Praxisnachricht
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Mehr Flexibilität und weniger Bürokratie bei der Komplexversorgung für Erwachsene

Die ambulante Komplexversorgung für Erwachsene mit schweren psychischen Erkrankungen ist flexibilisiert worden. Für Ärzte und Psychotherapeuten soll es nun leichter möglich sein, an dem Programm teilzunehmen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dazu verschiedene Anpassungen vorgenommen. Der Beschluss ist am Mittwoch in Kraft getreten.

Vereinfacht wurden insbesondere die Anforderungen an die Netzverbünde. Eine Evaluation des vor drei Jahren gestarteten Versorgungsprogramms hatte verschiedene Hürden aufgezeigt, die Ärzten und Psychotherapeuten eine Teilnahme erschwert haben. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte daraufhin im August verschiedene Änderungen beschlossen.

„Wir haben uns für realistischere Anforderungen eingesetzt“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner den PraxisNachrichten. Ziel sei, das Vorhaben im Interesse der Patienten voranzutreiben, damit mehr schwer psychisch erkrankte Menschen durch die engmaschige, multiprofessionelle Begleitung und den fachlichen Austausch der Ärzte und Psychotherapeuten im Behandlungsteam profitieren könnten.

Anforderungen an Netzverbünde flexibilisiert

Eine Änderung betrifft die Mindestanzahl der Ärzte und Psychotherapeuten, die erforderlich ist, um einen Netzverbund zu gründen. Sie wurde von zehn auf sechs gesenkt. Außerdem können jetzt auch Ärzte und Psychotherapeuten die Funktion des Bezugsarztes oder Bezugspsychotherapeuten übernehmen, die keinen vollen Versorgungsauftrag haben. Möglich ist dies auch, wenn sie angestellt tätig sind. Wichtig ist, dass mindestens ein ärztliches Netzverbundmitglied über einen vollen Versorgungsauftrag und ein psychotherapeutisches Mitglied über einen mindestens halben Versorgungsauftrag verfügt.

In Hinblick auf die verpflichtende Kooperation eines Netzverbundes mit einem Krankenhaus wurde eine Ausnahmeregelung geschaffen. Sie soll greifen, wenn Ärzte und Psychotherapeuten nachweislich kein Krankenhaus in der Region finden, das für eine Zusammenarbeit bereitsteht. Ein Netzverbund kann dann trotzdem eine Genehmigung seiner Kassenärztlichen Vereinigung erhalten – befristet auf zwei Jahre.

Schriftliche Erklärung reicht aus

Neu ist zudem, dass für den Antrag auf Genehmigung des Netzverbundes eine schriftliche Erklärung eines jeden teilnehmenden Arztes und Psychotherapeuten sowie der erforderlichen Kooperationspartner ausreicht. Bislang war eine formelle rechtliche Bindung in Form eines Netzverbundvertrages für die Kooperation vorgegeben. Diese Anforderung entfällt; bestehende Verträge bleiben gültig.

Eine weitere Neuerung legt fest, dass die teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten eines Netzverbundes auch alle in einer Einrichtung arbeiten dürfen, sowohl in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) als auch in einer örtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Ein MVZ oder eine BAG mit einer ausreichenden Anzahl an Ärzten und Psychotherapeuten kann unter Einhaltung der restlichen Vorgaben so einen eigenen Netzverbund bilden.

Vorgaben für Bezugspsychotherapeuten gelockert

Psychologische Psychotherapeuten können nunmehr auch für Patienten als Bezugspsychotherapeut tätig sein, wenn diese eine psychopharmakologische Behandlung mit häufigen Anpassungen benötigen oder kontinuierlich von einem Facharzt behandelt oder überwacht werden müssen. Dies war bislang ausgeschlossen. Voraussetzung dafür ist, dass sie eine Fachärztin oder einen Facharzt aus dem Netzverbund regelmäßig in die Behandlung einbeziehen.

Fallbesprechungen und Hilfekonferenzen

Bei den Fallbesprechungen sieht die angepasste G-BA-Richtlinie eine neue Leistung vor: Netzverbundmitglieder können künftig an Hilfekonferenzen anderer sozialgesetzlicher Leistungsbereiche teilnehmen, zum Beispiel Beratungen mit Wohngruppen-Betreuungen oder Reha-Einrichtungen. Zusätzlich können auf Wunsch der Patientin oder des Patienten weitere Personen zu Fallbesprechungen eingeladen werden, zum Beispiel Mitarbeiter der Eingliederungshilfe oder des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Die Vernetzung mit anderen Unterstützungssystemen soll damit gestärkt werden.

PraxisInfoSpezial aktualisiert

Die KBV stellt Ärzten und Psychotherapeuten eine aktualisierte PraxisInfoSpezial zur Verfügung. Darin werden Aufbau und Struktur der Komplexversorgung einschließlich aller Neuerungen erläutert. Darüber hinaus gibt sie einen kompakten Überblick über alles, was Ärzte und Psychotherapeuten zu dem Versorgungsprogramm wissen müssen.

Stichwort: Komplexversorgung

Die ambulante Komplexversorgung für Erwachsene insbesondere mit schweren psychischen Erkrankungen wurde 2022 eingeführt. Kern des Angebots ist eine engmaschige, multiprofessionelle und kontinuierliche Versorgung durch Ärzte und Psychotherapeuten, die sich mit anderen Fachkräften wie Sozio- und Ergotherapeuten und Krankenhäusern in regionalen Netzverbünden zusammenschließen.

Das Angebot für Erwachsene wurde nun überarbeitet, um die Gründung von Netzverbünden zu erleichtern.

Im März 2025 startete außerdem ein separates Versorgungsprogramm, das speziell auf den Bedarf von Kindern und Jugendlichen mit schweren psychischen Erkrankungen zugeschnitten ist.

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Keine Kennzeichnung mehr von Besuchen in der Komplexversorgung

Ärzte und Psychotherapeuten brauchen ab 1. Januar 2026 bei der Abrechnung nicht mehr zusätzlich kennzeichnen, wenn ihre Besuchsleistungen bei erwachsenen Patienten in der Komplexversorgung stattgefunden haben. Dies hat der ergänzte Bewertungsausschuss in seiner 127. Sitzung beschlossen. Damit gilt die Kennzeichnungspflicht bei der Abrechnung von Besuchsleistungen nur noch bei der Komplexversorgung von Kindern und Jugendlichen.

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