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70 Jahre Selbstverwaltung

Garant für sozialen Frieden

70 KBV KZBV

Seit sieben Jahrzehnten ist die ärztliche und psychotherapeutische Selbstverwaltung ein prägender Faktor unseres Gesundheitswesens. Alt und ganz schön weise lässt sich zusammenfassend sagen. Heute ist sie moderner denn je.

Organisator der Gesundheitsversorgung

Unverändert ist die ärztliche Selbstverwaltung der entscheidende Organisator der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Sie schaltet und waltet häufig im Hintergrund – aber mit großer Wirkung. Die Organisation der Gesundheitsversorgung ist und bleibt der gesetzliche Auftrag der Selbstverwaltung. Eine starke und unabhängige Selbstverwaltung ist ein wesentliches Element einer gelebten und wehrhaften Demokratie.

Denn in unserem Gesundheitssystem gestalten diejenigen die medizinische Versorgung, die am meisten davon verstehen: Ärzte, Psychotherapeuten, Apotheker, Krankenkassen. Im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) – dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung – legen sie beispielsweise den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fest – also alle Gesundheitsleistungen, auf die gesetzlich Versicherte einen Anspruch haben. Zugleich müssen sie politische Reformen umsetzen.

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70 Jahre Selbstverwaltung

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Positionspapier der KBV und KZBV

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Das leistet die Selbstverwaltung

Auch wenn die Selbstverwaltung von einschlägiger Seite zuweilen als Auslaufmodell bezeichnet wird und es immer wieder Tendenzen zur Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit gibt: Eine sinnvolle Alternative zur körperschaftlichen Selbstverwaltung gibt es nicht, wenn man das Gleichgewicht der Kräfte mit den Kostenträgern und ein Gegengewicht zu staatlichem Zentralismus der Gesundheitsversorgung bewahren will.

Andernfalls bestünde die Gefahr einer „Staatsmedizin“. Vieles würde zentral geregelt – fernab vom Praxisalltag und den Bedarfen der Patientinnen und Patienten. Gesundheitspolitische Entscheidungen wären noch stärker von politischen Interessen abhängig. Die fachliche Expertise von Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten würden in den Hintergrund rücken oder ganz ausgeblendet werden.

Ohne die Selbstverwaltung würden beispielsweise Standards für die ärztliche Fortbildung, Qualitätssicherung und Berufsausübung wegfallen. Die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung würde in Gefahr geraten. Denn durch Sicherstellung und Bedarfsplanung kümmert sich die Selbstverwaltung darum, dass Patientinnen und Patienten rund um die Uhr eine wohnortnahe Versorgung erhalten. Ein weiteres Beispiel: Qualität und Einheitlichkeit der Weiterbildung – und damit der Kern der beruflichen Fachstandards – könnten sinken und nicht mehr berufsnah überprüft werden.

Das Prinzip einer unabhängigen Berufsausübung vor dem Hintergrund einer eigenständigen Selbstverwaltung ist grundlegend für eine freie Gesellschaft. In Deutschland stützen daher zwei Säulen den hohen Standard des Gesundheitssystems: Unabhängigkeit und Expertise.

Meilensteine der Selbstverwaltung

Unter anderem in der Bewältigung der Corona-Pandemie hat die Selbstverwaltung ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt und gezeigt, dass sie das zentrale Fundament unseres Gesundheitswesens ist. Über 60 Sonderregelungen veranlassten unbürokratische Lösungen für die Versorgung. Durch die Vereinbarungen der KBV mit den Partnern der Selbstverwaltung hatten die Praxen mehr Spielraum, die Versorgung der Patienten unter Pandemie-Bedingungen sicherzustellen – zum Beispiel durch mehr telefonische Konsultationen oder den Versand von Folgerezepten und Verordnungen.

Meilensteine der Entwicklung innerhalb des Systems waren unter anderem die Integration der Psychotherapie oder die Organisationsreform der GKV. Seit 1999 regelt das Psychotherapeutengesetz (PsychThG) in Deutschland die Ausübung der Psychotherapie durch die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz wurde am 1. Januar 2004 der G-BA gegründet.

Der Weg zum Kassenarztrecht

Ausgangspunkt des Ganzen war letztlich die Einführung des Kollektivvertrags: Dieser sorgt dafür, dass jede und jeder Versicherte in der GKV in Deutschland unabhängig von Wohnort, sozialer Herkunft, Einkommensverhältnissen und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Krankenkasse eine medizinisch hochwertige Versorgung erhalten kann.

Ursprünglich wurde mit der Einführung der GKV den Krankenkassen die Sicherstellung der Versorgung übertragen. Damit konnten die Krankenkassen die Arbeitsbedingungen der Ärzte weitestgehend beliebig bestimmen. Um sich in dieser prekären Situation Gehör zu verschaffen, riefen sie zum Streik auf. Das Gesundheitssystem steckte in einer tiefen Krise. Mit einer Notverordnung konnte diese Situation 1931/32 entschärft werden.

Diese bedeutete eine völlige Neuordnung der Krankenversorgung: Der Kollektivvertrag wurde eingeführt und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gegründet. Durch den Kollektivvertrag sind Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten Vertragspartner aller gesetzlichen Krankenkassen und können damit auch alle gesetzlich Krankenversicherten behandeln.

Mit Ende des Zweiten Weltkriegs musste auch die Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger neu organisiert werden. Im Jahr 1955  stimmten Bundestag und Bundesrat dem Gesetz über das Kassenarztrecht zu.

Kassenarztrecht

1955 verständigten sich Politik, Kassen und Ärzteschaft auf einen tragfähigen Kompromiss. Das Gesamthonorar soll sich von nun an am Leistungsvolumen der Mediziner orientieren. Dafür verzichten die Ärzte auf das Streikrecht und akzeptieren eine verbindliche Schlichtung durch Schiedsämter.

Das neue Recht stützt sich in vielerlei Hinsicht auf Vereinbarungen von 1931/32: Im Januar 1932 haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ihre Arbeit aufgenommen. Per Notverordnung des Reichspräsidenten hatte die Regierung zuvor die Gründung der KVen beschlossen. Seitdem schließen die KVen mit den Krankenkassen bzw. die KBV mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) sogenannte Kollektivverträge.

Die KVen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und somit Träger der mittelbaren Staatsverwaltung. Ihnen obliegt es vor allem, die ambulante ärztliche Versorgung sicherzustellen, die Rechte der Ärzte gegenüber den Krankenkassen zu wahren, Verträge auszuhandeln und das Gesamthonorar auf die Mitglieder zu verteilen.

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Zukunftstechnologie des Gesundheitssystems

Die ärztliche Selbstverwaltung ist als bewährter Motor für die Gestaltung der Versorgung und als Zukunftstechnologie für unser Gesundheitssystem ein unverzichtbarer Bestandteil des Fundaments für gesellschaftlichen und demokratischen Zusammenhalt sowie sozialen Frieden in Deutschland. Daher ist es für eine auch künftig funktionierende Selbstverwaltung wichtig, ihre Strukturen nachhaltig zu stärken ihr die Freiheit zu geben, die sie braucht – zugunsten aller Patientinnen und Patienten sowie für ein gerechtes, menschliches und demokratisch stabiles Gesundheitswesen.

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