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Notfallversorgung
Chronisch überlastet

Diese Probleme sind bei der Notfallversorgung zu lösen
Die Notfallversorgung ist reformbedürftig. Sie ist – wie das Gesundheitssystem insgesamt – überlastet. Klar ist: Eine Ausweitung der vertragsärztlichen Notfallversorgung mittels Doppelstrukturen kann nicht die Lösung sein. Angesichts knapper Personalressourcen und fehlender Finanzierung bedarf es einer klugen Neuordnung. Diese muss vor allem eines angehen: die Steuerung von Patientinnen und Patienten in die richtige Versorgungsebene.
Krankenhaus oder ambulante Praxis? Der Notfallversorgung muss eine einheitliche Steuerung vorgeschaltet werden. Diese Steuerung sollte möglichst früh, ressourcenschonend und bundeseinheitlich erfolgen – beispielsweise telefonisch, online und/oder mittels standardisierter Ersteinschätzung überall dort, wo Patientinnen und Patienten sich erstmalig mit ihrem gesundheitlichen Problem vorstellen.
Standpunkte der KBV
- Steuerung der Patientinnen und Patienten: bewährte Strukturen stärken und ausbauen
- Kooperation mit dem stationären Sektor
- Kein dritter Versorgungssektor erforderlich
- Keine Sozialversicherungspflicht für Niedergelassene im Bereitschaftsdienst
- Chancen der Digitalisierung nutzen
- Reform der Finanzierung der Strukturen
In den letzten Jahren erleben wir immer wieder, dass insgesamt der Notdienst, ob es der ärztliche Bereitschaftsdienst ist oder die Notaufnahme in den Krankenhäusern ist, nicht sachgerecht in Anspruch genommen werden. Hier muss eine bessere Steuerung her, da die Kapazitäten limitiert sind.

Expertise zur Akut- und Notfallversorgung
Die KBV hat eine Expertise in Auftrag gegeben, um lösungsorientiert zu untersuchen, welche Elemente der Organisation von „out of hours care“ aus den Niederlanden, Dänemark und England für den Versorgungskontext auch in Deutschland geeignet scheinen und wo es Limitationen zu beachten gilt.
Ersteinschätzung durch 116117
Es sollte dabei ebenfalls klar sein: In einer Ersteinschätzung muss klar definiert werden, was ein Akutfall ist, der nicht warten kann. Es muss geklärt werden, welche Behandlungsnotwendigkeiten in welcher Ebene zu welchem Zeitpunkt erforderlich sind – und das bundesweit verbindlich und qualitätsgesichert.
Die bundeseinheitliche Bereitschaftsdienstnummer 116117 ordnet den jeweiligen Akutfall korrekt zu und navigiert Patientinnen und Patienten schnellstmöglich und ohne Umwege in die für sie anlassgerechte, ressourcenschonende Behandlungsebene. Dabei gilt der Grundsatz ambulant vor stationär. Sinnvoll ist es, die 116117 auszuweiten und sie bekannter zu machen, um damit Patientinnen und Patienten effizient und bedarfsgerecht steuern zu können. Inhaltlich-fachlich ist die 116117 hochqualifiziert.
Ambulant vor stationär – was heißt das?
Ein Großteil der Versorgung wird ambulant erbracht. Das heißt: Der Teil der Erkrankungen, die stationär behandelt werden müssen, wird tendenziell immer kleiner. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind das Rückgrat unserer Gesundheitsversorgung.
Das ist auch ein Abbild der zunehmenden Ambulantisierung. Operationen oder komplizierte Prozeduren, die früher nur im Krankenhaus denkbar waren, sind heute in Praxen, Gemeinschaftspraxen oder auch Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) alltäglich.
Weitere Informationen
Patientensteuerung als Chance

Nicht allein in der Akut- und Notfallversorgung ist eine passgenaue Patientensteuerung essenziell. Auch wenn die Zahl der Behandlungsfälle in diesem Bereich mit 15 Millionen im Jahr nicht klein ist, ist sie im Vergleich zu insgesamt 600 Millionen Behandlungsfällen – bezogen auf das gesamte Versorgungssystem – relativ gering. Eine optimale Versorgung von allen Patientinnen und Patienten erfordert daher grundsätzlich ein zielgerichtetes und strukturiertes Management innerhalb des Gesundheitssystems.
Für eine solche bedarfsgerechte Patientensteuerung ist es sinnvoll, dass gesetzlich Krankenversicherte für die primäre Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen einen Vertragsarzt aus einer bestimmten Facharztgruppe als ersten Ansprechpartner wählen – Hausärzte (Allgemeinmediziner und Internisten), Kinder- und Jugendärzte sowie Gynäkologen. Ausnahmen sind Augenärzte, ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, bei denen keine Steuerung erforderlich ist.
Praxen sind die erste Anlaufstelle. Für Menschen, die keinen Hausarzt als Ansprechpartner haben, bietet sich die Terminvermittlungsplattform 116117 an. Denn die Praxen sind prädestiniert dafür, sich bei einem gesundheitlichen Problem um eine Diagnose und die entsprechende Behandlung zu kümmern.
Positionspapier der KBV
Wie kann eine zukunftsfähige Koordinierung der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung durch Steuerungsinstrumente aussehen?
Keine Doppelstrukturen

Überlegungen, Notaufnahmen an den integrierten Notfallzentren (INZ) während der Praxissprechzeiten zu öffnen, schaffen Doppelstrukturen und fördern den Zustrom in Notaufnahmen. Das sorgt für keine Entlastung ohnehin knapper finanzieller und personeller Ressourcen.
Zudem entsteht ein Parallelsystem der Behandlung losgelöst von der Regelversorgung – entgegen dem europäischen Trend: Demnach begrenzen vorgelagerte Instanzen wie die „Hotline-First-Strategie“ den Zugang in Krankenhausnotaufnahmen. Die Öffnung fördert eine weitere Frequentierung der Notaufnahmen und kompromittiert das bisherige Erfordernis einer Versorgung in der vertragsärztlichen Regelversorgung.
Durch die im internationalen Vergleich unüblich hohe Aufnahmerate aus Notaufnahmen in Deutschland hatte schon der Sachverständigenrat 2018 darauf hingewiesen, dass die Entscheidung zur Steuerung der Patientinnen und Patienten nach Möglichkeit durch ambulant tätige Ärzte zu treffen ist. Sinnvoll ist ein deutschlandweiter Standard für INZ oder die Kooperation von der Rettungsnummer 112 und des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117.
Es ist wichtig, dass im Bereich der Akut- und Bereitschaftsdienste und Notfallmedizin gesteuert wird. Den Bürgerinnen und Bürgern müssen Angebote gemacht werden, die intuitiv leiten. Denn alles für alle, jederzeit, das können wir nicht vorhalten.
Ärzteverbände legen gemeinsame Eckpunkte zur Notfallreform vor

Gemeinsame Eckpunkte zur Notfallreform
Marburger Bund, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Hausärztinnen- und Hausärzteverband haben sich in einem gemeinsam erarbeiteten Positionspapier für eine umfassende Reform der Notfallversorgung ausgesprochen.
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