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„Die Sparvorschläge von GKV-Vorstand Blatt wären ein Salto mortale für die ambulante Versorgung“

Der von der Bundesregierung angekündigte „Herbst der Reformen“ war auch bei der heutigen Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin ein zentrales Thema. Die KBV-Vorstände appellierten an die politisch Verantwortlichen, Deutschland als Sozialstaat zukunftsfest zu machen und die Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung zügig zu verbessern.

Als „Anfang vom Ende des Solidaritätsgedankens in der gesetzlichen Krankenversicherung und eine Bankrotterklärung für den Sozialstaat, der Deutschland immer noch ist“, kritisierte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen jüngste Vorschläge des Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, die neben der bekannten Forderung nach einem Ausgabenmoratorium drastische Eingriffe in die ambulante Vergütungssystematik vorsähen. Dazu gehört eine Rückkehr zur Budgetierung sämtlicher vertragsärztlicher Untersuchungen und Behandlungen.

„Das ist nicht nur eine Rolle rückwärts hinter die mühsam erreichten Fortschritte der letzten Jahre, endlich eine faire und angemessene Finanzierung vertragsärztlicher und vertragspsychotherapeutischer Leistungen zu erreichen. Es ist ein Salto mortale für die ambulante Versorgung und das Gesundheitswesen insgesamt“, sagte Gassen. Denn diese Forderungen bedeuteten nichts anderes als Versorgung nach Kassenlage: „Nicht der medizinische oder psychotherapeutische Bedarf der Patientinnen und Patienten entscheidet dann über die Art ihrer Versorgung, sondern die Zahlungswilligkeit der Krankenkassen“, warnte Gassen.

Auch stelle sich die Frage: „Ist wirklich kein Geld da oder wird es nur falsch ausgegeben?“ Der KBV-Chef erinnerte an einen Anteil von 16 Prozent der ambulanten Versorgung an den GKV-Gesamtausgaben. „Für die Krankenhäuser schlagen mittlerweile über 100 Milliarden Euro zu Buche und damit rund ein Drittel der GKV-Gesamtausgaben“, so Gassen.

Gleichwohl müsse man über eine Begrenzung von Leistungen des Sozialstaates reden können, stellte Gassen klar. „Und wenn man Ausgabenbegrenzungen diskutieren will, muss man auch über eine mögliche Verkleinerung des Leistungskatalogs reden.“ Der KBV-Chef warb für ein GKV-Tarifmodell, um die Versicherten selbst entscheiden zu lassen, „ob sie nur zuzahlungsfreie Kernleistungen in Anspruch nehmen oder bereit sind, für mehr Leistungen und mehr Freiheiten auch mehr zu zahlen“.

KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner forderte von der Bundesregierung ebenfalls, endlich ins Handeln zu kommen – insbesondere beim Thema Bürokratieabbau. Mit Ungläubigkeit und Unverständnis habe man etwa das jüngste Urteil des Bundessozialgerichts aufgenommen, durch das einem Arzt aufgrund eines Formfehlers Rückforderungen im sechs- bis siebenstelligen Bereich drohen. „Es handelt sich hierbei um eine existenzgefährdende, wenn nicht gar existenzzerstörende Regressforderung aus rein formalen Gründen“, zeigte sich Steiner empört. „Solche Entscheidungen erweisen jedem Werben um junge Ärztinnen und Ärzte für die Niederlassung einen Bärendienst.“ Ihre Forderung sei daher klar: „Kein finanzieller Schaden – kein Regress!“ Auch die im Koalitionsvertrag versprochene Bagatellgrenze für Wirtschaftlichkeitsprüfungen müsse endlich kommen, und zwar für alle Verordnungen und auch bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen von ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen.

Auch die Digitalisierung spiele beim Bürokratieabbau eine wichtige Rolle, führte Steiner weiter aus – vorausgesetzt, sie funktioniere. Nach wie vor kranke nämlich die Telematikinfrastruktur (TI) unter mangelnder Betriebsstabilität. Dabei sei eine zuverlässige TI die zentrale Rahmenbedingung für fortschreitende Digitalisierung, sagte Steiner und wandte sich insbesondere an gematik und Bundesministerium für Gesundheit: „Kümmern Sie sich um die TI-Betriebsstabilität, damit die Patientenversorgung in den Praxen stabil bleiben kann!“

Auch die elektronische Patientenakte (ePA) sei letztlich auf eine störungsfreie TI angewiesen. Der Großteil der Praxen sei mittlerweile „ePA-ready“, das unterstreiche einmal mehr, dass sie Vorreiter bei der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen seien. „Weitere Akteure, insbesondere die Krankenhäuser, müssen jetzt endlich nachziehen“, forderte Steiner. Letztere hätten vor dem zweiten Quartal 2026 überhaupt keine Sanktionen zu fürchten, falls sie noch nicht so weit seien – ganz im Gegenteil dazu die Niedergelassenen, die ab 2026 mit Sanktionen bis hin zum kompletten Abrechnungsausschluss belegt werden könnten. Dabei hätten noch gar nicht alle Hersteller von Praxisverwaltungssystemen ein ePA-Modul bereitgestellt. „Sanktionen drohen jedoch paradoxerweise den Praxen“, kritisierte Steiner scharf.

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