Medizinforschungsgesetz (MFG)

Stellungnahme der KBV zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz vom 17. Januar 2024

ART. 5 NR. 3C

„(1c) Bei einer Vereinbarung nach Absatz 1 aufgrund des erstmaligen Inverkehrbringens eines Arzneimittels
mit einem neuen Wirkstoff ist auf Verlangen des pharmazeutischen Unternehmers zu vereinbaren, dass der
Erstattungsbetrag bis zum Wegfall des Unterlagenschutzes abweichend von § 131 Absatz 4 Satz 3 Nummer
2 nicht übermittelt wird.“

Inhaltliche Kommentierung der KBV

Mit dem neuen § 130b Abs. 1c SGB V sollen pharmazeutische Unternehmen im Rahmen der Vereinbarungen der Erstattungsbeträge für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die erstmals in Verkehr gebracht werden, verlangen können, dass diese Erstattungsbeträge nicht mehr nach § 131 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB V unter anderem an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) übermittelt werden. Zudem soll die Festsetzung von Festbeträgen für Festbetragsgruppen, die Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen enthalten, auf der Grundlage der für diese Arzneimittel vereinbarten Erstattungsbeträge erfolgen.

Hierdurch wird ein nächster und entscheidender Schritt getan, mit dem die Preisverantwortung insgesamt auf die gesetzliche Krankenversicherung verlagert wird. Bereits jetzt sind die tatsächlichen Verordnungskosten (GKV) für die Mehrheit der verordneten Arzneimittel – insbesondere in der hausärztlichen Versorgung – auf Grund von Rabattverträgen nach § 130a Absatz 8 SGB V nicht bekannt. Wenn zukünftig auch die Erstattungsbeträge und damit die tatsächlich für die GKV anfallenden Verordnungskosten von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen den verordnenden Ärzten nicht mehr bekannt sind, kann die Arzneimittelvereinbarung gemäß § 84 SGB V ihre steuernde Wirkung weder kollektiv gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) noch individuell gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt erfüllen.

In Unkenntnis der Verordnungskosten fehlt es bereits an den Grundlagen zur Vereinbarung eines gesamthaften Ausgabenvolumens für die Arzneimittelverordnungen. Auch können die KVen unter diesen Umständen im Laufe des Geltungszeitraums der Arzneimittelvereinbarung nicht prüfen, ob und inwieweit sich die Verordnungskosten im Rahmen des vereinbarten Ausgabenvolumens bewegen. Dementsprechend fehlt es auch an belastbaren Zahlen, anhand derer im Nachhinein die Einhaltung des Ausgabenvolumens festgestellt werden kann. Ursachen für etwaige Überschreitungen können nur noch bedingt festgestellt werden.

Entsprechendes gilt für die mit den einzelnen Vertragsärzten zu vereinbarenden Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele. Da der Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Verordnung den Preis des Arzneimittels nicht kennt, kann er seine Auswahlentscheidung nicht unter Berücksichtigung der Kosten vornehmen. Die gesetzlich intendierte Verknüpfung von vereinbarten Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitszielen mit Maßnahmen der Zielerreichung (BT-Drucks. 14/6309, S. 7) läuft mithin ins Leere bzw. kann lediglich auf qualitativer Ebene erfolgen. Dementsprechend kann auch die Einhaltung der Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele kaum überprüft werden, die gesetzlich vorgesehenen Boni für die KVen sind nicht mehr erreichbar.

Schließlich lässt die Unkenntnis von Arzneimittelpreisen, insbesondere bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen, keine Anpassung bestehender Arzneimittelvereinbarungen mehr zu. So kann die Veränderung der Preise als maßgebliches Anpassungskriterium nicht mehr belastbar herangezogen werden. Bei erstmals in Verkehr gebrachten Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen handelt es sich zudem regelhaft um innovative Arzneimittel, deren wirtschaftlicher und qualitätsgesicherter Einsatz nach ihrem Inverkehrbringen in den Arzneimittelvereinbarungen zu berücksichtigen ist. Die Wirtschaftlichkeit ist vielmehr durch die Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und pharmazeutischen Herstellern durch nutzenorientierte Preise zu sichern.

Da die Festlegung eines gesamthaften Ausgabenvolumens in Unkenntnis der tatsächlichen Verordnungskosten nicht möglich ist, ist der § 84 SGB V zu streichen. Die Beurteilung einer wirtschaftlichen Verordnungsweise durch Vertragsärztinnen und -ärzte kann nur noch nach medizinischen Kriterien und damit dem indikationsbezogenen und evidenzbasierten Einsatz von Arzneimittel erfolgen; preisbezogene Steuerungsinstrumente sind unter diesen Bedingungen obsolet. Darüber hinaus ist es aus diesem Grund nur folgerichtig, endlich den Schritt zu gehen, eine arztbezogene statistische Prüfung auf Basis von preisbezogenen Steuerungsinstrumenten wie Richtgrößen abzuschaffen. Dies ist auch in der Ausgestaltung des § 106 SGB V zu berücksichtigen.

Änderungsvorschlag: Streichung von § 84 SGB V.

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