die Krankenhausentlassbriefe. Auch die digitale Übermittlung von Konsiliarberichten oder Anzeigen zur Akutbehandlung wäre sinnvoll, zumal damit die Psychologischen Psychotherapeuten, für die es bislang kaum Anwendungen gibt, von der Digitalisierung profitieren könnten.

Die Digitalisierung der Verordnungen von häuslicher Krankenpflege, außerklinischer Intensivpflege und Soziotherapie sollte hingegen zeitlich zurückgestellt werden. Diese Leistungen werden vor allem Patienten verordnet, die wenig technikaffin sind. Zudem ist vorgesehen, dass der Versicherte diese Verordnungen unterschreibt. Dafür gibt es bislang noch keine digitale Lösung.

8. Vorgaben für Videosprechstunde vereinfachen

Die bei Videosprechstunden gesetzlich vorgegebene doppelte Begrenzung von Leistungen und Behandlungsfällen sollte aufgehoben werden. Stattdessen sollte die Selbstverwaltung nur noch die Fallzahl, die maximal per Videosprechstunde möglich ist, festlegen dürfen.

Aus dem politischen Raum gibt es hierzu positive Signale: Nach dem aktuellen Kabinettsentwurf zum Digital-Gesetz soll die Vorgabe für die Begrenzungsregelungen demnächst gestrichen werden. Der Bewertungsausschuss würde damit in die Lage versetzt, einfachere Regelungen für die Videosprechstunde umzusetzen.

Zudem sollten Videosprechstunden auch außerhalb der Praxisräume möglich sein. Eine solche Neuregelung könnte die Verwaltungsbelastung für Praxen reduzieren und zusätzliche Behandlungszeiten schaffen.

Auch hier sieht der Kabinettsentwurf zum Digital-Gesetz eine entsprechende Änderung der Zulassungsverordnung vor.

9. Gebühr für unbegründete Abrechnungsprüfungen

Krankenkassen sollten eine Gebühr zahlen, wenn ihre Anträge auf Abrechnungsprüfung unbegründet und deshalb abgelehnt werden. Eine solche Regelung gibt es bereits im Krankenhausbereich. Mit der Gebühr ließen sich unnötige Prüfungen und der damit einhergehende bürokratische Aufwand vermeiden.

Zusätzlich sollte die Geringfügigkeitsgrenze erhöht werden.

Wenn dadurch die Hälfte der Abrechnungsprüfungen entfallen könnte, würde dies den Bürokratieaufwand um etwa 647.000 Stunden und die Bürokratiekosten um etwa 47 Millionen Euro pro Jahr reduzieren.

Schon heute: Maßnahmen gegen Bürokratie

Die KBV will Bürokratie nicht nur abbauen, sondern von Anfang an verhindern. Dazu nimmt sie neue Regelungen unter die Lupe und ermittelt mithilfe des Standardkosten-Modells die zu erwartenden Bürokratiekosten. So können Belastungen frühzeitig identifiziert und beziffert werden, um im Verhandlungsprozess eine bürokratieärmere Vorgehensweise durchzusetzen.

Ex-ante-Abschätzung von Bürokratiekosten im Gemeinsamen Bundesausschuss

Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses führen oft dazu, dass die Bürokratiebelastung für Ärzte und Psychotherapeuten zunimmt. Die KBV setzt sich daher im Gemeinsamen Bundesausschuss gegen zum Teil erhebliche Widerstände dafür ein, dass neue Bürokratie möglichst vermieden wird und dass die Kosten für zusätzliche Bürokratie für Ärzte und Psychotherapeuten konsequent ausgewiesen werden.

Umsetzung von Maßnahmen zum Bürokratieabbau

Für viele bereits bestehende Regelungen können bürokratieärmere Lösungen gefunden werden. Die KBV setzt sich in Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband dafür ein, dass unsinnige Bürokratie abgeschafft wird und sinnvolle Maßnahmen so ausgestaltet werden, dass Ärzte und Psychotherapeuten hierdurch möglichst wenig belastet werden. 

Hierzu zählen die Vereinfachung der Verordnung von Heilmitteln oder die Abschaffung des Formulars für die Dokumentation der Krebsfrüherkennung bei Männern (Muster 40). Aktuell liegt ein Schwerpunkt der Arbeit zur Vermeidung von Bürokratie im Bereich der Digitalisierung von Formularen. Die KBV tritt dafür ein, dass durch Digitalisierung Bürokratie abgebaut wird, statt hierdurch neue bürokratische Belastungen zu schaffen. 

Bürokratieindex

Basierend auf einer Bürokratiekostenmessung des Statistischen Bundesamtes ermittelt die KBV, wie sich die Bürokratiebelastung in den Praxen entwickelt. Auf diese Weise kann transparent dargestellt werden, in welchen Bereichen die Bürokratiebelastung besonders hoch ist und wie sich die Gesamtbelastung entwickelt. Das Ergebnis wird im Bericht zum Bürokratieindex veröffentlicht. 

Bericht zum Bürokratieindex

Best-Practice-Forum Bürokratieabbau

Viele Kassenärztliche Vereinigungen haben ebenfalls Initiativen ergriffen, um ihre Mitglieder von Bürokratie zu entlasten. Um diese Ideen zu verbreiten und zu diskutieren, hat die KBV ein Best-Practice-Forum Bürokratieabbau ins Leben gerufen. Hier können die Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgreiche Ansätze vorstellen und sich untereinander austauschen.