Klartext

„Wir brauchen eine Weiterentwicklung bereits bestehender funktionierender Strukturen“

KBV-Vize Dr. Hofmeister im Interview

Dr. Stefan Hofmeister im Interview

Reformbedarf besteht seit langem in der Notfallversorgung. Wie eine Neugestaltung aussehen könnte und was es dabei zu beachten gilt, erläutert der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister im Klartext-Interview.

Warum muss die Notfallversorgung neugestaltet werden?

Die Reform der Notfall- und Akutversorgung ist unerlässlich. Darüber besteht unter allen Gesundheitsexpertinnen und -experten Einigkeit. Darüber, wie eine organisatorische Neuordnung aussehen kann, gibt es verschiedene Auffassungen.

Zuletzt hatte der Gesetzgeber zwar die Intention, die Notfall- und Akutversorgung insbesondere im Bereich der Patientensteuerung, der Vernetzung der Akteure und der Finanzierung von Strukturen zu reformieren. Das ist grundsätzlich auch überaus begrüßenswert. Aber gerade das wichtigste Ziel, die Notaufnahmen zu entlasten und die Patientinnen und Patienten in die für sie passende Versorgungsebene zu steuern, wurde versäumt.

Es existieren etablierte und funktionierende Strukturen. Daher brauchen wir keine neuen bürokratischen Organisationsstrukturen, sondern eine Weiterentwicklung bereits bestehender funktionierender Strukturen ambulanter und stationärer Versorgung in Deutschland.

Wie sollte die Weiterentwicklung aussehen?

Ein elementares Ziel ist die Entlastung der überfüllten Notaufnahmen. Das Gesundheitssystem ist insgesamt überlastet – davon ist auch die Notfallversorgung betroffen. Darum besteht dringender Handlungsbedarf – und hier gilt: ambulant vor stationär. Denn die beschriebene Überlastungssituation hat auch Auswirkungen auf die Patientensicherheit.

Es existieren etablierte und funktionierende Strukturen. Daher brauchen wir keine neuen bürokratischen Organisationsstrukturen, sondern eine Weiterentwicklung bereits bestehender funktionierender Strukturen ambulanter und stationärer Versorgung in Deutschland.

Aufwendige Notfallstrukturen müssen für die Patientinnen und Patienten verfügbar sein, die eine solche Versorgung benötigen – das heißt: Sie müssen die für sie passende Versorgung erhalten. Zentral ist dabei eine standardisierte Ersteinschätzung von Patientinnen und Patienten, um sie schnellstmöglich sektorenübergreifend in die für sie geeignete Versorgungsebene zu geleiten. Primär sollte das über den telefonischen Erstkontakt über die 116117 geschehen. Sinnvoll wäre es, die 112- und 116117-Leitstellen zu vernetzen oder zu integrieren.

Die Versorgung von akuten, nicht lebensbedrohlichen Notfällen wird durch die Kassenärztlichen Vereinigungen in den Praxen und außerhalb dieser Zeiten durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Praxen, durch einen mobilen Notdienst oder auch eine telemedizinische Versorgung sichergestellt. Anlaufstellen am Krankenhaus – Stichwort „gemeinsamer Tresen“ – können dabei helfen, Patientinnen und Patienten, gezielt in der richtigen Versorgungsebene zu versorgen.

Was ist dafür wichtig?

Trotz hohem Ressourceneinsatz weist die Akut- und Notfallversorgung Defizite und Ineffizienzen auf, wie die unrationelle Patientensteuerung belegt. Für eine sinnvolle Reform ist ein klares Verständnis der Ziele und Funktionen dieses Versorgungsbereichs Voraussetzung – dabei ist es essenziell, die Perspektive aller beteiligten Versorgungsbereiche zu berücksichtigen.

Zentral ist dabei eine standardisierte Ersteinschätzung von Patientinnen und Patienten, um sie schnellstmöglich sektorenübergreifend in die für sie geeignete Versorgungsebene zu geleiten.

Grundlegend ist, dass es keinen dritten Versorgungssektor braucht. Auch Doppelstrukturen, wie sie zuletzt mit dem Betrieb eines 24/7-Fahrdienstes für die Akutversorgung während der Praxisöffnungszeiten in einem Gesetzentwurf vorgesehen waren, sind nicht versorgungsnotwendig – und vor allem weder wirtschaftlich noch personell realisierbar. Angesichts knapper Personalressourcen und mangelhafter Finanzierung können wir uns das unter keinen Umständen leisten.

Zudem gilt es, die Kooperation mit dem stationären Versorgungsbereich in den Fokus zu rücken: Es fehlt eine einheitliche Regelung zur Erst- beziehungsweise Notfallversorgung an der Schnittstelle zum Krankenhaus (Notaufnahme). Beide Sektoren müssen Hand in Hand arbeiten. Das bedeutet auch, dass erforderliche Informationen und Daten der Patientinnen und Patienten problemlos über technische Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Versorgungsebenen und Sektoren problemlos ausgetauscht werden können.

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