Ambulantisierung Für eine Versorgung der Zukunft
Zu viele stationäre Behandlungsfälle
Viele Betten, häufige Übernachtungen: Deutschland leistet sich im internationalen Vergleich weit überdurchschnittlich hohe Bettenkapazitäten und viele stationäre Behandlungsfälle.
Im Jahr 2022 standen hierzulande acht akutstationäre Krankenhausbetten 212 Behandlungsfällen pro 1.000 Einwohner entgegen. In vergleichbaren europäischen Ländern waren es nur drei Betten und 109 Fälle.
Teuer und ineffizient
Vor dem Hintergrund angespannter GKV-Finanzen gehören die vielen Krankenhausaufenthalte auf den Prüfstand. Denn: Die Behandlung im Krankenhaus ist mit durchschnittlich 9.465 Euro pro Patient und Jahr über dreizehnmal teurer als in der Praxis.
Untersuchungen haben außerdem ergeben: Mehr als vier Millionen stationäre Operationen könnten potenziell ambulant durchgeführt werden. Damit ließen sich jährlich rund acht Milliarden Euro an Beitragsgeldern einsparen. Auch die Krankenhäuser würden profitieren: Sie würden erheblich entlastet und könnten sich auf jene Patientinnen und Patienten konzentrieren, die wirklich stationär behandelt werden müssen.
Leistungen und Kosten des ambulanten Bereichs im Überblick
Was leistet und kostet die ambulante Gesundheitsversorgung im Vergleich zum stationären Sektor? Und welche Einsparpotenziale ergeben sich daraus für die gesetzliche Krankenversicherung?
Ambulant vor stationär
Auf dem Papier ist der Weg also klar: Der Trend geht in Richtung ambulanter Versorgung, wie auch ein Blick ins Ausland zeigt. Selbst in Deutschland werden mittlerweile 97 Prozent aller Behandlungsfälle – insgesamt 600 Millionen pro Jahr – in Arzt- und Psychotherapiepraxen versorgt. Dabei entfallen auf die Behandlung dort nur 16 Prozent der GKV-Ausgaben.
Ambulantisierung ist also in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll, aber auch in medizinischer: Der medizinisch-technische Fortschritt sorgt dafür, dass ehemals aufwendige Behandlungen, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machten, mittlerweile problemlos in einer entsprechend ausgestatteten Praxis durchführbar sind. Damit entfallen auch unnötige Übernachtungen.
Auch die neue Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag die weitere Ambulantisierung auf die Fahnen geschrieben. Die KBV wird dieses Ansinnen eng begleiten und steht als konstruktiver Gesprächpartner bereit. Die Politik wird sich daran messen lassen müssen, inwiefern sie nicht nur Krankenhäuser für ambulante Leistungen öffnet, sondern auch Vertragsärzte und -psychotherapeuten mit einbindet.
Der Großteil der Versorgung wird jetzt schon ambulant erbracht. Das heißt, der Teil der Erkrankungen, die stationär behandelt werden müssen, wird tendenziell immer kleiner.
Ambulantisierbare Fälle
Die mehr als vier Millionen ambulantisierbaren Fälle könnten nach Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) von den Niedergelassenen übernommen werden.
Auf Internistinnen und Internisten kämen demnach mit 204 die meisten zusätzlichen Behandlungsfälle pro Arzt und Jahr zu. Das ist weniger als ein zusätzlicher Fall pro Tag. Auch in der Urologie würde sich mit 106 zusätzlichen Fällen die Fallzahl der operativ tätigen vertragsärztlichen Urologinnen und Urologen um nur 2,3 Prozent erhöhen.
Gleiche Leistung, gleiche Vergütung
Mit den sogenannten Hybrid-DRG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, bestimmte Operationen sektorenübergreifend einheitlich zu vergüten – unabhängig davon, ob sie im Krankenhaus oder ambulant erbracht werden.
Diese sektorenübergreifenden Fallpauschalen sollen einen finanziellen Anreiz zur Ambulantisierung schaffen und die Sektorengrenze zwischen stationärer und ambulanter Versorgung durchlässiger machen.
Zuständig für die Erweiterung des Katalogs sind die Selbstverwaltungspartner KBV, GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft.
In den jährlichen Verhandlungen setzt sich die KBV dafür ein, dass die Belange der niedergelassenen Ärzteschaft stärker berücksichtigt werden. Bisher ist die Entwicklung der Hybrid-DRG stark vom stationären Vergütungssystem abhängig. Auch vor dem Hintergrund der bisher geringen Zahl an eingeschlossenen Leistungen fehlen entsprechende Anreize, mehr stationäre Operationen ambulant zu erbringen.
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Ambulante Weiterbildung fördern
Bereits heute zeichnet sich ein Mangel an niedergelassenen Ärztinnen, Ärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ab, der sich mit dem Renteneintritt geburtenstarker Jahrgänge weiter verschärfen wird. Gleichzeitig verlagern sich immer mehr Versorgungsanteile in die ambulante Versorgung.
Das macht die Weiterbildung im ambulanten Bereich umso wichtiger: Zum einen ist sie der Schlüssel, um auch künftig ausreichend Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner für eine Niederlassung zu gewinnen. Zum anderen spielen sich bereits heute große Teile der Versorgung ausschließlich in den Praxen ab, sodass der Nachwuchs in Krankenhäusern allein kein umfassendes Bild der Versorgungsrealität mehr gewinnen kann.
Die ambulante Weiterbildung muss aus medizinischen, aber auch aus versorgungspolitischen Gründen massiv ausgebaut werden, denn dort findet die medizinische Versorgung statt.
Das fordert die KBV
Die ambulante Aus- und Weiterbildung in Praxen muss dringend gefördert und ausgebaut werden. Das macht entsprechende gesetzliche Rahmensetzungen durch die Politik erforderlich. Auch finanziell gilt es, ausbildende Kolleginnen und Kollegen angemessen zu vergüten. Der einseitige Fokus auf der Ausbildungsstätte Krankenhaus muss überwunden werden.