Dossier

Europa

Mit ärztlicher Stimme in Brüssel

EU-Flaggen wehen vor EU-Parlamentsgebäude

Die Bedeutung Europas in der Gesundheitspolitik nimmt zu. Mit Maßnahmen wie dem Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) greift die Europäische Union (EU) unmittelbar in die nationalstaatlichen Gesundheitssysteme ein. Die KBV setzt sich deshalb auch in Brüssel für die Belange der Niedergelassenen in Deutschland ein.

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Kooperation statt Zentralismus

Konferenzraum mit unscharfen sitzenden Menschen im Hintergrund. Im Vordergrund eine kleine stehende EU-Flagge auf einem Tisch.

Die 27 Mitgliedstaaten der EU sind so divers wie die Menschen, die in ihnen leben – und damit auch die nationalen Gesundheitssysteme. In der EU ist Gesundheit größtenteils Sache der Mitgliedsstaaten; sie organisieren ihre Gesundheitssysteme weitestgehend eigenständig. Nicht erst seit der Corona-Pandemie sind aber vermehrt Bestrebungen zu beobachten, gesundheitspolitische Belange auf EU-Ebene zu regeln.

In einigen Bereichen ergibt ein gemeinsames Vorgehen durchaus Sinn: etwa bei der gemeinsamen Arzneimittelbeschaffung im Krisenfall, der Sicherung europäischer Lieferketten oder einem koordinierten Vorgehen gegen den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. In all diesen Bereichen hat die Pandemie wie ein Brennglas manche Schwächen der einzelstaatlichen Lösungen offengelegt.

Auch die KBV begrüßt grundsätzlich einen kooperativen Ansatz in der europäischen Gesundheitspolitik. Gleichzeitig mahnt sie aber: Den europäischen Grundsatz der Subsidiarität gibt es nicht ohne Grund. Auch und vor allem im Bereich Gesundheit sollten Lösungen möglichst dort gefunden werden, wo medizinische Praktiker und Selbstverwaltungspartner ihre Expertise einbringen – also im Bund, im Bundesland, in der Kommune. Zentralistische Vorgaben aus Brüssel, die zwangsläufig blind sind für die Gegebenheiten vor Ort, lehnt die KBV ab.

Die Pandemie dient gewissermaßen als Blaupause und Rechtfertigung – was bei gewissen Themen durchaus sinnvoll sein mag, gleichzeitig aber weitergehenden Bestrebungen für ein Aufweichen des Subsidiaritätsprinzips den Weg ebnet.

Gemeinsames Positionspapier der deutschen Ärzteschaft zur Europawahl 2024

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Europäischer Gesundheitsdatenraum

Ärztin mit dunklen langen Haaren, Brille und Kittel zeigt Patientin mit Dutt etwas auf dem Tablet

Mit dem europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) will die EU-Kommission die bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für die medizinische Versorgung, Forschung und Innovation sowie für gesundheitspolitische Entscheidungen ermöglichen.

Im Rahmen der sogenannten Primärnutzung sollen Leistungserbringer Gesundheitsdaten ihrer Patienten in elektronischen und interoperablen Patientenakten festhalten. Bei der sogenannten Sekundärnutzung sollen diese Daten dann auch anonymisiert für Forschung und Entwicklung eingesetzt werden können.

Die entsprechende Verordnung trat im März 2025 in Kraft und sieht verschiedene Fristen für die Umsetzung in den EU-Mitgliedstaaten vor. Der EHDS wird in den kommenden Jahren durch weitere Rechtsakte der Kommission konkretisiert.

Worum geht es für Patienten, Ärzte und medizinische Fachkräfte?

  • EU-Bürgerinnen und Bürger sollen jederzeit, egal von wo aus in der EU, einfach und kostenfrei Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten haben.
  • Jeder soll dazu eine europäische elektronische Patientenakte erhalten, die Verschreibungen, Bilddaten und Bildberichte, Laborergebnisse und Entlassungsberichte in einem gemeinsamen europäischen Format enthält, das interoperabel ist.
  • Dafür sollen die Daten in einer zentralen Speicherstruktur – EHDS – abgelegt werden.
  • Die Bürgerinnen und Bürger sollen eigene Daten in ihre persönliche elektronische Patientenakte innerhalb des EHDS geben können, die sie selbst über Wellness-Apps oder ähnliches erhoben haben.
  • Sie sollen diese Daten mit Angehörigen der Gesundheitsberufe auch grenzüberschreitend austauschen können.
  • Sie sollen den Zugang für andere beschränken können und Informationen darüber erhalten, wie und zu welchem Zweck ihre Daten verwendet werden.
    Die EU-Kommission sieht für den EHDS hohe Datenschutzstandards vor.
  • Der Datenraum soll die Sekundärnutzung elektronischer Gesundheitsdaten, zum Beispiel für Forschungszwecke oder regulatorische Tätigkeiten, erleichtern. Der Zugriff soll dabei streng reglementiert und die Identität der betroffenen Personen geschützt werden

Das sagt die KBV

Die KBV hatte sich in den Verhandlungen rund um den EHDS für eine Widerspruchsmöglichkeit auf Patientenseite eingesetzt. Der ursprüngliche Verordnungsentwurf sah solche nicht vor. Nach langen Verhandlungen beinhaltete der Kompromiss schließlich abgestufte Widerspruchsmöglichkeiten. Im Bereich der Sekundärnutzung macht die Verordnung klare Vorgaben für die Zwecke der Datennutzung, sodass auch hier mit den Gesundheitsdaten sensibel umgegangen werden muss.

Außerdem gilt beim EHDS wie auch bei nationalen Digital-Tools wie der elektronischen Patientenakte (ePA): Sie sollen Ärzten, Psychotherapeuten und ihren Teams die Arbeit erleichtern, und ihnen nicht noch mehr Steine in den Weg legen. Der bürokratische, administrative und kommunikative Aufwand darf deshalb nicht in den Praxen hängen bleiben.

Die weiteren Rechtsakte der Europäischen Kommission wird die KBV eng begleiten und sich weiterhin pro ärztliche Schweigepflicht, bürokratiearme Umsetzung des EHDS und für den Vertrauensschutz im Arzt-Patienten-Verhältnis einsetzen.

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Wichtige Schritte beim EHDS

Weitere Informationen

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Fachkräftemangel: Ein europäisches Problem

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist längst kein isoliertes nationales Problem mehr, sondern betrifft die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten. 21 von 28 EU-Staaten kämpfen bereits mit Engpässen bei Ärztinnen und Ärzten und beim Pflegepersonal.

Während die Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, Rahmenbedingungen und Inhalte der Aus- und Weiterbildung festzulegen sowie ausreichend Gesundheitspersonal auszubilden, garantiert die EU die Personen-Freizügigkeit und damit die Mobilität der europäischen Arbeitskräfte über die Grenzen hinweg. Die Möglichkeit für Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräften, in jedem Mitgliedstaat der EU tätig zu werden, ist eine Errungenschaft europäischer Integration.

Die Personenfreizügigkeit darf aber nicht dazu führen, dass die Gesundheitssysteme einiger Mitgliedstaaten durch Abwanderung von Ärztinnen und Ärzten personell ausdünnen. Um einen Verlust von Arbeitskräften zu verhindern, müssen die Mitgliedstaaten gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung gewährleisten.

Einfach noch mehr Kräfte aus dem Ausland anzuwerben, womöglich sogar aus Drittstaaten, wie es die EU-Kommission unter anderem vorschlägt, kann nicht die Lösung für den Fachkräftemangel sein.

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