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Finanzierung
Seit Jahren unzureichend

Finanzmittel für die ambulante Versorgung

Jährlich verhandeln KBV und GKV-Spitzenverband über die Finanzmittel für die ambulante Versorgung. Der Rahmen dafür ist – anders als bei Tarifverhandlungen – einem gesetzlich engen Korsett unterworfen.
Im entsprechenden Paragrafen des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) ist geregelt, welche Faktoren für die Anpassung des sogenannten Orientierungswertes – also die Preise für alle ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen –berücksichtigt werden können. So weit, so gut.
Ein Bruchteil für die Praxen
In der Realität decken die Finanzmittel oft nicht die tatsächlichen Kosten der Versorgung. Gerade einmal 16 Prozent der Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fließen in die vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Praxen.
Beim Blick auf die Entwicklung der GKV-Ausgaben wird deutlich, dass die Ausgaben für die Behandlung in den Praxen unterdurchschnittlich gestiegen sind. In Zahlen ausgedrückt: Während die GKV-Ausgaben für die Praxen von 2020 bis 2024 um 6,1 Milliarden Euro (plus 13,9 Prozent) anwuchsen, legten sie bei den Krankenhäusern im gleichen Zeitraum um 20,2 Milliarden Euro zu – ein Plus von 24,8 Prozent.
Trotzdem formulieren Politik und Kassen häufig Forderungen nach noch mehr Arbeitsstunden und noch mehr Terminen. Wenn Ärztinnen und Ärzte aber künftig ohne jedwede Gegenleistung noch mehr leisten sollen, droht ein ganz anderes Szenario: Weniger Geld könnte in Zukunft weniger Termine bedeuten.
Das Problem ist, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, gerade weil sie sich ihren Patienten verpflichtet fühlen, schon seit Jahren Leistungen erbringen, die sie nicht bezahlt bekommen. Der ambulante Bereich ist seit Jahren unterfinanziert.
Leistungen und Kosten des ambulanten Bereichs im Überblick
Was leistet und kostet die ambulante Gesundheitsversorgung im Vergleich zum stationären Sektor? Und welche Einsparpotenziale ergeben sich daraus für die gesetzliche Krankenversicherung?
Forderungen zu einer angemessenen und nachhaltigen Finanzierung für ein zukunftssicheres Gesundheitswesen
Investitionsstau in Praxen
Die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenkassen ist angespannt, ihre Geldpolster sind arg geschrumpft. Zweifellos bestehen Einsparpotenziale in der GKV; beispielsweise durch Ambulantisierung. Zudem gibt es erhebliche finanzielle Belastungen zulasten der Versichertengemeinschaft – etwa bei Beiträgen für Bürgergeldbeziehende, bei Investitionskosten für Krankenhäuser oder bei der Digitalisierung. Gelder, die eigentlich in die Patientenversorgung gehören, werden zweckentfremdet.
Da sich der Druck auf die Sozialsysteme – und damit auch auf die GKV – nicht zuletzt durch die älter werdende Generation der sogenannten „Babyboomer“ weiter erhöhen dürfte, ist aus Sicht der KBV eine Neuausrichtung für eine angemessene Finanzierung des Gesundheitswesens unabdingbar. Die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen ist eine Investition in die Zukunft des Gesundheitssystems. Aktuell beläuft sich der Investitionsstau im ambulanten Bereich auf 1,8 Milliarden Euro.
Es wäre sinnvoll, geplante Investitionen in die deutsche Infrastruktur mit einem Praxiszukunftsgesetz zu verknüpfen, um eine Unterversorgung zu verhindern. Denn die haus- und fachärztlichen sowie die psychotherapeutischen Praxen sind mit ihrem Versorgungsversprechen ein Stabilitätsanker für die Demokratie und ein Garant für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Ohne Investitionen ist die Struktur der Praxen äußerst gefährdet.
18.000 Euro fehlen pro Praxis
Laut einer aktuellen Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) beläuft sich der Investitionsstau in der ambulanten Versorgung auf rund 1,8 Milliarden Euro. Durchschnittlich fehlen jeder Praxis etwa 18.000 Euro für dringend notwendige Modernisierungen. Das reicht von baulichen Maßnahmen über medizinische Geräte und Informationstechnik bis hin zu anderen digitalen Infrastruktur-Vorhaben.
Tragfähige und gerechte Finanzierung
Da punktuelle Zuschüsse und Soforthilfen keine Dauerlösung sein können, bedarf es eines langfristigen Konzepts zur Konsolidierung der GKV. Die Finanzierung für ein stabiles Gesundheitssystem muss tragfähig, gerecht und nachhaltig sein – insbesondere vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung und dem stetig zunehmenden Fachkräftemangel. Nur so lässt sich eine hochwertige flächendeckende Gesundheitsversorgung, auf die sich die Menschen verlassen können, sichern.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD sind Finanzierungsfragen nahezu ausgeklammert – anders als im Ergebnispapier der Vorverhandlungen. Eine Kommission soll sich bis Anfang 2027 der Thematik widmen, hat die Bundesregierung beschlossen. Wichtig ist hierbei, dass das KV-System an dieser Kommission und der Erarbeitung einer nachhaltigen und langfristigen Lösung beteiligt sein wird.
Die Praxen leiden seit Jahrzehnten unter einem erheblichen Investitionsstau, weil die Krankenkassen nicht bereit sind, die notwendigen Finanzmittel in voller Höhe bereit zu stellen. Wir brauchen jetzt Investitionen oder die Struktur der Praxen wird nicht mehr zu retten sein.
Praxen als Wirtschaftsmotor
Das ambulante System ist nicht nur für die medizinische Versorgung der Menschen hierzulande relevant, sondern längst ein maßgeblicher Faktor für die deutsche Wirtschaft. Die 99.000 Praxen tragen 51,6 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung bei und stellen nahezu 800.000 Arbeitsplätze zur Verfügung. Die Zahl der Beschäftigten hat mittlerweile die Autoindustrie überholt. Folglich sind die Praxen auch für die Stabilität des Wirtschaftsstandorts Deutschland bedeutend.
Dauerbrenner Entbudgetierung

Seit Jahren ist die Entbudgetierung ärztlicher Leistungen ein zentrales Thema. Eine Budgetierung führt dazu, dass erbrachte Leistungen nicht vergütet werden. Daher hat sich die KBV stets für eine Entbudgetierung eingesetzt – sowohl in der hausärztlichen als auch in der fachärztlichen Versorgung.
Budgetierung bedeutet, dass das Geld, das Ärzte und Ärztinnen für die Behandlung von gesetzlich Versicherten bekommen, von den Kassen nach oben begrenzt ist. Das heißt: Den Praxen wird im Bundesdurchschnitt ein bestimmter Prozentsatz ihrer erbrachten Leistungen nicht vergütet. Budgets wurden einst etabliert, um Überversorgung zu verhindern.
Das Regierungsbündnis aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatte die hausärztliche Entbudgetierung 2021 im Koalitionsvertrag verankert. Kurz vor seiner Auflösung hatte der alte Bundestag mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) diese Anfang 2025 schließlich beschlossen.
Ab 1. Oktober 2025 können Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung in voller Höhe vergütet werden. Allerdings ist die Umsetzung der entsprechenden Regelung im GVSG äußerst kompliziert, da für die dort vorgesehenen hausärztlichen Pauschalen kein neues Geld zur Verfügung steht.
Die KBV warnt daher vor Honorarumverteilungen infolge der gesetzlich vorgegebenen Ausgabenneutralität. Klar ist aber ohnehin: Letztlich muss es bei einer Entbudgetierung – nicht nur für Hausärzte, sondern auch für Fachärzte – darum gehen, dass alle Leistungen, die Ärztinnen und Ärzte erbringen, vollständig bezahlt werden.
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